Risikobewertung von Chondroitinsulfat in Nahrungsergänzungsmitteln

Aktualisierte Stellungnahme Nr. 040/2018 des BfR vom 7. Dezember 2018

Chondroitinsulfat ist ein natürlicher Bestandteil des Gelenkknorpels. Die Substanz ist in zahlreichen Produkten enthalten, die als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) angeboten werden und Marktbedeutung haben. Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Sie sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Eine Zulassung von Chondroitinsulfat als Arzneimittel zur oralen Anwendung bei Gelenkerkrankungen besteht in Deutschland nicht.

Anders als Arzneimittel unterliegen Nahrungsergänzungsmittel prinzipiell keiner Zulassung oder behördlichen Prüfung, bevor sie in Verkehr gebracht werden. Sie müssen sicher und dürfen nicht gesundheitsschädlich sein. Die Verantwortung hierfür liegt bei den Herstellern/Vertreibern der Produkte. Ihre Inhaltsstoffe sollen keine nennenswerten pharmakologischen Wirkungen haben.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat im Jahr 2007 die Verwendung von Chond- roitinsulfat als Inhaltsstoff von NEM gesundheitlich bewertet. Da zwischenzeitlich eine Reihe neuerer wissenschaftlicher Publikationen zur Anwendung der Substanz beim Menschen vor- liegt, hat das BfR die Bewertung aktualisiert.

Das BfR hat bei der Bewertung von Chondroitinsulfat als Inhaltsstoff von NEM Zufuhrmengen von 800-1200 mg/Tag zugrunde gelegt; zum einen da diese Zufuhrmengen in den meisten der verfügbaren Humanstudien eingesetzt wurden und zum anderen weil die vorliegenden Daten für eine Ableitung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen hinsichtlich des Auftretens unerwünschter Wirkungen nicht ausreichend sind. Das BfR weist ausdrücklich darauf hin, dass damit keine Aussage zur möglichen pharmakologischen Wirkung verbunden ist und dass dies keine Empfehlung darstellt, solche Tageszufuhrmengen in Nahrungsergänzungsmitteln auszuschöpfen.

Vorliegende Humanstudien wurden meist mit Patientinnen und Patienten durchgeführt, die an Arthrose litten. In diesen Studien waren im Zufuhrbereich von 800-1200 Milligramm pro Tag (mg/Tag) die Häufigkeiten beobachteter unerwünschter Wirkungen (Inzidenz) meist mit denen der Placebogruppen, die die Substanz nicht erhielten, vergleichbar. Unerwünschte Wirkungen im Magen-Darm-Trakt (gastrointestinale Wirkungen), die als häufigste unerwünschte Wirkungen beobachtet wurden, traten in den Chondroitinsulfatgruppen in geringerem Umfang auf als in den Placebogruppen. Insofern besteht die Frage, inwieweit unerwünschte gastrointestinale Wirkungen, wie auch andere beobachtete unerwünschte Wirkungen der Chondroitinsulfatgruppen das übliche „Hintergrundrauschen“ unerwünschter Wirkungen des Lebensalltags in den teils länger dauernden Studien widerspiegeln oder der Chondroitinsulfatgabe zuzuschreiben sind.

Jedoch ist zu berücksichtigen, dass diese Studien meist mit Arthrosepatienten durchgeführt wurden und daher aus ethischen Gründen die zusätzliche Einnahme von Arzneimitteln wie Paracetamol und zum Teil zusätzlich von Entzündungshemmern (nicht-steroidale Antiphlogistika) erlaubt war. Diese können selbst unerwünschte Wirkungen hervorrufen oder bestimmte unerwünschte Wirkungen mildern. Daher bestehen wissenschaftliche Unsicherheiten, ob und inwieweit durch den zusätzlichen Gebrauch von Arzneimitteln die Häufigkeiten der beobachteten unerwünschten Wirkungen beeinflusst wurden und die Studienergebnisse bezüglich des Auftretens unerwünschter Wirkungen auf die Allgemeinbevölkerung (d.h. Personen, die die zusätzlich verwendeten Arzneimittel nicht oder in deutlich geringerem Umfang gebrauchen als die untersuchten Patientengruppen) bzw. auf die alleinige Chondroitinsulfatgabe übertragbar sind. Die Allgemeinbevölkerung stellt die Bezugsgruppe für die Risikobewertung von Nahrungsergänzungsmitteln dar.

Weiterhin ist gegenwärtig nicht geklärt, inwieweit Chondroitinpräparate je nach Herstellungsweise, Ausgangsmaterial, Zusammensetzung, Molekulargewichtsverteilung oder Sulfatierungsgrad unterschiedliche gesundheitliche Wirkungen aufweisen und ob Ergebnisse, die mit einzelnen Produkten erzielt wurden, ohne weiteres auf andere Chondroitinpräparate übertragbar sind.

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Quelle: BfR