Rückblick DLG-Forum FoodTec: Food-Authentizität

Hightech-Betrug auf dem Vormarsch. Zusammenarbeit in Europa stärken und mehr Bewusstsein für Lebensmittelkriminalität schaffen.

Lebensmittelbetrug steht heute für ein hohes Maß an Technologie und krimineller Energie. Über die vielschichtigen Ursachen und mögliche Maßnahmen der Eindämmung informierte das Forum Food Authentizität der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) in Frankfurt am Main.

Profitgier, einfach zu kopierende Produkte, leicht verfügbares Know-how und die Schwierigkeit des analytischen Nachweises begünstigen Lebensmittelbetrug. Hinzu kommt, dass keine abschreckenden Strafen drohen. Aber auch die Globalisierung der Warenströme, der wachsende Einfluss Organisierter Kriminalität und eine zunehmende Zertifikatsgläubigkeit begünstigen Lebensmittelfälschungen.

Darin waren sich die Referenten des DLG-Forums einig. Wie man dieser Entwicklung begegnen sollte, sorgte im Rahmen einer Podiumsdiskussion für einen regen Meinungsaustausch. Dr. Helmut Steinkamp, Vorsitzender des DLG-Ausschusses Lebensmitteltechnologie und Leiter des Instituts für Lebensmittelqualität LUFA Nord-West moderierte die Veranstaltung.

Heute werden Lebensmittel vor allem dann gefälscht, wenn es um große Produktvolumina (z.B. Olivenöl im Großhandel) geht. In kleinerem Maßstab findet er primär dort statt, wo inkompetente Kunden erwartet werden, berichtete Dr. Andreas Juadjur, DIL. Je mehr Inhaltsstoffe von Lebensmitteln bekannt seien, desto genauer könne das Ausgangsmaterial bestimmt werden und ein umfassendes Profil, das heißt „ein Fingerabdruck“, erstellt werden. Empfehlenswert sind seiner Meinung nach u.a. mehr Prozess- statt Produktkontrollen und eine Offenlegung industrieller Rezepturen, damit Veränderungen nachweisbar werden.

Nach den Erfahrungen von Dr. Diedrich Harms, Intertek, gibt es außerhalb der Europäischen Union, der USA und Kanada auch Regionen, die dem Thema Food Authentizität eine geringere Bedeutung beimessen. Man müsse deshalb im Dialog bleiben und erklären, warum u.a. Europa große Anstrengungen unternimmt, die Authentizität von Lebensmitteln zum Schutze seiner Verbraucher zu sichern.

Grundsätzlich verlangen IFS-Food-Standards von allen Unternehmen mit einheitlichen Lebensmittel- und Produktstandards, aktiv gegen Lebensmittelbetrug vorzugehen. Sie gelten international, werden in Deutschland aber möglicherweise etwas genauer umgesetzt als in anderen Ländern, räumte Anke Wein, DEKRA Certification, ein.

Dirk Schweikert , ADM Wild Europe, sieht die Möglichkeiten für Audits bei internationalen Lieferanten für mittelständische Unternehmen als sehr begrenzt an, da sie im Gegensatz zu Global Playern meist über keine Kollegen vor Ort verfügen. Für Xenia Gatzert, FiBL, sind „reine Papier-Audits“ ein Beleg dafür, dass es generell an Risikobewusstsein und Risikoanalysen mangelt. Außerdem sehe man im Audit nur, was der Lieferant auch zeige. Da es in Deutschland relativ wenige Fälle von Food Fraud gebe, sei auch das Risikobewusstsein hierzulande (noch) entsprechend gering.

Analytik

Aus Sicht von Dr. Frank Mörsberg, Agrolab, ist das Thema Food Fraud derzeit ausgereift genug, um die von Universitäten entwickelten Analysemethoden in der Praxis anzuwenden. „Diese liegen auch preislich in einem für die Industrie interessanten Bereich.“ Allerdings ist Analytik in ihrer Aussagekraft beschränkt und kann alleine Food Fraud nicht verhindern. Deshalb ist es für Einkäufer und Qualitätsmanagement auch wichtig, „Preisticker zu beobachten. Sie geben erste Hinweise auf mögliche Anreize für Lebensmittelbetrug.“ Ein Mangel an Rohstoffen stelle aber nur eins von vielen Risiken für Lebensmittelbetrug dar.

Authentische Referenzproben propagierte Dr. Ole Winkelmann, Eurofins Analytik: „Wenn ein Produzent ein Vorab-Muster seines Olivenöls einreicht, das direkt bei der Pressung gewonnen wurde, kann dieses Muster nachher mit dem in Flaschen abgefüllten Öl verglichen werden.“ Für Dr. Eileen Brandenburger, Analytik Jena AG, liegt bei der Anwendung der molekularbiologischen Nachweismethode PCR die Herausforderung vor allem darin, dass für quantitative Aussagen Nachweisgrenzen definiert werden müssen. Und einheitliche Standards fehlten ebenso wie valide Kontrollen.

Relevanz im Ausland

Dr. Oliver Frandrup-Kuhr, BVL, sieht keine Beweise dafür, dass Food Fraud nur im Ausland auftritt. Deshalb versuche das BVL auch, die Akteure hierzulande für das Thema zu sensibilisieren. „Denn viele Überwachungseinrichtungen tun sich noch schwer mit der Aussage: Das ist Lebensmittelbetrug.“ Der plumpe Betrug nehme zwar ab, aber der, der eine hohe Technologie voraussetze, steige.

Für Dr. Andreas Juadjar, DIL, zeigt das Beispiel der Textilfarbstoffe in Gewürzen den heute hohen technologischen Stand der Fälscher. Ein Lebensmittelchemiker brauche rund zwei Jahre, um eine Methode auszutüfteln, dass die Farbstoffe so an die Matrix gebunden werden, dass sie nicht nachweisbar seien. Dies setze eine hohe kriminelle Energie voraus.

Kontrollen

„Lebensmittel sind heute in Deutschland so sicher wie nie zuvor“, betonte Stefan Engert, NRZ Authent, das das deutsche Nationale Referenzzentrum für authentische Lebensmittel ist und das erste seiner Art in Europa. Man könne das Netz der Kontrollen zwar engmaschiger machen, aber nie 100%-ige Sicherheit erzielen. In Großbritannien sei man nach dem Pferdefleischskandal aktiv geworden und habe eine neue zentrale Einheit gegen Food Fraud geschaffen, an der auch Zoll und Polizei beteiligt seien. Deutschland als föderaler Staat könne so eine Einheit nur mit Kooperation der Bundesländer einrichten, daher dauere hier ein solcher Prozess deutlich länger.

Zusammenarbeit

Opfer jeden Skandals ist nicht nur das geschädigte Unternehmen, sondern immer auch die gesamte Branche, da der Verbraucher Vertrauen verliert. Deshalb sind die Gremien und Verbände stark daran interessiert, gegen Lebensmittelbetrug konzertiert vorzugehen. Viele Anstrengungen werden schon unternommen, doch immer stoßen sie an ihre Grenzen.

Deshalb, so das Fazit des DLG-Forums, müssen alle Möglichkeiten künftig noch wesentlich stärker miteinander kombiniert werden, was auf europäischer Ebene eine intensivere Vernetzung, strukturierte Zusammenarbeit und verbesserte Kommunikation zwischen Lebensmittelüberwachung, Strafverfolgungsbehörden, Zoll und BVL voraussetzt.

Ab 2020 soll das BVL zu einer Art „Intelligence Centre“ für die zwischenbehördliche Zusammenarbeit ausgebaut werden.

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Quelle: DLG