Wie kann sich die Wissenschaft im Zeitalter von „Fake News“ behaupten?

Vorträge und Diskussionen zu einem aktuellen Thema bei der 7. Stakeholderkonferenz des Bundesinstituts für Risikobewertung.

Der Ausdruck „Fake News“ ist zu einem geflügelten Wort geworden. Er steht für gefälschte Nachrichten, die in manipulativer Absicht im Netz gestreut werden – meist mit einer unterschwelligen politischen Botschaft verbunden. Immer öfter gerät dabei die Wissenschaft ins Visier der „Fake News“. Zugleich häufen sich Berichte über Fälschungen in der Forschung selbst („Fake Science“) und über pseudowissenschaftliche „Raubjournale“ („Fake Journals“). Hinzu kommt aus vielerlei Gründen die Kritik an der Wissenschaft selbst.

Wissenschaftlich untermauerte Argumente, sei es in der Klimaforschung oder bei der gesundheitlichen Bewertung von Pflanzenschutzmitteln, erscheinen nur noch als Meinung, die man teilen kann oder auch nicht. Harte Fakten werden durch gefühltes Wissen ersetzt. Die Vertrauenskrise der Wissenschaft war Anlass für das Bundesinstitut für Risikobewertung, unter dem Motto „Alles Fake? Wissenschaft im Zeitalter der vielen Wahrheiten“ am 15. November 2018 seine 7. Stakeholderkonferenz mit namhaften Referenten im Hörsaal der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin-Mitte abzuhalten. Es folgt eine Zusammenfassung der Vorträge und Diskussionen.

Zumindest in der Theorie ist das Problem mit den gefälschten Neuigkeiten einfach zu lösen. „Wahrheit ist die Übereinstimmung einer Aussage mit der Sache, über die sie gemacht wird“, zitierte Bernhard Kühnle , Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, den Duden. Auf dem Weg zu dieser Wahrheit ist die Wissenschaft unentbehrlich, etwa beim Verbraucherschutz. Ihre Bewertungen sind aus Kühnles Sicht eine fundierte Basis für verlässliche Entscheidungen von Einrichtungen des Verbraucherschutzes ebenso wie für Lebensmittelunternehmen; sie sollten auch dem Bürger helfen, sich für eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu ent- scheiden. „Die Wissenschaft muss als seriöse und vertrauenswürdige Quelle gestärkt und geschützt werden“, sagte Kühnle. Wissenschaft hilft, Fake News abzuwehren.

Wissenschaft gehört nicht in die Schublade

Um ihre Aufgabe zu erfüllen, muss die Wissenschaft transparent, integer und von höchster Qualität sein, forderte Kühnle. Wissenschaftliches Arbeiten und Publizieren müsse unabhängig von politischen Erwägungen und wirtschaftlic hen Interessen sein. „Nichts gehört in die Schublade, wenn es reif für die Publikation ist.“

Auch die Adressaten – Politik, Wirtschaft, Medien, Zivilgesellschaft – sieht Kühnle in der Pflicht: „Sie dürfen keinen taktischen Umgang mit der Wahrheit pflegen.“ Das bedeutet: Wissenschaft ist nicht nur dann gut, wenn sie die eigenen Positionen und Interessen stützt – und zweifelhaft, wenn sie diesen entgegensteht. „Man kann auch vehement für eine pestizidfreie Landwirtschaft eintreten, ohne den, der Pflanzenschutzmittel-Risiken seriös bewertet, zu diskreditieren“, sagte Kühnle. Wissenschaftlich fundierte Fakten seien kein Ersatz für politische und gesellschaftliche Debatten, sondern deren Basis.

Glyphosat: Jeder ein Experte?

Viele Menschen lebten unter einer Social-Media-Glocke und würden alles für bare Münze nehmen, was sie dort lesen, sagte Alois Gerig (CDU/CSU), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft. „Sie lassen sich manipulieren.“ Ein Beispiel dafür sei die unsachliche und gelegentlich hysterische Diskussion um Pflanzenschutzmittel wie den Wirkstoff Glyphosat. Hier gab es plötzlich 80 Millionen Experten in Deutschland, die von den Medien in eine Richtung getrieben worden seien. In diesen gebe es einen Hang zu „Emotionalisierung, Moralisierung, Polarisierung“. Die Grenze zwischen Fakten und Meinung werde verwischt, über Sachverhalte mit komplexem wissenschaftlichem Hintergrund werde seltener berichtet. „Im Zeitalter des Internets ist die Unterscheidung zwischen Fakt und Fake deutlich schwieriger geworden“, sagte Gerig.

Wie sein Vorredner maß Gerig der Wissenschaft eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung um Fake News zu. Das BfR sei dabei ein Beispiel für gute wissenschaftliche Arbeit: „Sie helfen uns, die wahren Risiken zu erkennen.“ Die Bekämpfung von Fake News im „postfaktischen Zeitalter“ sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht allein der Wissenschaft zuzumuten. Auch Presse und soziale Medien müssten stärker in die soziale Verantwortung genommen werden. Gerig kann sich auch eine Internetplattform vorstellen, auf der wissenschaftlich abgesicherte Informationen zur Verfügung gestellt werden – ein „besseres Wikipedia“.

Vollständiger Beitrag

Quelle: BfR

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