Bio-Lebensmittel im Discounter drohen für kleinere Bio-Landwirte zum Boomerang zu werden

Marktfernen Familienbetrieben und kleineren Hofläden droht existenzgefährdender Preis- und Absatzeinbruch – ein Kommentar von Dirk Gieschen, Tarmstedt.

„Mit der Schlagzeile „Bio setzt sich durch“ wurde in dieser Woche auf der Messe BioFach 2019 das weitere Wachstum der deutschen Biolandwirtschaft um sechs Prozent bei der Anzahl der Betriebe und um gut acht Prozent bei der bewirtschafteten Fläche gemeldet. Auf der Absatzseite wurden gleichzeitig die Listungserfolge von Bioland beim Discounter Lidl und von Demeter bei Kaufhof als Durchbruch für die Bio-Branche gefeiert.

Die Frage ist, ob sich der für die Bioverbände erfreuliche Absatzsprung und der dadurch zu erwartende Zuwachs an gesellschaftlicher Bedeutung bei den Verbrauchern auch für die kleineren und mittleren Biobetriebe tatsächlich positiv auswirken wird. Zu befürchten ist genau das Gegenteil: Vor allem für die kleineren und eher marktfern in ländlichen Regionen wirtschaftenden Bio-Familienbetriebe wächst das Risiko, dass der vermeintliche Erfolg für sie zum existenzgefährdenden Boomerang wird.

Die Discounter im Lebensmitteleinzelhandel verkünden zwar, dass sie die Arbeit der Landwirte und Hersteller durch faire Preise honorieren wollen. Bereits jetzt ist aber erkennbar, dass das Preisniveau für Bio-Produkte unter Druck geraten wird. Der bestehende deutliche Preisunterschied zwischen Bio-Produkten in Hofläden, Drogerien und im Bio-Fachhandel gegenüber den Angeboten der Discounter wird aufgrund der Wettbewerbssituation im Einzelhandel, so es wie bei allen anderen landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln in den vergangenen Jahrzehnten auch passiert ist, unter Druck geraten. Die Bio-Betriebe werden wie ihre konventionellen Kollegen zuvor diesem Preis- und Kostendruck nur durch Rationalisierung und Wachstum ausweichen können. Es droht in der Folge ein harter Strukturwandel.

Für Bio-Landwirte, die mit attraktiven Hofläden in Stadtnähe kaufkräftige Verbraucher auf einem höheren Preisniveau an sich binden können, wird der Druck nicht so hoch sein wie für marktfernere Kollegen. Vor allem in ländlichen Regionen, in denen kaufkräftige Bio-Zielgruppen dünn gesät sind, wird der direkte Preiswettbewerb mit dem Lidl vor Ort nicht nur zu einem sinkenden Preisniveau, sondern auch zu deutlichen Verlusten an Kunden und Umsätzen führen. Wenn die Verbände auf dieses Problem keine Antwort haben, können diese Bio-Betriebe nur durch eine drastische Mengen-und Effizienz-Steigerung überleben.

Damit kommt den Bio-Verbänden ebenso wie den Discountern jetzt eine große Verantwortung zu, wenn sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen wollen, dass sie mit dem Schritt in die Massenvermarktung vormals exklusiver Bio-Produkte genau den Strukturwandel in der Bio-Landwirtschaft auslösen, dem Landwirte mit der Umstellung auf Bio eigentlich ausweichen wollten – den Trend zum „Großbetrieb“ mit entsprechenden Produktionsmethoden. Das wird schwierig werden. Deshalb kann man derzeit nur das Fazit ziehen, dass der Schritt in den Discounter für die bäuerlich strukturierten Bio-Familienbetriebe ein gefährlicher Boomerang werden wird.“

Zum Autor: Der Agrarexperte Dipl.-Ing. agr. Dirk Gieschen ist seit mehr als 25 Jahren auf die Analyse von Märkten und Trends in der Landwirtschaft sowie im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft spezialisiert. Er ist Initiator der Website agrar-trends.de

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