Gemeinsames „Klimahandeln“ der Agrar- und Ernährungsbranche jetzt angehen

Wie die Land- und Ernährungswirtschaft sich künftig auf wettertechnische Extremsituationen vorbereiten kann, wie sich die Betriebe entsprechend anpassen und welchen Beitrag sie zur Senkung der Treibhausgase leisten können, dazu haben sich Vertreter_innen der Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung am 28. Februar 2019 in der Universität Vechta vor rund 140 Interessierten ausgetauscht.

Eingeladen hatten der Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen sowie das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland e. V. Moderiert wurde die Veranstaltung vom ARD-Wetterexperten Donald Bäcker.

„Der Klimawandel ist eine der großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit und wird für die Agrar- und Ernährungswirtschaft ein zentrales Thema sein, dass nicht unterschätzt werden sollte“, ordnet die Geschäftsführerin des Verbunds Transformationswissenschaften, Dr.in Barbara Grabkowsky, die Tagung ein.

„Notwendig, insbesondere für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, sind Anpassungen an den Klimawandel, aber auch weitere Anstrengungen, den Treibhausgasausstoß der Landwirtschaft weiter zu verringern. Diese Aufgaben lassen sich aber nur angehen, wenn alle Akteure lösungsorientiert und zielgerichtet zusammenarbeiten. Klimaschutz betrifft uns alle.“

Der Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

In seinem fachlichen Grußwort wies auch Dr. Volker Wachendörfer von der Deutschen Bundestiftung Umwelt auf die Bedeutung des Klimawandels für die Gesellschaft hin. Er stellte heraus, dass es bei der Bewältigung der Klimaveränderungen nicht nur um technologische Herausforderungen gehe, sondern insbesondere auch um einen Ausbau von Kooperationen der Beteiligten. „Wir dürfen die Komplexität des Klimawandels nicht verschweigen“, so Wachendörfer. Es brauche daher neue Bildungs- und Kommunikationsformate sowie faktenbasierte und transparente Bewertungssysteme.

Die Bedeutung der Bewertungssysteme hob auch Ansgar Lasar, Klimabeauftragter der Landwirtschaftskammer Niedersachen, in seinen Ausführungen hervor. Er berichtete von Erfahrungen mit einzelbetrieblichen Klimabilanzen. Diese zeigten, dass in vielen Betrieben bereits geeignete Stellschrauben ermittelt werden konnten, um erhebliche Treibhausgasemissionen einzusparen, sagte Lasar „Die Klimaschutzmaßnahmen rechnen sich für die Betriebe auch betriebswirtschaftlich.“ Für einen nachhaltig gesicherten Klimaschutz sei die Branche jedoch gefordert, die produktbezogenen Emissionen entlang der gesamten Produktionskette zu ermitteln, so Lasar weiter.

Wie groß die Schäden von extremen Wetterereignissen für die die Branche und die Volkswirtschaft sind, zeigte Dr. Sebastian Lakner von der Universität Göttingen anhand des Hitzesommers 2018. Er rechnet damit, dass die Anträge auf Dürrebeihilfen die zu Verfügung stehenden Haushaltsmittel für Beihilfen in Niedersachsen deutlich überschreiten werden. „Aus heutiger Perspektive erscheint es politisch kaum vermittelbar und daher wenig wahrscheinlich, dass der Staat auch in Zukunft bei Dürreperioden regelmäßig Beihilfen anbietet. Private betriebliche Vorsorge und Ernteversicherungen werden daher zunehmend an Bedeutung gewinnen“, prognostizierte Lakner.

Anpassungsstrategien für Ackerbau und Nutztierhaltung

Steigende Futterpreise, Kosten für die Beregnung und Ernteeinbußen durch extreme Wetterereignisse belasteten die Betriebe. Auf diese Herausforderungen müssen sie Antworten finden. Prof.in Dr. Imke Traulsen, ebenfalls von der Universität in Göttingen, beschrieb dazu in ihrem Beitrag, dass Strategien zur Reduktion von Hitzestress bei Tieren mit baulichen, management- und tierbezogenen Strategien notwendig werden. Hier gebe es jedoch noch wesentlichen Forschungsbedarf, um jedwede Möglichkeiten zur Hitzestressvermeidung bei Nutztieren voll auszuschöpfen, sagte die Wissenschaftlerin. Sie verwies aber schon auf Ergebnisse zu effektiven Maßnahmen der Hitzestressvermeidung.

Auch der Gemüsebau hat im letzten Jahr einige Anstrengungen auf sich nehmen müssen, um den Folgen der Dürre entgegenzuwirken. Es gelte, so Dr. Carsten Vorsatz von Gemüsebau Mählmann aus Cappeln, bereits jetzt langwierige Wasserspeicherfähigkeiten der Böden zu verbessern und die Leidensfähigkeit der Kulturen exakt auszutesten.

Das bestätigt auch Kartoffellandwirt Dr. Holger Hennies aus Uetze. „Vielfältige Fruchtfolgen mindern das Anbaurisiko und verbessern die Wasserhaltefähigkeit der Böden. Weiterhin wirken sich klimaunabhängige Betriebszweige und Einkommensquellen stabilisierend auf die Betriebe aus“, so seine Aussage.

Weitere gemeinsame Anstrengungen notwendig

Die abschließende Podiumsdiskussion eröffnete Prof. Dr. Marco Rieckmann, Universität Vechta. Er stellte das Projekt „TeRRIFICA“ vor, an dem auch die Universität Vechta beteiligt ist. In dem europaweiten Projekt arbeiten verschiedene Akteursgruppen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Administration und Zivilgesellschaft zusammen, um gemeinsam innovative, notwendige und akzeptierte Klimaanpassungsmaßnahmen zu entwickeln. Rieckmann rief die Anwesenden auf, sich an diesem Projekt zu beteiligen, um den Dialog und die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen auf breiter Ebene zu befördern.

Wie wichtig es sei, diese Anstrengungen mit Teilhabe aller Beteiligten und der Gesellschaft konstruktiv und pro-aktiv anzugehen, betonten auch die Podiumsteilnehmer_innen während der Diskussion. Davon kann sich die Landwirtschaft nicht ausnehmen. Hierzu Uwe Bartels, AEF-Vorsitzender und Landwirtschaftsminister a. D.: „Der Klimawandel ist da.

Auch die Agrarwirtschaft in Deutschland und natürlich in Niedersachsen muss deshalb reagieren und Gegenmaßnahmen finden. Das ist Konsens. Es gilt nun abzuwägen: Welche Maßnahmen nutzen der Gesellschaft und dem Klima und wo wären die Auswirkungen eher gering und würden die Produktion der Lebensmittel ins weniger klimaeffiziente Ausland verlagern? Das würde viele kleine Betriebe in die Knie zwingen und das gilt es unter allen Umständen zu verhindern.“

Weitere Informationen

Quelle: Sabrina Daubenspeck Pressestelle
Universität Vechta