Die Bedeutung des Mikrobioms bei Übergewicht und Adipositas

Neben der Nahrungsauswahl und -menge geht es auch um die Interaktion der Nahrung mit den Darmbakterien.

Kurzfassung

Prof. Dr. med. Christian Sina und Dr. med. Torsten Schröder, Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Milliarden von Bakterien, Viren und Pilzen auf unserer Haut, in der Nase, im Mund, im gesamten Magen-Darm-Trakt und auf allen anderen Körperoberflächen bilden das Mikrobiom. Es ist einzigartig, d. h. jeder hat seinen eigenen „mikrobiellen Fingerabdruck“, und es ist ein aktiver Teil unseres Lebens. So entscheidet das Darm-Mikrobiom beispielsweise mit über unser Körpergewicht, ob wir krank werden oder wie unsere Stimmung ist. Aktuelle Daten erlauben es zunehmend, die Individualität bei Erkrankungsrisiken zu verstehen und personalisierte Therapiestrategien zu entwickeln.

Bedeutung des Darm-Mikrobioms

Es gibt eine große Schwankungsbreite des individuellen Risikos, metabolische Erkrankungen zu entwickeln. Dieser Unterschied wurde bisher u. a. mit dem unterschiedlichen genetischen Repertoire versucht zu begründen. Neuere Forschung konnte allerdings eindrucksvoll zeigen, dass das Darm- Mikrobiom eine wichtige Rolle für Zusammenhänge zwischen Ernährung, Stoffwechsel und Gesundheit spielt und vermutlich den Einfluss der Gene übertrifft. Das Darm-Mikrobiom ist somit eine wesentliche Determinante der metabolischen Gesundheit. Es ist für die Verdauung elementar, da wir erst durch bakteriell kodierte Enzyme primär nicht verdauliche Nahrungsbestandteile prozessieren können.

Diversität des Mikrobioms

Eine hohe Diversität der intestinalen Mikrobiota zeigt im Allgemeinen eine gesunde Darmbesiedlung an. Eine Abnahme ist ein Ausdruck einer Fehlbesiedlung. Zahlreiche chronische Erkrankungen sind mit einer Reduktion der bakteriellen Diversität vergesellschaftet. Eine mögliche Erklärung ist, dass ein diverses Mikrobiom schneller und vermutlich auch adäquater auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren kann. Es ist eine konsistente Beobachtung, dass die Mikrobiomdiversität als Ausdruck eines modernen Lebensumfeldes im Zusammenhang mit der Industrialisierung abnimmt.

Einfluss auf das Körpergewicht

Obgleich Übergewicht und Adipositas bisher vornehmlich als Ausdruck eines selbst gewählten Lebensstils und/oder der genetischen Disposition angesehen wurden, zeigen Untersuchungen zunehmend, dass die Komposition des Darm-Mikrobioms wesentliche Unterschiede zwischen Normal- und Übergewichtigen/Adipösen aufweist. Neben der Nahrungsauswahl und -menge geht es auch um die Interaktion der Nahrung mit den Darmbakterien.

Übertragungen des Mikrobioms in zuvor keimfrei aufgezogene Mäuse ergaben, dass Tiere, die das Mikrobiom von Adipösen erhalten hatten, mehr an Körpergewicht zunahmen als die, die das von Schlanken erhielten. Außerdem stellte das Mikrobiom der adipösen Mäuse dem Wirt mehr Energie aus der Nahrung zur Verfügung.

Weitere Studien belegen einen Einfluss auf Insulinresistenz, metabolische Entzündung und viszerale Fettspeicherung. Auch Körpergewichtsreduktionen führen zu Veränderungen des Mikrobioms. Kürzlich publizierte Arbeiten zeigten, dass die Dominanz bestimmter Bakteriengattungen Vorhersagen zum Diäterfolg zulassen.

Personalisierungsstrategien

Alternativ zu genetischen Analysen, für die die Evidenz noch zu gering ist, könnte die Bestimmung des Mikrobioms ein Teil erfolgreicher Personalisierungsstrategien für die Ernährung sein. Als gesichert gilt beispielsweise, dass die postprandiale Veränderung des Blutzuckerspiegels interindividuell sehr unterschiedlich ist. Zusammen mit verschiedenen klinischen Parametern ist dies im Wesentlichen von der Mikrobiomzusammensetzung abhängig.

Die bisherige Forschung weist darauf hin, dass das Mikrobiom durch die Produktion von Metaboliten wie kurzkettige Fettsäuren und Aminosäuren Einfluss auf die Körperfunktionen des Wirts nimmt. Deren Erfassung wird auch für die Entwicklung personalisierter Ernährungsempfehlungen wichtig sein.

Langfassung

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Quelle: WPD – WISSENSCHAFTLICHER PRESSEDIENST
Moderne Ernährung heute 2/2019