Pyrrolizidinalkaloidgehalt in getrockneten und tiefgefrorenen Gewürzen und Kräutern zu hoch

Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind natürliche Inhaltsstoffe, die weltweit in mehr als 350 Pflanzenarten nachgewiesen sind und in mehr als 6.000 vermutet werden. Pflanzen bilden sie als Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde. Von mehr als 660 bekannten PA und ähnlichen Verbindungen haben insbesondere die 1,2-ungesättigten PA ein gesundheitsschädigendes Potenzial. Sie sind in Futter- und Lebensmitteln daher unerwünscht.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) befasst sich regelmäßig mit der Verunreinigung von Lebensmitteln mit 1,2-ungesättigten PA. Es hat bereits Stellungnahmen zum Vor- kommen von 1,2-ungesättigten PA in Kräutertees und Tees, Honig sowie einer mit PA-haltigem Greiskraut verunreinigten Salatmischung und pflanzenbasierten Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) veröffentlicht.

Das BfR hat nunmehr von den Überwachungsbehörden der Bundesländer ermittelte Gehalte an 1,2-ungesättigten PA in Proben verschiedener getrockneter und tiefgefrorener Gewürze und Kräuter gesundheitlich bewertet. Ein hoher Gehalt an 1,2-ungesättigten PA wurde in Borretsch nachgewiesen. Aber auch Proben tiefgefrorener und getrockneter Gewürze und Kräuter von Liebstöckel, Oregano und Majoran aus dem Handel wiesen teilweise hohe Gehalte dieser Stoffe auf. Obwohl die absolute Verzehrsmenge von Kräutern über zubereitete Gerichte gering ist, können sie erheblich zur längerfristigen wie auch zur kurzfristigen Exposition gegenüber 1,2-ungesättigten PA beitragen.

Das BfR hat das gesundheitliche Risiko sowohl bei kurzfristiger als auch bei langfristiger Aufnahme auf Basis der ermittelten Gehalte an 1,2-ungesättigen PA in den Proben tiefgefrorener und getrockneter Gewürzkräuter vorläufig abgeschätzt. Eine abschließende Bewertung des möglichen gesundheitlichen Risikos, das sich aus dem Verzehr von mit 1,2-ungesättigten PA belasteten Kräutern ergibt, ist gegenwärtig nicht möglich. Es liegen zu wenig Daten sowohl zum länger- als auch zum kurzfristigen Verzehr von verschiedenen Kräutern vor. Die in dieser Stellungnahme vorgenommene vorläufige gesundheitliche Einschätzung der Gehalte an 1,2-ungesättigten PA in Kräutern basiert daher auf bestimmten Szena- rien zur Aufnahme dieser Stoffe (Exposition).

Primäres Zielorgan PA-bedingter Schädigungen bei Mensch und Tier ist die Leber. Jedoch können auch andere Organe, wie insbesondere die Lunge, betroffen sein. Die Effekte treten bei der Aufnahme ungesättigter PA in größeren Dosen innerhalb kurzer Zeit auf, in niedrigeren Dosen nach längerer Zeit. Typisch insbesondere bei der Aufnahme höherer Dosen sind ein Verschluss der zentralen sublobulären Lebervenen und Leberschädigungen, die zu Lebernekrosen führen können. Aus Tierversuchen ist weiterhin bekannt, dass sie erbgutschädigend und krebsauslösend wirken.

Für die Abschätzung des Risikos möglicher nichtkanzerogener (nicht-neoplastischer) Schä- digungen wurde ein Orientierungswert von 0,1 μg PA je Kilogramm Körpergewicht pro Tag hilfsweise herangezogen. Dieser gesundheitsbasierte Richtwert (HBGV) wurde aus einer chronischen Tierstudie abgeleitet. Bei einer täglichen Aufnahmemenge von unter 0,1 μg 1,2- ungesättigter PA je Kilogramm Körpergewicht am Tag ist sowohl bei kurzzeitiger als auch nach längerfristiger Exposition nicht mit dem Auftreten nichtkanzerogener Leberschäden zu rechnen. Die Expositionsszenarien anhand von Modellgerichten, die laut Rezept üblicherweise mit bestimmten Kräutern zubereitet werden, deuten darauf hin, dass eine Überschreitung des Orientierungswerts durch Verzehr einzelner Gerichte, die hochbelastete Kräuter enthalten, möglich ist. Da keine belastbaren Erkenntnisse zur Dosis-Wirkungs-Beziehung vorliegen, kann bislang kein hinreichend sicherer Abstand zwischen der Aufnahmemenge, bei der eine schwerwiegende gesundheitliche Wirkung eintritt, und der sicheren Aufnahmemenge definiert werden.

Im Vordergrund der Bewertung gesundheitlicher Risiken durch die Aufnahme 1,2-ungesättigter PA stehen jedoch die erbgutverändernde (genotoxische) und krebsauslösende (kanzerogene) Wirkung. Da für genotoxisch-kanzerogene Substanzen keine sichere Aufnahmemenge definiert werden kann, sollten in Lebensmitteln so wenig wie möglich 1,2-ungesättigte PA enthalten sein (ALARA-Prinzip: as low as reasonably achievable). Selbst geringe Aufnahmemengen können, insbesondere bei regelmäßigem Verzehr, mit einer Erhöhung des Krebsrisikos verbunden sein. In der Europäischen Union (EU) wird daher bei Substanzen mit genotoxisch-kanzerogenem Wirkmechanismus das Margin of Exposure-Konzept (MOE- Konzept) herangezogen, um die Dringlichkeit von Risikomanagementmaßnahmen zu ermitteln. Ein MOE-Wert von 10.000 oder höher wird mit Blick auf die öffentliche Gesundheit prinzipiell als wenig bedenklich angesehen.

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Quelle: BfR