Grüner Punkt mit Treibhausgas-Emissionen / Nutri-Score kontra Carbon-Footprint

Grüner Punkt mit Treibhausgas-Emissionen

Nutri-Score kontra Carbon-Footprint

Das Marketing-Instrument Nutri-Score ist nicht nur unter ernährungswissenschaftlichen Aspekten eine fragwürdige Strategie. Prof. Dr. Peter Stehle, ehemals Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, fordert, diesen Irrweg zu beenden. In einem Interview der Rheinischen Post stellt er fest: „Ich halte es für unsinnig, Ernährungsvorgaben, die auf eine Tages- oder Wochenzufuhr errechnet wurden, auf einzelne Lebensmittel herunterzubrechen. Das ist ernährungswissenschaftlich fragwürdig.“ Stehle weist darauf hin, dass jedes einzelne Lebensmittel in der gesamten Ernährung nur eine kleine Rolle spielt und dass mit lebensmitteltechnischen Tricks gewünschte Score-Bewertungen konstruiert werden können. Dann, so Stehle, habe man zwar eine grüne Bewertung, aber ein Lebensmittel, das keinen Sinn mehr macht.

Die Manipulation durch den Score hat aber auch eine ökologische Betrachtung verdient. Bei den Lebensmitteln hat die Verarbeitungstiefe einen erheblichen Einfluss auf die durch das Produkt entstehenden Treibhausgas-Emissionen, also den Carbon-Footprint. So produzieren die Lebensmittel, von denen jeder Deutsche rund 500 Kilogramm im Jahr verbraucht, Pro-Kopf-Emissionen von etwa 1,75 Tonnen. Der private Konsum trägt damit in der Summe rund 20 Prozent zum gesamten Ausstoß bei und liegt auf dem Emissionsniveau der Mobilität.

Der propagierte Kauf regionaler Produkte soll nicht nur die Landwirtschaft in der Region stärken, sondern auch die Nachhaltigkeit. Die Umweltbilanz wird von Aspekten wie Verarbeitungstiefe bis zu Transport beeinflusst. Der Nutri-Score ist dabei kontraproduktiv. Während landwirtschaftliche Produkte aus der Region keinen Score haben, sollen aufwändig verarbeitete Lebensmittel durch grüne Markierungen den Verbraucher auf den Geschmack bringen.

Mit dem Score wollen die Nahrungsmittel-Multis jetzt solche Produkte in einem guten Licht erscheinen lassen, die in der Regel eine hohe Verarbeitungstiefe haben. Der Kunde wird im Handel mit dem grünen A dazu verführt, Produkte mit erheblicher klimakritischer Last zu bevorzugen. Frisches Gemüse hat ein CO2-Äquivalent von 153 Gramm je Kilogramm. Bei tiefgekühltem Gemüse sind es dagegen 415 Gramm und bei dem Gemüse in der Konserve 511 Gramm. Mit hohen Emissionen sind häufig solche Produkte verbunden, die einen Trocknungsprozess durchlaufen haben. Während ein Kilogramm frische Kartoffeln 199 Gramm CO2-Äquivalent aufweist, liegt der Wert bei tiefgekühlten Pommes Frites bei 5.738 Gramm. Und diese glänzen dann mit einem grünen A.

Für die gesunde Ernährung der Menschen, so das Fazit, bringt der Score nichts. Wer mehr Kalorien zu sich nimmt als er verbraucht, wird auch bei zu vielen Lebensmitteln mit grünen Punkten übergewichtig werden oder bleiben. Durch die Beimischung von beispielsweise Wasser oder Ersatzstoffen grün markierte Nahrungsmittel zu designen, ist ernährungswissenschaftlich fragwürdig. Gefördert werden durch den Score lediglich eine negative Umweltbilanz und das Bestreben einiger industrieller Verarbeiter, ihre Produkte attraktiv erscheinen zu lassen und Präferenzen zu wecken. Damit sollen letztlich auch Nachteile für Wettbewerber, speziell für kleine und mittelständische Anbieter, geschaffen werden. Der Score ist Marktbereinigung durch Manipulation.

(Detlef Brendel, Autor „Schluss mit Essverboten“, Plassen-Verlag)