Was in der kultursensiblen Arbeit zu beachten ist.
Aktuell leben rund 83 Millionen Menschen in Deutschland, von denen etwa 19 Millionen einen Migrationshintergrund haben. Hinzu kommen Geflüchtete. Ob als Nachbar, Lehrer oder Ernährungsberater – transkulturelle Begegnungen können Bereicherung, aber auch Herausforderung sein. Über das Essen und die Esskultur lassen sich aber leicht Brücken bauen, denn über ihre Mahlzeiten im Alltag oder zu besonderen Anlässen sprechen die meisten Menschen gerne. Welche Stolperfallen gibt es da in der kultursensiblen Arbeit, zum Beispiel der Ernährungsberatung?
Diät- und Diabetesassistentin Johanna Karapinar sagt: „Migranten sind keine homogene Gruppe. Sie unterscheiden sich – genau wie Einheimische – hinsichtlich ihrer Herkunft, Bildung, Integration sowie ihrer physischen und psychischen Verfassung.“ Was sich aber deutlich unterscheide zwischen diesen Gruppen, sei die Art und Weise zu kommunizieren. Während es etwa in Deutschland üblich sei, in der Beratung „zügig zur Sache zu kommen“, gehöre es in muslimisch geprägten Ländern zum guten Ton, zu plaudern und „sich ein wenig kennenzulernen“. So kann die Frage nach dem Geburtsort und nach Kindern, Enkelkindern und Eltern beim Erstgespräch ein Eisbrecher sein.
Auch die Zusammensetzung der Speisen und Mahlzeitenrhythmus unterscheiden sich häufig von der deutschen Esskultur, sodass Ernährungsgewohnheiten in der Anamnese erfragt werden sollten. Ein häufiger Knackpunkt ist zum Beispiel Vollkornbrot, denn in vielen Kulturen wird mit Vorliebe Weißbrot gegessen. Hier bietet sich die Suche nach anderen ballaststoffreichen Nahrungsmitteln der jeweiligen Landesküche an, die die Klienten in der Regel sowieso kennen und mögen.
„Menschen türkischer Herkunft essen generell sehr viel Hülsenfrüchte, Joghurt, Olivenöl, Getreide, Rohkost, Trockenobst wie Datteln, Feigen und Aprikosen, Nüsse und Samen“, sagt die Lebensmittelwissenschaftlerin und Diätassistentin Nesrin Yavuz. Hier gibt es – wie bei der syrischen Küche – je nach Region große Unterschiede. Mit ein wenig Neugierde und detektivischem Spürsinn lassen sich aus jeder Esskultur günstige Lebensmittelkombinationen herausfinden.
Und auch privat kann es spannend und lehrreich sein, sich mit Menschen aus anderen Kulturen über das Essen auszutauschen, gemeinsam zu kochen und zu essen. Im besten Fall erwachsen daraus gute Nachbar- oder sogar Freundschaften.
Weitere Informationen:
Weitere Einblicke in Essensvielfalt und Esskultur in der türkischen und syrischen Küche sowie in die kultursensible Ernährungsberatung gibt die Rubrik „Tipps für die Praxis“ in Ausgabe 3-2019 von „Ernährung im Fokus“.
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Quelle: Ruth Rösch, BZfE