Klimawandel: Ohne Gegensteuern leben 2030 rund 250 Millionen Menschen in Risikoregionen

  • Neue Fallstudien des McKinsey Global Institute zeigen: Es drohen tödliche Hitzewellen, Lebensmittelpreise können durch Missernten erheblich steigen.
  • Analyse von 105 Ländern verknüpft wissenschaftliche Klimamodelle mit Wirtschaftsprognosen.
  • Ergebnisse für Deutschland: Hitze und Trockenperioden werden zunehmen.
  • Als Exportnation vor allem Nachteile durch gefährdete Lieferketten.

Die Folgen des Klimawandels könnten bei einem ungebremsten Anstieg der CO2-Emissionen bis 2050 global für Wirtschaft und Gesellschaft größer sein, als bisher oft angenommen. Eine neue Studie des McKinsey Global Institute (MGI) zeigt: Wenn die Emissionen weiter so steigen wie bisher, leben bereits in zehn Jahren hunderte Millionen Menschen in Regionen, in denen tödliche Hitzewellen drohen. „Der Klimawandel hat auf lokaler Ebene in Regionen auf der ganzen Welt bereits erhebliche physische Auswirkungen, und die Anzahl und Größe der betroffenen Regionen dürfte steigen“, stellt McKinsey-Partner Hauke Engel, einer der Koautoren der Studie, fest.

Die MGI-Studie „Climate Risk and Response“ verknüpft wissenschaftliche Klimamodelle – ausgehend von einem Business-as-usual-Szenario – mit Wirtschaftsprognosen bis 2030 und bis 2050. Konkret wurden die sozioökonomischen Folgen des Klimawandels in 105 Ländern analysiert. Zusätzlich untersuchte das MGI in neun regionalen Fallstudien die Auswirkungen z.B. von Hitzewellen und Missernten sowie die Folgen für den globalen Handel und künftige Investitionsentscheidungen.

Deutschland wird in der Studie zwar als „lower risk country“ eingeordnet. Hitze und Trockenperioden werden jedoch auch hier zunehmen. Als Exportnation muss sich das Land zudem wirtschaftlich auf Risiken durch gefährdete Lieferketten einstellen.

Immer mehr Regionen werden vom Klimawandel betroffen sein

„Die sozioökonomischen Auswirkungen des Klimawandels werden aller Voraussicht nach nicht linear sein“, warnt Experte Hauke Engel. Das heißt: Werden bestimmte Systemschwellen überschritten, sind die Folgewirkungen massiver als je zuvor. Die Zahl derer, die in Regionen leben, in denen regelmäßig auch für gesunde Menschen tödliche Hitzewellen auftreten, würde ohne Gegenmaßnahmen massiv ansteigen: von heute null auf 250 Millionen bis 360 Millionen Menschen 2030 und sogar 700 Millionen bis 1,2 Milliarden bis 2050. Von dieser Entwicklung besonders betroffen sind Länder wie Indien, Pakistan, Bangladesh und Nigeria.

Nicht nur die gesundheitlichen, auch die ökonomischen Folgen der Erwärmung wären drastisch, wenn die Emissionen weiter so steigen wie bisher. Die Erwärmung des Ozeans könnte den Fischfang so verringern, dass es die Lebensgrundlage von 650 Millionen bis 800 Millionen Menschen beeinträchtigen würde.

Auch auf die Finanzmärkte wird sich der Klimawandel auswirken. Er könnte die Risikobewertung in den betroffenen Regionen verändern mit Auswirkungen auf die Kapitalallokation und Versicherungen. Eine konkrete Folge könnte sein, dass in bestimmten Regionen Immobilienkredite mit langer Laufzeit teurer würden oder gar nicht mehr gewährt würden. Die Werte der Immobilien in besonders betroffenen Regionen könnten einbrechen. In Florida könnte die Gefahr schwerer Überschwemmungen den Wert exponierter Häuser bis 2050 um 30% senken.

Trotz geringerer Risiken keine Entwarnung für Deutschland

Der Klimawandel könnte der Studie zufolge auch einigen Regionen zu Gute kommen. Beispielsweise könnten steigende Temperaturen die Ernteerträge in Kanada oder Russland verbessern. Auch Deutschland schneidet in der Analyse der 105 Länder in der Kategorie „lower risk country“ vergleichsweise gut ab. Doch eine Entwarnung ist das nicht.

Hauke Engel: „Auch hierzulande werden Hitze- und Dürreperioden zunehmen.“ Wirtschaftlich werde Deutschland die Folgen des globalen Klimawandels zu spüren bekommen. „Als führende Exportnation sind wir abhängig von funktionierenden globalen Lieferketten“, erklärt Engel. Durch Stürme und Überflutungen seien diese künftig aber immer stärker gefährdet. Und: Auch die drohenden Veränderungen im Mittelmeerraum – Wasserknappheit, Hitzewellen, Missernten – würden sich auf Deutschland auswirken.

Ein zentrales Fazit der MGI-Autoren: Alle wichtigen geschäftlichen und politischen Entscheidungen sollten künftig unter dem Aspekt des Klimawandels geprüft werden. „In der Wirtschaft wird es künftig nicht mehr nur um Effizienz gehen können sondern viel mehr auch um Resilienz“, fasst es McKinsey-Partner Engel zusammen.

Anpassungen, so McKinsey-Partner Engel, seien dringend notwendig, um Klimarisiken zu managen – auch wenn sich dies für die betroffenen Regionen zunächst als investitionsintensiv erweisen und mit schwierigen Entscheidungen verbunden sein könnte. Maßnahmen, um auf den Klimawandel zu reagieren wie Dämme, gekühlte Schutzräume oder der Anbau neuer dürreresistenter Getreidekulturen seien Projekte, die fortdauernd verfolgt werden müssten. Der Handlungs- und Anpassungsdruck ist der Studie zufolge groß. Hauke Engel: „Die Klimawissenschaft zeigt, dass ein weiterer Anstieg der Erwärmung und des damit verbundenen Risikos nur dann gestoppt werden kann, wenn keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr verursacht werden.“

Methodik

Die MGI-Studie stützt sich auf das am häufigsten verwendete und von Experten überprüfte Ensemble von Klimamodellen, um die Wahrscheinlichkeiten relevanter Klimaereignisse abzuschätzen und die möglichen Auswirkungen dieser Ereignisse zu untersuchen. Das Woods Hole Research Center (WHRC) erstellte für die Studie einen Großteil der wissenschaftlichen Analysen zu physikalischen Klimagefahren. Das methodische Design und die Ergebnisse wurden von hochrangigen Wissenschaftlern des Environmental Change Institute der Universität Oxford unabhängig überprüft, um Unparteilichkeit zu gewährleisten und die wissenschaftlichen Grundlagen für die neuen Analysen in diesem Bericht zu prüfen. Es wurde das Emissionsszenario „RCP8.5“ zugrunde gelegt.

Quelle: McKinsey