Warum verzichten wir? Studie zum Fasten.

40 Tage ohne Alkohol oder Fleisch, keine Süßigkeiten an Wochentagen, auf das Auto oder auf die private Internetnutzung verzichten: Vor allem in den sieben Wochen vor Ostern entdecken immer mehr Menschen die neue Lust am Verzicht. Ob ab Aschermittwoch oder zwischendurch – Fasten liegt im Trend.
Aber warum verzichten wir eigentlich? Aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen? „Das möchte ich herausfinden“, sagt Dr. Patrick Heiser, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Lehrgebiet Soziologische Gegenwartsdiagnosen an der FernUniversität in Hagen. Pünktlich zur vorösterlichen Fastenzeit startet der Religionssoziologe eine Online-Befragung zum Fasten und sucht dafür Teilnehmende.

Mit dem Fasten ist eine jahrhundertealte Tradition verbunden. Aktuell steigt der Anteil an Menschen, die bewusst für eine bestimmte Zeit auf Lebensmittel und Konsumgüter verzichten. Auf eine Befragung im Auftrag der Krankenkasse DAK (2019) geht zurück: Knapp zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland haben mindestens einmal im Leben gefastet. Tendenz steigend. Und doch ist das Fasten in der Soziologie bisher kaum untersucht worden. Wer aus welchen Gründen fastet, wie und auf was verzichtet wird: Bislang liegen dazu kaum Daten vor.

Fasten und Religion

Dabei ist das Fasten bis heute Bestandteil aller Weltreligionen. „Ich vermute aber, dass es als religiöse Pflicht an Bedeutung verliert und zunehmend individuell gestaltet wird“, sagt Heiser. „Das führt zu einer Pluralisierung der Fasten-Praktiken.“ Interessant ist für Heiser die Frage, welche Einstellung mit dem Verzicht auf Konsumgüter verbunden ist. „Fasten wird mit Ideologien verknüpft und dadurch mit Bedeutung versehen“, erklärt der Wissenschaftler. „Heute ist der Verzicht, zum Beispiel auf Fleisch oder das Auto, auch Konsumkritik“, sagt er mit Blick auf die politischen Debatten zur Einführung eines Veggie-Days in öffentlichen Kantinen und zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel.

Die Fasten-Studie ist ein Baustein bei Heisers Suche nach „religiösen Praktiken, die heute noch auf Resonanz stoßen und mitunter gar an Popularität gewinnen“. Diese erforscht der Wissenschaftler im Zuge seiner Habilitation. Neben dem Fasten ist das Pilgern ein Thema, das in eine ähnliche Richtung geht. „Einerseits gibt es eine Tradition, die für Evidenz bürgt. Andererseits gestalten Menschen diese religiösen Praktiken heute individuell“, sagt Heiser. „Pilgern und Fasten bewegen sich also zwischen individueller Gestaltung und religiöser Tradition. Beides ist wichtig, um die Popularität zu erklären.“

Redaktion: Carolin Annemüller

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Patrick Heiser
FernUniversität in Hagen
Lehrgebiet Soziologie II – Soziologische Gegenwartsdiagnosen
E-Mail: patrick.heiser@fernuni-hagen.de
Tel.: 02331 987-4745
https://www.fernuni-hagen.de/soziologie/lg2/team/patrick.heiser.shtml

Weitere Informationen:
https://e.feu.de/fasten – Umfrage zum „Fasten in der späten Moderne“. Teilnehmen können alle Interessierten unabhängig von Alter, Geschlecht und Religion. Die Umfrage läuft vom 26.02. bis 30.04.2020. Es handelt sich um eine anonyme Online-Befragung mit rund 30 Fragen.

Quelle: Stephan Düppe Stabsstelle 2 – Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
FernUniversität in Hagen

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