Zuckerlobby muss Desinformationskampagne stoppen

foodwatch: Zuckerverband leistet mit Falschaussagen Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes Vorschub.

Die Verbraucherorganisation foodwatch hat der Zuckerlobby vorgeworfen, mit einer Desinformationskampagne die gesundheitlichen Effekte des Zuckerkonsums zu verschleiern und damit unliebsame politische Initiativen zu verhindern. Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ) behauptet beispielsweise, dass Zucker weder dick noch krank mache. Politische Maßnahmen wie eine Limo-Steuer seien zudem nicht geeignet, um Übergewicht einzudämmen. Außerdem sei ausschließlich die Kalorienbilanz entscheidend, die Quelle der Kalorien sei egal. foodwatch kritisierte diese Aussagen als falsch und überholt. Das belegten aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und die Stellungnahmen von Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation.

„Die Zuckerindustrie macht es wie früher die Tabak-Konzerne: Mit haarsträubenden Falschaussagen täuscht sie die Öffentlichkeit, um unliebsame politische Maßnahmen zu verhindern oder zu verzögern. Wie viel wissenschaftliche Belege soll die unabhängige Wissenschaft noch liefern, damit die Zucker-Prediger mit ihren gesundheitsgefährdenden Märchen aufhören? Politikerinnen und Politiker sollten dem Zucker-Verband kein Wort mehr glauben – denn Fakten scheinen ihn nicht zu interessieren“, erklärte Luise Molling von foodwatch.

Das sind die absurdesten Aussagen der Zuckerlobby:

Zucker mache weder dick noch krank: Der Zucker-Verband WVZ behauptet auf seiner Internetseite, dass es „keinen wissenschaftlichen Beleg“ dafür gebe, dass „Zucker für die Entstehung von Übergewicht und nichtübertragbaren Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2 verantwortlich“ sei. „Zucker per se“ mache „nicht krank“, heißt es außerdem in einer Broschüre.

Die Wahrheit: Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft gilt der Zusammenhang zwischen Zucker-Konsum und Fettleibigkeit sowie Diabetesrisiko als „gesichert“. Das Trinken von Limonaden und anderen Zuckergetränken sei „mit einer Gewichtszunahme bzw. Adipositas verbunden“, bestätigt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Der WHO zufolge sind Zuckergetränke sogar eine der „wesentlichen Ursachen“ für Fettleibigkeit und Diabetes. Von fehlenden Belegen für die gesundheitsschädlichen Effekte des Zuckerkonsums kann demnach keine Rede mehr sein.

Steuern seien wirkungslos: Der WVZ behauptet auf seiner Internetseite, dass „regulatorische Maßnahmen wie Steuern (…) keine geeigneten Maßnahmen sind, um das komplexe Übergewichtsproblem zu lösen“.

Die Wahrheit: Erfahrungen aus zahlreichen Ländern zeigen sehr wohl eine Lenkungswirkung durch eine Limo-Steuer. In Großbritannien ist nach Einführung einer Limo-Steuer der Zuckergehalt in Limonaden und anderen Erfrischungsgetränken drastisch gesunken. So enthält mittlerweile eine Fanta in Großbritannien nur noch halb viel Zucker wie eine Fanta in Deutschland (4,6 statt 9,1).

Sowohl in Großbritannien als auch in Mexiko, Finnland, Berkeley oder Frankreich ging der Zuckergetränke-Verbrauch nach Einführung einer Steuer signifikant zurück. Nicht zuletzt wegen dieser internationalen Erfahrungen bestätigte die WHO: „Es besteht Evidenz, dass eine Steuer auf Zuckergetränke, die zu einer 20-prozentigen Preiserhöhung führt, den Konsum um etwa 20 Prozent reduziert, was der Entstehung von Adipositas und Diabetes vorbeugt.“

Ausschließlich die Kalorienbilanz sei entscheidend – die Quelle der Kalorien sei egal: Der Zuckerverband schreibt in einer aktuellen Broschüre, dass Menschen übergewichtig werden, wenn sie mehr Kalorien aufnehmen als sie verbrauchen. Zwar ist das richtig – doch der Verband behauptet in diesem Zusammenhang auch: „Woher die Kalorien kommen, spielt dabei keine Rolle.“

Die Wahrheit: Die Qualität der Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, ist sehr wohl entscheidend für das Körpergewicht. Die renommierte Harvard School of Public Health stellt klar: Die Aussage „Kalorie ist gleich Kalorie“ sei zu kurz gegriffen. Anstatt nur auf die Kalorien zu fokussieren, sei insbesondere auch die Nährstoffqualität der Lebensmittelentscheidend, um ein gesundes Körpergewicht zu erreichen und zu halten. Kurzum: Obwohl die Kalorienzahl etwa die gleiche ist, macht es sehr wohl einen Unterschied, ob wir eine Schüssel Haferflocken oder eine Schüssel Haushaltszucker essen.

Die Zuckerlobby hatte bereits in der Vergangenheit mit Falschaussagen die Debatte um Zucker und Übergewicht manipuliert. foodwatch kritisierte 2017 die These der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, dass die Deutschen „heute nicht mehr, sondern eher weniger Kalorien aufnehmen als früher“. Diese Aussage findet sich in den neueren Unterlagen und Broschüren des Verbandes nicht mehr. Doch andere, von wissenschaftlicher Seite längst widerlegte Aussagen, verbreitet der Verband weiterhin.

Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) bei Kindern sowie Erwachsenen haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Die WHO und die OECD sprechen von einer „globalen Adipositas-Epidemie“. Aktuell ist etwa jeder vierte Erwachsene in Deutschland fettleibig. Bei Kindern sind mehr als 15 Prozent übergewichtig. Ein Zusammenschluss von deutschen Fachgesellschaften warnt vor einem „Tsunami chronischer Krankheiten“, denn Fettleibigkeit erhöhe nachweislich das Risiko für die Entstehung von zahlreichen chronischen Krankheiten, darunter Herzkrankheiten, Typ-2-Diabetes sowie diverse Krebsarten. Allein durch Adipositas entstehen in Deutschland jährlich etwa 63 Milliarden Euro Folgekosten.

foodwatch und zahlreiche andere Fachgesellschaften fordern seit Jahren politische Maßnahmen gegen Fehlernährung, darunter eine EU-weite verpflichtende Nährwert-Ampel, Beschränkungen der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung, verbindliche Standards für die Schul- und Kitaverpflegung sowie steuerliche Anreize für die Lebensmittelindustrie, gesündere Rezepturen zu entwickeln – etwa durch eine Limo-Steuer.

Über die Gefahren durch einen übermäßigen Zuckerkonsum sowie den Kampf der Lebensmittelindustrie gegen politische Maßnahmen zur Förderung gesunder Ernährung berichtet das ZDF in einer aktuellen Reportage.

Quelle: foodwatch

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