Deutsche Kaffeeunternehmen müssen Verantwortung übernehmen

Kaffee
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Neue SÜDWIND-Studie weist auf Lücke zwischen Nachhaltigkeitsstrategien und deren Umsetzung hin.

Im Rahmen eines umfassenden Forschungsprojektes hat SÜDWIND seit Juli letzten Jahres den Kaffeesektor analysiert. In einer Studie wurde der Weltmarkt beschrieben, für weitere Analysen speziell die Situation in Äthiopien untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern weltweit und insbesondere auch in Äthiopien weit unter dem liegen, was als existenzsichernd gilt. Auch Beschäftigte auf den Plantagen erhalten in vielen Fällen keine existenzsichernden Löhne. Viele Unternehmen des Kaffeesektors werden somit ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nicht gerecht, wie auch eine letzte Analyse innerhalb des Projektes zeigte:

In einer Vielzahl von Selbstverpflichtungserklärungen versprechen deutsche Kaffeeunternehmen die Verbesserung der Bedingungen in den Anbaugebieten. Teilweise finanzieren Konzerne auch Projekte vor Ort. Dennoch reichen die Maßnahmen nicht aus, um die Lebensbedingungen tausender Familien zu verbessern, oft ist die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategien schlicht nicht sichtbar.

„Der Kaffeepreis wird an der Börse festgelegt und orientiert sich ausschließlich an Angebot und Nachfrage. Bei der Preisgestaltung wird keine Rücksicht darauf genommen, ob Bäuerinnen und Bauern mit den Einnahmen aus dem Kaffeeanbau existenzsichernde Einkommen erzielen oder Beschäftigten auf den Plantagen existenzsichernde Löhne ausgezahlt werden können. Wenn Familien nicht über genügend Einnahmen verfügen, um sich zu ernähren und die notwendigsten Ausgaben zu tätigen, dann ist dies eine massive Verletzung ihrer Menschenrechte und ein Nährboden für Kinderarbeit. Die Situation auf dem Kaffeemarkt ist ein weiterer Beleg dafür, dass Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet werden sollten, für die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten endlich Verantwortung zu übernehmen“, so Friedel Hütz-Adams in seiner Schlussfolgerung zu den Erkenntnissen aus dem Forschungsprojekt.

Kaffee ist noch vor Wasser und weit vor Bier das beliebteste Getränk der Menschen in Deutschland. Deutschland ist der drittgrößte Absatzmarkt für Kaffee und selbst im Export belegt Deutschland weltweit den dritten Platz. Trotz des hohen Konsums ist den meisten Menschen nicht bewusst, dass es im Kaffeesektor erhebliche Missstände gibt. Die Unternehmen nutzen ihre Marktmacht nicht, um diese Missstände zu beheben. Neben ökologischen Problemen betrifft dies insbesondere die Einkommenssituation der Menschen. „Der Kaffeepreis ist inflationsbereinigt seit Jahrzehnten gesunken, Ende 2016 gab es noch einmal einen Ruck nach unten, der bis heute andauert. Dieser Preisverfall hat die ohnehin schon auf prekäre Situationen der Menschen, die unseren Kaffee ernten, weiter verschärft. Ein großer Teil der bis zu 25 Mio. Familien, die weltweit vom Kaffeeanbau leben, tut dies in Armut“, so Friedel Huetz-Adams, der das Kaffeeprojekt bei SÜDWIND geleitet hat.

Doch bereits vor dem Preisverfall lebte der größte Teil der Menschen in den Kaffeeanbaugebieten Äthiopiens weit unterhalb der Armutsgrenze. Bei den Recherchen zum Sektor hat SÜDWIND das Land besucht und dort einige ernüchternde Beobachtungen gemacht: „Es ist erschreckend zu sehen, wie wenig der Kaffeeanbau den Menschen gebracht hat. Wenn beispielsweise in einem Gebiet, aus dem angeblich einer der besten Kaffees der Welt kommt, die Straßen nicht geteert und die Infrastruktur marode ist, dann wird deutlich, wie wenig vom Reichtum aus dem Handel mit einer so beliebten Ressource vor Ort ankommt“, so Friedel Hütz-Adams, unter anderem die Anbauregionen rund um die Städte Kaffa und Masha besuchte.

Innerhalb des Projekts sind folgende Publikationen erschienen:

  • Was tun Unternehmen für nachhaltigen Kaffee. Eine Analyse der Nachhaltigkeitsstrategien von Kaffeeunternehmen auf dem deutschen Markt
  • Auf ein Tässchen: Die Wertschöpfungskette von Kaffee
  • Impact of supply chain relations on farmer’s income in Ethiopia
  • Scoping Study Ethiopia. Data: What we know and what we do not know
  • Auf ein Tässchen. Herkunft, Anbau und Handel von Kaffee
  • Auf ein Tässchen Soziale und ökologische Herausforderungen im Kaffeeanbau
  • Auf ein Tässchen. Äthiopien- Das Land des Kaffees

Seit fast 30 Jahren engagiert sich SÜDWIND für wirtschaftliche, soziale und ökologische Gerechtigkeit weltweit. Anhand von konkreten Beispielen zu Missständen decken wir ungerechte Strukturen auf. Dabei verbinden wir unsere Recherchen mit entwicklungspolitischer Bildungs-und Öffentlichkeitsarbeit und tragen Forderungen in Kampagnen, Gesellschaft, Unternehmen und Politik. SÜDWIND arbeitet gemeinnützig und unabhängig. Finanziert wird SÜDWIND aus Zuschüssen, Einnahmen aus Auftragstätigkeiten sowie Mitgliedsbeiträgen und Spenden.

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Quelle: SÜDWIND