Fleischwarenindustrie pendelt sich auf stabiles Niveau ein, Produktion im Plus

Der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF) hat sein erstes Fazit zum zurückliegenden Jahr sowie eine Einschätzung für das laufende Jahr vorgenommen. „Die Unternehmen der deutschen Fleischwarenindustrie konnten 2019 ihre Produktion in einem schwierigen Marktumfeld gegenüber dem Vorjahr erneut leicht steigern“, erläutert Sarah Dhem, Präsidentin des BVDF. „Auch wenn wir mit den Entwicklungen insgesamt zufrieden sind, stehen wir nicht nur durch die Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest und dem Ausgang des Brexits, sondern vor allem auch aufgrund der Corona-Pandemie vor einem herausfordernden Jahr.“

Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden 2019 insgesamt 1.558.607 Tonnen Wurstwaren hergestellt gegenüber 1.551.045 Tonnen im Jahr zuvor. Damit hat die von mittelständischen Familienunternehmen geprägte Branche der im Jahr 2019 leicht rückläufigen Tendenz des Fleischverzehrs getrotzt. Weitere wichtige Produktgruppen wie beispielsweise gekochter oder roher Schinken sind in den Produktionszahlen allerdings nicht enthalten, weil sie statistisch nicht erfasst werden.

20 Mrd. Euro Umsatz, 65.000 Beschäftigte: Fleischwarenindustrie zählt zu größten Bereichen der Ernährungsindustrie

Besonders beliebt und mit weiterem Zuwachs sind mit 983.843 Tonnen (Vorjahr 959.186 Tonnen) Brühwürste wie Frankfurter oder Wiener Würstchen, Fleischwurst oder Mortadella. Ihnen folgen mit 413.844 Tonnen (Vorjahr: 415.270 Tonnen) die Rohwürste wie Salami oder Teewurst. Von Kochwürsten wie Leberwurst oder Zungenwurst stellte die Branche im zurückliegenden Jahr 160.920 Tonnen (Vorjahr 176.579 Tonnen) her. Mit einem Umsatz von rund 20 Mrd. € und rund 65.000 Beschäftigten zählt die Fleischwarenindustrie zu den größten Bereichen der Ernährungsindustrie in Deutschland.

Afrikanische Schweinepest: Ertragslage 2019 teilweise schwierig

Trotz der insgesamt guten Nachfrage war das zurückliegende Jahr für die Unternehmen der Fleischwarenindustrie in Deutschland wie in allen europäischen Ländern schwierig. Durch den massiven Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest musste China große Mengen Schweinefleisch auf dem Weltmarkt kaufen und sorgte aufgrund der enormen Nachfrage für deutliche Preissteigerungen und hohe Liefermengen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern. In der Folge standen für die deutschen Verarbeitungsunternehmen benötigte Verarbeitungsteilstücke zeitweise nicht mehr in ausreichender Menge und nur zu sehr hohen Preisen zur Verfügung. Die starken Preissteigerungen für den Rohstoff konnten meist nur ungenügend an die Kunden weitergegeben werden, so dass die Ertragslage der Branche in den letzten Monaten des zurückliegenden Jahres sehr schlecht ausgefallen ist.

Mittelständische Familienunternehmen behaupten sich gegenüber Konzernen mit innovativen Konzepten

Die mittelständischen Familienunternehmen der deutschen Fleischwarenindustrie befinden sich in einer Sandwichposition zwischen den großen Unternehmen des Einzelhandels und den Schlachtkonzernen, die als Kunden beziehungsweise Rohstofflieferanten, ebenfalls über erhebliche Verarbeitungskapazitäten verfügen. Angesichts volatiler Märkte mit stark schwankenden Mengen und Preisen haben es die mittelständischen Unternehmen schwer, sich im zunehmenden Wettbewerb erfolgreich zu behaupten. Allerdings ist es in den zurückliegenden Jahren auch Unternehmen sehr erfolgreich gelungen, sich der gewandelten Nachfrage anzupassen. Hier bieten der weiterwachsende Markt der Außer-Haus-Verpflegung, regionale Konzepte oder besonders nachhaltige und tierwohlgerechte Sortimente Chancen. Zudem ist die deutsche Fleischwarenindustrie im internationalen Vergleich sehr wettbewerbsfähig und damit auch erfolgreich am europäischen Markt. Trotzdem ist zu erwarten, dass die Konsolidierung der Branche in den nächsten Jahren fortschreitet.

Corona-Krise, Brexit, Afrikanische Schweinepest: Fleischerzeugung vor großen Herausforderungen

Während die Fleischwarenindustrie und ihre Mitarbeiter in der gegenwärtigen Corona-Krise in besonderem Maß gefordert sind und ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung leisten, drohen bei einem möglichen Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in deutschen Wildschweinbeständen erhebliche Marktverwerfungen. Die zu erwartenden Einfuhrsperren wichtiger Exportmärkte könnten erhebliche strukturelle Folgen für die landwirtschaftliche Erzeugung und Auswirkungen auf die gesamte Fleischwirtschaft mit sich bringen.

Tendenziell ist die Produktion von Schweinefleisch in Deutschland und weiteren europäischen Erzeugerländern seit Jahren rückläufig. Die vielfach unsicheren politischen Rahmenbedingungen, die kritische gesellschaftliche Diskussion, Auflagen des Bau- und Umweltrechtes und eine nachlassende Nachfrage nach Schweinefleisch zählen zu den Gründen für viele Landwirte, aus der Schweinemast auszusteigen.

Zum ersten Mal seit der BSE-Krise sank der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch und Fleischwaren unter 60 Kilogramm, dies ist der deutlich rückläufigen Nachfrage nach Schweinefleisch geschuldet. Dieser verringerte sich nach der vorläufigen Fleischbilanz der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) von 35,7 kg pro Kopf auf 34,1 kg. Daneben hat jeder Bundesbürger im Jahresverlauf durchschnittlich 10 kg Rind- und Kalbfleisch gegessen, 100 g mehr als im Vorjahr. Nach jahrelangen Steigerungen stagnierte der Geflügelverzehr bei 13,8 kg pro Kopf.

Trotz dieser aktuellen Zahlen fällt die Nachfrage in Deutschland und den Nachbarländern während der zurückliegenden Jahre insgesamt sehr stabil aus. Bei der Gesamtbetrachtung des Marktes lag der Selbstversorgungsgrad in Deutschland mit rund 114 Prozent rechnerisch über dem Eigenverbrauch.

„Während sich der Markt derzeit noch in einer stabilen Seitwärtsbewegung zeigt, werfen die europäischen und globalen politischen Themen verschiedenste Fragen für die Zukunft der Branche auf. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass die Fleischwarenindustrie in Deutschland immer die richtigen Antworten parat hatte und die Verbraucher in der Region, in Deutschland oder auch global mit geschmackvollen und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln versorgte“, ist Sarah Dhem optimistisch.

Quelle BVDF