Aktualisierte Risikobewertung zu Gehalten an 1,2-ungesättigten Pyrrolizidinalkaloiden (PA) in Lebensmitteln

Ersetzt die Stellungahme 020/18 des BfR vom 14. Juni 2018.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) befasst sich regelmäßig mit der Verunreinigung von Lebensmitteln durch 1,2-ungesättigte Pyrrolizidinalkaloide (PA). PA sind sekundäre Inhaltsstoffe, die von Pflanzen gebildet werden, um Fraßfeinde abzuwehren. In Lebensmitteln sind sie unerwünscht, da sie die Leber schädigen können und im Tierversuch erbgutverändernde (genotoxische) und krebsauslösende (kanzerogene) Wirkungen zeigen.

Bei der Bewertung der gesundheitlichen Risiken von Lebensmitteln, die mit Pyrrolizinalkaloiden verunreinigt sind oder natürlicherweise enthalten, steht diese genotoxisch-kanzerogenen Wirkung der 1,2 ungesättigten PA im Vordergrund. Für die genotoxisch-kanzerogene Wirkung der 1,2 ungesättigten Pyrrolizidinalkaloide kann kein sicherer Schwellenwert abgeleitet werden. Die Bewertung erfolgte daher auf Basis des Margin of Exposure (MOE) Konzeptes der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Die nach diesem Konzept berechneten Werte für den MOE sind jedoch keine gesundheitsbasierten Grenzwerte, sondern dienen der Priorisierung von Maßnahmen für das Risikomanagement. Ein MOE Wert von 10.000 oder höher wird mit Blick auf die öffentliche Gesundheit grundsätzlich als wenig bedenklich angesehen und stellt somit eine niedrige Priorität für Risikomanagementmaßnahmen dar.

Auf Grundlage neuer Gehaltsdaten aus den Jahren 2015 bis 2019 hat das BFR nunmehr die aktuelle Gesamtexposition von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber 1,2 ungesättigten PA über verschiedene relevante Lebensmittelgruppen (u. a. Honig, verschiedene ((Kräuter)tees, Milch, Spinat) in Deutschland abgeschätzt. Die Betrachtungen zeigen, dass sowohl die mittleren Gehalte an 1,2 ungesättigten PA als auch die Gehalte im 95. Perzentil in den letzten Jahren in den meisten Lebensmittelgruppen deutlich verringert werden konnten.

Besonders ausgeprägt ist die Abnahme bei Grünem Tee, Schwarzem Tee und Pfefferminztee, aber auch bei Kamillentee, Kräutertee und Rooibostee. Dementsprechend ist auch die Aufnahme 1,2 ungesättigter PA über diese Lebensmittel in den letzten Jahren gesunken.

Die geschätzte chronische Gesamtexposition über alle in dieser Bewertung berücksichtigten Lebensmittelgruppen führt in den betrachteten Szenarien für Kinder und Erwachsene zu Aufnahmemengen, die sowohl für Normalverzehrer als auch für Vielverzehrer in MOE-Werten von über 10.000 resultieren. Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die derart ermittelte Gesamtexposition gegenüber 1,2 ungesättigten PA sind daher als wenig wahrscheinlich anzusehen. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist aber zu beachten, dass die ermittelten MOE-Werte bei den Vielverzehrern nur knapp oberhalb von 10.000 liegen.

Weiterhin muss betont werden, dass eine Exposition gegenüber 1,2-ungesättigten PA noch über weitere Lebensmittel stattfindet. Diese konnten wegen fehlender Daten zu Verzehrsmengen und/oder PA-Gehalten in die Gesamtbewertung nicht einbezogen werden. Zu den Lebensmittelgruppen, die nicht berücksichtigt werden konnten, zählen beispielsweise Kräuter/Gewürze und Nahrungsergänzungsmittel. Obwohl beispielsweise die Verzehrsmengen von Kräutern/Gewürzen gering sind, deutet die vorläufige Abschätzung darauf hin, dass diese Lebensmittelgruppe erheblich zur langfristigen wie auch zur kurzfristigen Exposition gegenüber 1,2-ungesättigten PA beitragen könnte. Anhand von praxisrelevanten Annahmen durchgeführte Modellrechnungen zeigen, dass ein MOE von 10.000 bei erwachsenen Normalverzehrern allein durch den Verzehr von Kräutern/Gewürzen mit hohen Gehalten (3.000 μg/kg) deutlich unterschritten werden könnte. Gleiches gilt für erwachsene Vielverzehrer bei Kräutern/Gewürzen mit mittleren Gehalten (1.000 μg/kg).

Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass selbst geringe Aufnahmemengen erbgutverändernder und krebsauslösender Substanzen, insbesondere bei regelmäßigem Verzehr, mit einer Erhöhung des gesundheitlichen Risikos verbunden sein können, gilt nach wie vor die Empfehlung, die Aufnahme dieser Substanzen so weit zu minimieren, wie dies vernünftigerweise erreichbar ist (ALARA-Prinzip: „as low as reasonably achievable“). Daher empfiehlt das BfR auch weiterhin, die Bemühungen fortzusetzten, die Gehalte an 1,2-ungesättigten PA in allen Lebensmittelgruppen durch eine Verbesserung von Anbau-, Ernte- und Reinigungsmethoden zu senken. Dies gilt in besonderem Maße für Lebensmittelgruppen wie Kräuter/Gewürze. Hier wurden in untersuchten Proben teilweise sehr hohe Gehalte gemessen.

Fragen und Antworten zu PA in Lebensmitteln finden sich auf der BfR-Website.

Vollständiger Beitrag

Quelle: BfR