Aktualisierte Stellungnahme zum Gesundheitlichen Nutzen von Säuglingsanfangs- und Folgenahrung mit Zusatz von „Probiotika“

Die aktualisierte Stellungnahme Nr. 040/2020 des BfR vom 14. September 2020 ersetzt die Stellungahme Nr. 025/2015 des BfR vom 14. August 2015.

Hersteller von Säuglingsanfangs- und Folgenahrung bieten ihre Produkte teilweise mit einem Zusatz von Probiotika an. Dabei handelt es sich um Bakterienstämme, die positive Wirkungen auf die Gesundheit der Säuglinge haben sollen. Die Hersteller werben beispielsweise damit, dass bei der Ernährung von Säuglingen mit diesen Produkten weniger Infektionen auftreten.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat die Sicherheit und den Nutzen von Säuglingsanfangs- und Folgenahrung mit den zurzeit in Deutschland eingesetzten Bakterienstämmen für gesunde Säuglinge bewertet.

Das Institut kommt zu dem Ergebnis, dass für einen Teil der Bakterienstämme nur sehr wenige Studien mit gesunden Säuglingen durchgeführt wurden. Aus den zurzeit vorliegenden Untersuchungsergebnissen ergeben sich jedoch keine Hinweise auf unerwünschte Wirkungen bei gesunden Säuglingen. Aus Sicht des BfR sind dennoch weitere Daten aus gut geplanten und kontrollierten Interventionsstudien wünschenswert, um zuverlässige Aussagen über die Sicherheit der Mikroorganismen für den routinemäßigen Einsatz in Säuglingsnahrung treffen zu können.

Das BfR weist zudem darauf hin, dass sich anhand der verfügbaren Daten kein gesundheitlicher Nutzen von Säuglingsanfangs- und Folgenahrung mit Zusätzen der bewerteten Bakterienstämme ableiten lässt. Säuglingsnahrungen, denen so genannte „probiotische“ Bakterien zugesetzt sind, haben daher für die Ernährung von gesunden Säuglingen keinen Vorteil gegenüber vergleichbaren Produkten ohne derartige Zusätze.

Gegenstand der Bewertung

Das BfR wurde um Bewertung der Sicherheit und der ggf. zu erwartenden Vorteile von Säuglingsnahrungen mit Zusatz von so genannten „probiotischen“ Bakterien gebeten. In Deutschland sind nach Informationen des BfR gegenwärtig (Stand: Juli 2020) Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen mit den folgenden Bakterien(-stämmen) im Verkehr:

  • Lactobacillus fermentum CECT5716
  • Lactobacillus reuteri DSM 17938
  • Bifidobacterium (B.) lactis BB-12 2
  • sowie Bifidobakterien der Spezies B. breve, B. bifidum, B. infantis und B. longum (die Stammbezeichnungen sind nicht bekannt).

Anmerkung: Bifidobacterium animalis ssp. lactis BB-12 wird gegenwärtig ausschließlich in Spezialnahrungen für Frühgeborene und für Neugeborene mit einem Körpergewicht ab 1800 g bis ca. 4000 g nach Klinikentlassung eingesetzt. Da Letztere aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht eindeutig als Frühgeborenen-Nahrung einzustufen sind, sondern in ihrer Zusammensetzung denen von Säuglingsanfangsnahrungen sehr nahekommen, wurde B. lactis BB-12 mit in die Bewertung einbezogen.

Für die folgende Bewertung wurde eine umfassende Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed und Web of Science durchgeführt, wobei ausschließlich deutsch- und englischsprachige Publikationen berücksichtigt wurden (letzte Recherche: Juli 2020). Dabei wurden in erster Linie Interventionsstudien zur Sicherheit und/oder Wirksamkeit der o.g. Mikroorganismen bei gesunden, reif geborenen Säuglingen (keine Frühgeborenen!) berücksichtigt. In den Studien wurden die Bakterienstämme sowohl in Form von angereicherter Säuglingsanfangsoder Folgenahrung, als auch in anderer Form (z.B. als Tropfen, Tabletten oder Pulver) verabreicht.

Ferner wurden Leitlinien zur Sicherheitsbewertung von Probiotika in Lebensmitteln (EFSA, 2005; EFSA, 2007; FAO und WHO, 2006) und zur Bewertung von Probiotika in Säuglingsnahrung (Braegger et al., 2011; IOM, 2004; Thomas et al., 2010) herangezogen.

Begriffsdefinitionen

Probiotika sind definierte lebende, nicht pathogene Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichender Menge aufgenommen werden, positive gesundheitliche Wirkungen erzielen.

Probiotische Lebensmittel sind Lebensmittel, die Probiotika in einer Menge enthalten, bei der die probiotischen Wirkungen nach dem Verzehr des Lebensmittels erzielt werden.

Säuglingsanfangsnahrung ist ein Lebensmittel, das zur Verwendung für Säuglinge während der ersten Lebensmonate bestimmt ist und bis zur Einführung einer angemessenen Beikost für sich allein die Ernährungsanforderungen dieser Säuglinge deckt. Säuglingsanfangsnahrung ist auch nach Einführung von angemessener Beikost (ab dem 5. bis 7. Lebensmonat) als flüssiger Anteil einer nach und nach abwechslungsreicheren Kost für Säuglinge geeignet.

Folgenahrung bezeichnet Lebensmittel, die zur Verwendung für Säuglinge ab Einführung einer angemessenen Beikost bestimmt sind und den größten flüssigen Anteil einer nach und nach abwechslungsreicheren Kost für diese Säuglinge darstellen.

In der folgenden Stellungnahme werden die Begriffe Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung in Abhängigkeit von den in den beschriebenen Studien verwendeten Studiennahrungen verwendet. Da die genannten Begriffe nicht in allen Studien klar unterschieden wurden und in der Praxis keine Notwendigkeit besteht, im Laufe des ersten Lebensjahres von Säuglingsanfangsnahrung auf Folgenahrung zu wechseln, wird in allen Fällen, in denen eine Unterscheidung nicht möglich oder notwendig war, der allgemeine Begriff „Säuglingsnahrung“ verwendet.

Vollständiger Beitrag

Quelle: BfR