Die ganze Welt nutzt CRISPR: Die Gen-Schere wird zum Standard in der Pflanzenforschung

Forschung mit der Gen-Schere CRISPR/Cas boomt – auch bei Pflanzen. Das neue Werkzeug eröffnet ungeahnte Möglichkeiten etwa im Pflanzenschutz. Über 40 Kulturpflanzenarten wurden schon mit der Gen-Schere oder anderen Verfahren des Genome Editings bearbeitet, etliche Entwicklungen sind bereits reif für den Markt. China hat dabei mit großem Abstand die Nase vorn, vor den USA. Das Julius Kühn-Institut hat nun eine aktualisierte Übersicht über den Stand der Dinge erstellt.

Mit den neuen Züchtungstechnologien des Genome Editings ist es möglich geworden, einzelne DNA-Bausteine in einer Pflanze „umzuschreiben“ und zwar so zielgerichtet und genau, wie es bis vor kurzem nicht vorstellbar war. Das Ergebnis sind Punktmutationen ähnlich wie bei der herkömmlichen Mutationszüchtung, nur dass diese nicht mehr zufällig passieren, sondern gezielt gesetzt werden.

Insbesondere seit Erfindung der „Gen-Schere“ CRISPR/Cas, die einfach und präzise zu handhaben und zudem kostengünstig ist, herrscht Aufbruchstimmung in der Pflanzenforschung.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat nun eine vom Julius Kühn-Institut (JKI) erstellte aktualisierte Übersicht zum Stand der Anwendung der neuen Züchtungstechnologien bei Nutzpflanzen veröffentlicht. Ausgewertet wurde Literatur zu Genome Editing im Zeitraum zwischen 1996 und Juni 2019. Dabei wurde das Augenmerk auf Studien gelegt, bei denen es um „marktorientierte“ Anwendungen geht, d.h. Projekte der Grundlagenforschung ohne Anwendungsbezug – etwa Forschung an Modellpflanzen zur Funktion von Genen – wurden nicht berücksichtigt.

Es wurden insgesamt 231 „marktorientierte“ Studien gefunden. Da die Grundlagenforschung etwa 80 Prozent aller Projekte ausmacht, liegt die Gesamtzahl der Veröffentlichungen inzwischen weit über tausend. Insbesondere die Zahl der Studien zu CRISPR/Cas ist in den letzten Jahren rasant gestiegen. Waren es bei den „marktorientierten“ Studien 2015 gerade mal sechs, so hat sich die Zahl bis 2018 mehr als verzehnfacht. 2019 waren es bis Juni schon 47. Andere Verfahren wie z.B. TALEN spielen dagegen im Vergleich eine nur noch untergeordnete Rolle und die Zahl der Veröffentlichungen nimmt entsprechend ab.

Die meisten der Forschungsprojekte stammen federführend aus China (101), gefolgt von den USA (78). Deutschland steht mit sieben Studien nach Japan an vierter Stelle.

Reis ist mit Abstand die Kulturpflanze, die am meisten mit den neuen Genome Editing-Verfahren erforscht und bearbeitet wird, gefolgt von weiteren wichtigen Feldfrüchten wie Mais, Weizen, Sojabohnen, Kartoffel und Tomaten. Aber auch viele weitere Gemüsearten, Obst, Wein und auch Zierpflanzen sind im Fokus der Forschung. Insgesamt ist das Spektrum mit 41 verschiedenen Kultur- und Zierpflanzenarten sehr groß.

Da Informationen zu laufenden Projekten mit kommerzieller Ausrichtung nur begrenzt zugänglich sind, wurde unter anderem auch auf die Datenbank der US-Landwirtschaftsbehörde „Am I Regulated?“ zurückgegriffen. Seit einigen Jahren können Unternehmen, aber auch Forschungseinrichtungen bei der Behörde anfragen, ob neue Pflanzen, an denen sie arbeiten, als Gentechnik eingestuft werden oder nicht. Wenn kein artfremdes Genmaterial eingeführt wurde und die Pflanze „transgen-frei“ ist, erteilt die Behörde in der Regel grünes Licht. Die Pflanzen fallen dann nicht unter die Gentechnik-Vorschriften und können ohne Genehmigung freigesetzt und vermarktet werden.

Etliche genom-editierte Pflanzen gelten in den USA bereits als „dereguliert“, d.h. sie wurden als Nicht-GVO eingestuft, darunter z.B. besser lagerfähige Kartoffeln, Luzerne, die von Tieren besser verdaut werden kann, Wachsmais mit spezieller Stärkezusammensetzung, Tomaten, deren Früchte leichter vom Stiel zu trennen sind, Speisepilze, die nicht bräunen.

Dreißig der vom JKI als „markorientiert“ eingestuften Projekte wurden federführend innerhalb der EU durchgeführt. So ist es etwa spanischen Wissenschaftlern gelungen, Gluten-freien Weizen zu erzeugen, indem sie mit Hilfe von CRISPR/Cas bestimmte Gene ausschalteten. Auch sieben Projekte aus Deutschland finden sich in der Liste (siehe Tabelle weiter unten).

In Europa haben Forschung und Entwicklung mit Genome Editing im Juli 2018 einen Dämpfer erhalten. Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Mutationen im Pflanzengenom, die mit neuen Züchtungstechniken wie CRISPR/Cas erzeugt werden, als Gentechnik einzustufen sind. Damit sind in Europa konkrete Anwendungen erst einmal verbaut. Wenn genom-editierte Pflanzen den Stempel „Gentechnik“ tragen und schon jeder erforderliche Freilandtest nach altem – längst überfälligem – Gentechnikrecht genehmigt werden muss, dann wird das Potenzial der neuen Verfahren empfindlich ausgebremst.

Viele große Agrarländer außerhalb der EU haben längst einen anderen Weg eingeschlagen. So wollen außer den USA und Kanada auch Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Chile, Israel, Japan und Australien von Fall zu Fall über neue genom-editierte Pflanzen entscheiden. Wenn keine fremde DNA neu eingeführt wurde, fallen sie dann in der Regel nicht unter die Bestimmungen für gentechnisch veränderte Organismen und dürfen ohne weitere Auflagen auf die Felder. In etlichen weiteren Ländern laufen Diskussionen zur rechtlichen Einordnung.

In Zukunft wird es kaum zu verhindern sein, dass genom-editierte Pflanzen in Agrarimporten unerkannt nach Europa gelangen.

Genome Editing: „Marktorientierte“ Projekte in Deutschland*

Kartoffel Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie Resistenz gegen Potato Virus Y
Löwenzahn Frauenhofer Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie Mehr Biomasse der Wurzeln, erhöhter Kautschuk- und Inulingehalt
Raps Christian-Albrechts-Universität Kiel Schotenfestigkeit, um Samenverluste bei der Ernte zu verringern
Tabak Technische Universität Dortmund Reduzierter Nikotingehalt
Tomate Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung Frühe Blüte
Tomate Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie Resistenz gegen Mehltau
Wilde Tomate Universität Münster veränderte Fruchtform, mehr und größere Früchte, kompaktere Pflanzen, erhöhte gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe

*alle Projekte arbeiteten mit der Genschere CRISPR/Cas

Quelle: Forum Bio- und Gentechnologie e.V.