Klimalabel im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages: Warum der Staat das drohende Klimalabel-Wirrwarr ordnen sollte

Göttinger Wissenschaftler*innen plädieren für ein einheitliches staatliches Klimalabel.

Am Montag, 14. September, berät der Deutsche Bundestag im Petitionsausschuss zum Thema CO₂-Kennzeichnung von Lebensmitteln. Das Thema ist aktuell, weil immer mehr Unternehmen ein Klimalabel auf ihren Produkten anbringen. Es ist wichtig, weil Lebensmittel global rund ein Viertel der Treibhausgasemissionen verursachen. Deshalb hat sich vor kurzem auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE 2020) für ein Klimalabel auf Lebensmitteln ausgesprochen und für eine staatliche Regelung plädiert.

Derzeit entwickeln sich am Markt jedoch ganz unterschiedliche Formen von Klimalabeln, solche, die CO₂-Werte in kg angeben (z. B. Oatly), andere weisen prozentuale Verbesserungen aus (z. B. Arla), wieder andere kennzeichnen eine Kompensation der Treibhausgasemissionen (z. B. CO2-neutrale Bananen). In zwei Positionspapieren geben Forscher*innen der Universität Göttingen jetzt Empfehlungen für die Gestaltung eines Klimalabels.

„Bisher kann jeder mit Klimaschutz bei Lebensmitteln werben wie er will. Es ist gut, wenn sich Unternehmen hier engagieren, aber auf die Dauer führt das zu Wildwuchs“, so Prof. Achim Spiller des Departments für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Label sind wichtig, weil bestimmte Eigenschaften dem Produkt nicht anzusehen sind. Ökonom*innen sprechen von Vertrauenseigenschaften. Jedoch ist der unregulierte Labeldschungel schon in anderen Bereichen des Lebensmittelmarktes ein Problem und erschwert informierte Konsumentscheidungen. Engagierte Verbraucher*innen resignieren, wenn sie die Verlässlichkeit einer Produktkennzeichnung nicht einschätzen können und kaufen im Zweifelsfall nach dem Preis.

Deshalb sollte der Staat nach Ansicht der Autor*innen eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Klimalabels einsetzen, um ein einheitliches und zuverlässiges Konzept zu entwickeln. Ideen, wie ein solches Label aussehen könnte, haben sie in dem Beitrag „Durchblick im Klimadschungel“ vorgelegt. Bei der Klimabilanzierung ist es nicht anders als bei der kaufmännischen Bilanzierung: Es müssen Regelungen zur Bilanzierung festgelegt werden – eine Tätigkeit, für die es allein in Deutschland mehr als 100 Professuren für Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung gibt. Die Unternehmen starten jetzt zunehmend mit eigenen Labeln.

„Es ist sinnvoll, wenn die Wirtschaft aktiv wird, aber um weitere Verbraucherverwirrung im Labeldschungel gar nicht erst entstehen zu lassen, ist frühzeitig eine Standardisierung wesentlicher Kriterien erforderlich“, so Dr. Anke Zühlsdorf, Co-Autorin der Studie. Es gibt in der Politik bei diesem Thema immer noch viel Zurückhaltung, auf die die Wissenschaftler*innen in einem zweiten, gestern erschienen, Diskussionsbeitrag eingehen.

Originalveröffentlichungen:

Spiller, A. und Zühlsdorf, A. (2020): Ein Klimalabel ist machbar und sinnvoll. Positionspapier Universität Göttingen

Spiller, A. und Zühlsdorf, A. (2020): Durchblick im Klimadschungel. Positionspapier Universität Göttingen

Quelle: Universität Göttingen