Neue Nachweismethode verspricht spezifische Detektion genom-editierter Rapslinien

Was kann das Verfahren tatsächlich leisten?

In einem Artikel der Fachzeitschrift Foods vom 07.09.2020 (Chhalliyil et al. 2020, nachfolgend „Artikel“) (1) wird eine Nachweismethode für in den USA von der Firma Cibus US LLC vermarktete herbizidtolerante Rapslinien vorgestellt, die nach Auslegung der Autoren mit Einsatz der Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese (ODM) erzeugt sein sollen. Die Autoren stellen heraus, dass sie erstmalig eine spezifische Nachweismethode für eine Pflanze beschreiben, die mit neuen genomischen Techniken (Genom-Editierung) verändert wurde. Als methodischer Ansatz wurde die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) gewählt. Auch in der EU gültige Anforderungen an Identifizierungs- und Nachweisverfahren für die Kontrolle genetisch veränderter Lebensmittel und Futtermittel seien mit diesem PCR-Verfahren erfüllbar. Die wissenschaftliche Veröffentlichung wurde vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), Greenpeace und weiteren Verbänden finanziert.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat die Veröffentlichung des Artikels sorgfältig geprüft und kommt zu folgender Bewertung:

Zusammenfassung

Unter dem Begriff „Cibus-Raps“ lassen sich mehrere herbizidtolerante Rapslinien zusammenfassen, die mittels Genom-Editierung oder herkömmlicher Züchtungsmethoden entstanden sind. Das im Artikel beschriebene Verfahren ist für den Nachweis einer bestimmten Punktmutation in der Erbinformation (dem Genom) von bestimmten Rapslinien entwickelt worden. Sowohl neue züchterische Verfahren, wie die Genom-Editierung, klassische Züchtungsverfahren als auch zufällige biologische Prozesse während der Zellkultur von Rapspflanzen können die Ursache einer solchen Mutation sein. Nach vorliegender Informationslage kommt das BVL zu der Einschätzung, dass die im Artikel betrachtete Punktmutation nicht durch Genom-Editierung-Verfahren entstanden ist. Das im Artikel beschriebene Verfahren kann spezifisch diese Mutation nachweisen. Es kann aber nicht identifizieren, ob sie in einer der Rapslinien tatsächlich durch Genom-Editierung entstanden ist. Ein gerichtsfester Befund bei amtlichen Kontrollen von Lebensmitteln und Futtermitteln auf unbeabsichtigte Anteile von GVO ist daher mit dieser Methode alleine nicht möglich.

Im Einzelnen:

a) Angaben zum Untersuchungsmaterial widersprechen der Herkunft aus einer Genom-Editierung.

In dem Artikel wird angegeben, dass die von den Autoren im Handel gekauften und anschließend untersuchten Rapslinien (C1511, C5507 und 40K) mit Genom-Editierung (ODM) erzeugt wurden. Als Referenz wird eine veröffentlichte Bewertung der kanadischen Gesundheitsbehörde (Health Canada) von 2016 zitiert (2). Nach Angaben der Autoren sollen die drei untersuchten Rapslinien von der Rapslinie 5715 abstammen.

ODM wird in der Veröffentlichung von Health Canada im Zusammenhang mit der Rapslinie 5715 zwar erwähnt, aber nicht zwingend mit der von den Autoren untersuchten Punktmutation in Zusammenhang gebracht. Eine zuvor im Jahr 2013 veröffentlichte Stellungnahme der kanadischen Zulassungsbehörde (Canadian Food Inspection Agency) (3) beschreibt die in Frage stehende Mutation bereits als spontan und nicht durch ODM entstanden. In Bezug auf die Punktmutation gab die Firma Cibus US LLC bei den kanadischen Behörden ebenfalls an, dass diese das Ergebnis einer spontanen Mutation (somaklonalen Variation) ist, die während des Gewebekulturprozesses auftrat, und nicht auf die ODM-Technik zurückgeht.

Die Rapslinie ist eine Kreuzung aus einer mittels konventionellen Züchtungstechniken erzeugten Rapslinie (Clearfield Canola Varietät SP Cougar CL) und der Linie BnALS-57. Die Linie BnALS-57 ist zusammenfassend zwar im Rahmen einer gentechnischen Arbeit entstanden, bei der ODM als Genom-Editierung-Verfahren angewandt wurde, die im Artikel betrachtete Mutation geht aber nicht auf ODM zurück. Um diesen komplexen Sachverhalt für die Öffentlichkeit nachvollziehbar bereitzustellen, wurden die hier genannten Informationen über die Rapslinie 5715 in die EUginius-Datenbank aufgenommen (4).

Aufgrund vorliegender Informationen des Herstellers (siehe Webseite der Firma Cibus US LLC, Stand 08.09.2020) sind die zurzeit in den USA vermarkteten, Sulfonylurea-toleranten FalcoTM-Rapssorten mit traditionellen Züchtungsmethoden entwickelt worden (5). Daraus schließt das BVL, dass die im Artikel dargestellte Nachweismethode zwar in der Lage ist, herbizidtolerante Rapslinien mit einer spezifischen Punktmutation zu detektieren, aber nicht spezifisch unterscheiden kann, ob die nachgewiesene Mutation einer Rapslinie zuzuordnen ist, die mithilfe von ODM erzeugt wurde. Es handelt sich bei dem Artikel also um eine Methodenentwicklung, die zwar Mutationen nachweisen kann, nicht aber unterscheiden kann zwischen züchterisch unterschiedlich hergestellten Rapslinien.

b) Kein Identifikationsverfahren für Genom-Editierung

Durch Gewebekultur erzeugte Mutationen gelten auch nach dem EuGH-Urteil vom 25.07.2018 (6) nicht als Gentechnik. Aufgrund der bisher vorliegenden Informationen geht das BVL davon aus, dass die nachweisbare Punktmutation nicht mit einem Genom-Editierung-(ODM-)Verfahren erzeugt wurde.

Bei Anwendung neuer genomischer Techniken wie CRISPR/Cas oder auch ODM wird im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Gentechniken in der Regel keine artfremde Erbanlage (Fremd-DNA) in das Genom der Pflanzen eingebaut. Das hat zur Folge, dass die Identifikation genomeditierter Pflanzen mit nur einer Punktmutation nicht mittels üblicher Event-spezifischer PCR-Verfahren, die auf den Übergang vom pflanzlichen Genom in die eingebaute Fremd-DNA basieren, möglich ist.

Der spezifische Nachweis einer Punktmutation ist seit Jahrzehnten technisch möglich und stellt keine Neuheit für die Wissenschaft dar. In mehreren Veröffentlichungen zu Möglichkeiten und Limitierungen der Nachweis- und Identifizierbarkeit genomeditierter Pflanzen wurde klar herausgestellt, dass die Herausforderung eben nicht im Nachweis einer Punktmutation besteht. Vielmehr besteht die Schwierigkeit darin, mit neuen genomischen Techniken entwickelte Organismen eindeutig zu identifizieren und analytisch belegen zu können, dass die Veränderungen durch Genom-Editierung erzeugt wurden (7-10).

c) Analytik zum Nachweis der Punktmutation ist valide, reicht aber nicht zur Identifizierung genomeditierter Rapslinien aus

Die technische Bewertung des Artikels ergibt, dass die Leistungsparameter des Verfahrens zur Sensitivität und Quantifizierbarkeit korrekt bestimmt wurden. Der beschriebene PCR-Nachweis der Punktmutation in Rapslinien stellt ein valides Verfahren dar. Allerdings, kann, anders als von den Autoren angeführt, die Methode nicht gerichtsfest nachweisen, wie die Punktmutation entstanden ist, d.h. ob durch Einsatz von Genom-Editierung, durch anderen technischen Verfahren oder durch spontane natürliche Mutation. Der Artikel zeigt zudem keine Lösung dazu auf, wie generell eine mit Genom-Editierung erzeugte Punktmutation nachgewiesen werden kann, wenn der Hersteller oder Züchter hierüber keine Informationen oder eine Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat.

d) Anstrengungen des BVL und des JKI zur Lösung der Identifikationsproblematik

Die Firma Cibus US LLC hatte in einem Feststellungsverfahren beim BVL im Jahr 2015 klären lassen, ob Punktmutationen, wenn sie durch Genom-Editierung (hier ODM) erzeugt würden, einer gentechnikrechtlichen Zulassung unterliegen. Der EuGH hat am 25.07.2018 entschieden, dass mit ODM, nicht aber mit herkömmlichen Mutageneseverfahren erzeugte Pflanzen dem europäischen Gentechnikrecht unterliegen.

Zur genannten Problematik des Nachweises und der Identifikation wurde im Jahr 2019 ein Pilotprojekt am Beispiel von Rapslinien (Versuchslinien) in einer Arbeitsgruppe des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit begonnen, für die geeignete und gut charakterisierte Referenzmaterialien zur Verfügung stehen. Diese Linien weisen eine identische Punktmutation auf, wobei diese entweder durch herkömmliche Mutagenese (somaklonale Variation) oder durch Genom-Editierung erzeugt wurde. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass mit der gängigen PCR-Methode die Nachweisbarkeit, nicht aber die Unterscheidbarkeit dieser Linien möglich ist und somit auch die jeweilige Herstellungsweise nicht identifiziert werden kann.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat zur Intensivierung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit hinsichtlich der Problematik, mit fachlicher Beratung des BVL und des Julius Kühn-Instituts, ein Forschungsvorhaben zu dem Thema „Machbarkeitsstudie zu Nachweis- und Identifizierungsverfahren für genomeditierte Pflanzen und pflanzliche Produkte“ ausgeschrieben. Hierbei soll vertieft der beschriebenen Fragestellung nachgegangen und im praktischen Ansatz fokussiert überprüft werden, inwiefern für amtliche Kontrollen von Lebensmitteln und Futtermitteln gerichtsfeste Nachweis- und Identifizierungsverfahren entwickelt werden können.

Das Nationale Referenzlabor für GVO, das am Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angesiedelt ist, wird die in dem Artikel beschriebene Nachweismethode hinsichtlich der Leistungseigenschaften anhand vorliegender Referenzmaterialien in der Anwendung prüfen.

Referenzen:

1) Chhalliyil, P.; Ilves, H.; Kazakov, S.A.; Howard, S.J.; Johnston, B.H.; Fagan, J. (2020). A Real-Time Quantitative PCR Method Specific for Detection and Quantification of the First Commercialized Genome-Edited Plant. Foods. 9:1245.

2) Health Canada Novel Food Information, https://www.canada.ca/en/health-canada/services/food-nutrition/genetically-modified-foods-other-novel-foods/approved-products/novel-food-information-cibus-canola-event-5715-imidazolinone-sulfonylurea-herbicide-tolerant.html

3) DD 2013-100: Determination of the Safety of Cibus Canada Inc. (Incorporated)´s Canola (Brassica napus L. (Linnaeus)) Event 5715, https://www.inspection.gc.ca/plant-varieties/plants-with-novel-traits/approved-under-review/decision-documents/dd-2013-100/eng/1427383332253/1427383674669

4) https://euginius.eu/euginius/pages/gmo_detail.jsf?gmoname=5715

5) https://www.falcoseed.com/technology

6) Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Große Kammer) vom 25. Juli 2018 in der Rechtssache C‑528/16, http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=204387&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=929085#download=1

7) Wissenschaftlicher Bericht der Ressortforschungseinrichtungen BVL, JKI, FLI, TI, MRI und BfR im Auftrag des BMEL, https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/gruene-gentechnik/neue-molekularbiologische-techniken.html

8) European Network of GMO Laboratories (ENGL) Detection of Food and feed Plant Products obtained by new Mutagenesis Techniques (2019), https://gmo-crl.jrc.ec.europa.eu/ENGL/ENGL.html

9) Grohmann L.; Keilwagen J.; Duensing N.; Dagand E.; Hartung F.; Wilhelm R.; Bendiek J.; Sprink T. (2019) Detection and Identification of Genome Editing in Plants: Challenges and Opportunities. Front Plant Sci. 10:236.

10) Broll H.; Braeuning A.; Lampen A. (2019). European Court of Justice decision for genome editing: Consequences on food/feed risk assessment and detection. Food Control. 104:288.

Pressekontakt:
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Pressestelle
Mauerstraße 39-42, 10117 Berlin
Telefon: 030 18444 -00211
Fax: 030 18444 -00209
pressestelle@bvl.bund.de

Quelle: BVL