Gesundheitliche Bewertung von Ethylenoxid-Rückständen in Sesamsamen

In Produkten mit Sesamsamen aus Indien wie Riegeln, Snacks oder Salat-Toppings haben die Überwachungsbehörden der Länder in einigen Fällen Rückstände des Wirkstoffes Ethylenoxid gemessen.

Die Produkte waren nicht verkehrsfähig, da Ethylenoxid-Rückstände in der EU nicht zulässig sind. Die betroffenen Produkte wurden vom Handel zurückgerufen und gleichzeitig wurde die Öffentlichkeit über das europäische Schnellwarnsystem der Lebensmittelbehörden informiert.

In der EU gilt ein vollständiges Anwendungsverbot für Ethylenoxid in Pflanzenschutzmitteln. In Biozidprodukten ist der Wirkstoff zur Desinfektion erlaubt, allerdings ohne Lebensmittelkontakt. Ethylenoxid ist erbgutverändernd und krebserzeugend. Einen Richtwert ohne Gesundheitsrisiko gibt es somit nicht. Das BfR hat daher eine Aufnahmemenge geringer Besorgnis abgeleitet, unterhalb derer bei lebenslanger Aufnahme das zusätzliche Risiko an Krebs zu erkranken kleiner als ca. 1:100.000 ist. Diese Aufnahmemenge geringer Besorgnis hat das BfR für Ethylenoxid mit 0,037 Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht und Tag (μg/kg KG/Tag) berechnet. Diese Berechnung stützt sich auf die Methode „large assessment factor approach“ der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Neuere Analysen der Überwachungsbehörden der Länder haben gezeigt, dass in den untersuchten Proben Ethylenoxid praktisch vollständig in 2-Chlorethanol umgewandelt wurde. Der Metabolit 2-Chlorethanol wird in der EU bisher gemeinsam mit Ethylenoxid bewertet. Auch der in der EU zulässige Rückstandshöchstgehalt von 0,05 Milligramm Ethylenoxid je Kilogramm Sesam bezieht sich auf die Summe von Ethylenoxid und 2-Chlorethanol, ausgedrückt als Ethylenoxid. Das BfR hat die bisherige Herangehensweise überprüft und bestätigt. Auch für 2-Chlorethanol gibt es Hinweise aus Tierstudien auf eine erbgutverändernde Wirkung und die vorliegenden Informationen reichen nicht aus, um eine krebserzeugende Wirkung mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Da keine Hinweise darauf existieren, dass das Abbauprodukt 2-Chlorethanol stärker erbgutverändernd und krebserzeugend als Ethylenoxid sein könnte, wird aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes die gemeinsame Bewertung von Ethylenoxid und 2-Chlorethanol als Summenparameter bis zur Vorlage neuer Daten weiter unterstützt.

Das BfR hat geprüft, wie Rückstände in Höhe des festgesetzten Rückstandshöchstgehalts von 0,05 mg/kg Sesam gesundheitlich zu bewerten sind, wenn die Aufnahmemenge geringer Besorgnis von 0,037 μg/kg KG/Tag und Verzehrsmengen aus den vorliegenden Verzehrsstudien herangezogen werden. Bei einem mittleren Verzehr über längere Zeit überschreiten weder Kinder noch Erwachsene die Aufnahmemenge geringer Besorgnis. Da Ethylenoxid erbgutverändernd und krebserzeugend ist, sind Rückstände in Lebensmitteln unerwünscht.

Gegenstand der Bewertung

Das Bundesinstitut für Risikobewertung wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Lebensmittelsicherheit (BMEL) gebeten, die Toxizität von Ethylenoxid und 2-Chlorethanol, insbesondere mit Blick auf die Möglichkeit zur Ableitung toxikologischer Schwellenwerte sowie Informationen zum Metabolismus von Ethylenoxid, zu bewerten.

Weiterhin wurde um Informationen zur akuten und chronischen Toxizität von verarbeiteten Produkten gebeten, die Sesamsamen mit Ethylenoxid-Gehalten über dem Rückstandshöchstgehalt enthalten.

Hintergrund sind Anfragen verschiedener Bundesländer zu diversen Schnellwarnungen und Follow-up-Meldungen zu Ethylenoxid in Sesamsamen aus Indien und damit hergestellten Waren an das BMEL.

Ergebnis

Die Ableitung eines gesundheitsbasierten Referenzwertes ohne Risiko ist für Ethylenoxid als gentoxisches Kanzerogen ohne Schwellenwert nicht möglich. Jedoch erlaubt der „large assessment factor approach“ der EFSA die Berechnung einer Aufnahmemenge geringer Besorgnis, welche mit einem zusätzlichen Krebsrisiko von ca. 1:100.000 bei lebenslanger Exposition assoziiert wird. Diese Aufnahmemenge geringer Besorgnis wurde für Ethylenoxid mit 0,037 μg/kg KG/Tag ermittelt und kann als Grundlage für Entscheidungen des Risikomanagements herangezogen werden.

Bezüglich des Ethylenoxid-Abbauproduktes 2-Chlorethanol ist die Datenlage widersprüchlich und teilweise unvollständig. Zu den kanzerogenen Eigenschaften von 2-Chlorethanol kann derzeit keine sichere Aussage getroffen werden. Für eine gentoxische Aktivität gibt es zahlreiche Hinweise, die Existenz eines möglichen Schwellenwertes und die In-vivo-Relevanz ist jedoch nicht abschließend geklärt. Es gibt derzeit keine Hinweise dafür, dass 2-Chlorethanol eine höhere Toxizität als Ethylenoxid aufweist. Aus Sicht des BfR sollte daher die Risikobewertung für 2-Chlorethanol wie für Ethylenoxid erfolgen.

Konkrete Untersuchungsergebnisse von Sesamproben wurden dem BfR nicht zur Bewertung vorgelegt. Aus diesem Grund wurde beispielhaft für einen Rückstand von Ethylenoxid (bezogen auf die Summe aus Ethylenoxid und 2-Chlorethanol, ausgedrückt als Ethylenoxid) in Höhe der Bestimmungsgrenze bzw. des geltenden Rückstandshöchstgehalts von 0,05 mg/kg in Sesam die Exposition für Kinder und Erwachsene berechnet.

Die Aufnahmemenge geringer Besorgnis wurde für Kinder bei einem Sesamverzehr von 23,4 g pro Tag (entsprechend der in Verzehrstudien ermittelten großen Verzehrportion (Large Portion)) bereits bei einem Rückstand von Ethylenoxid von nur 0,05 mg/kg überschritten. Bei Erwachsenen lag die Aufnahme bei einer Large Portion von 39,6 g pro Tag unter der Aufnahmemenge geringer Besorgnis. Betrachtet man den mittleren Verzehr über längere Zeiträume, wird dieses Level weder bei Kindern noch bei Erwachsenen überschritten.

Vollständiger Beitrag

Quelle: Stellungnahme Nr. 056/2020 des BfR vom 23. Dezember 2020