Vegan essen: Nährstoffmangel vorbeugen

Ob aus ethischer, religiöser oder gesundheitlicher Motivation – es gibt unzählige individuelle Beweggründe für das, was auf den Teller kommt.

Viele Menschen entscheiden sich heutzutage für alternative Ernährungsformen, die von der gängigen Mischkost abweichen. Dazu zählt der Veganismus, der zunehmend an Popularität gewinnt. Doch wer sich vegan ernährt, braucht fundierte Kenntnisse über die notwendige Nährstoffversorgung. Denn der konsequente Verzicht auf tierische Lebensmittel erhöht das Risiko einer Mangelernährung, insbesondere für Vitamin B12 – mit teilweise erheblichen und bei heranwachsenden Kindern möglicherweise irreversiblen Folgen für die Gesundheit. Auch Vitamin D, Calcium und Proteine zählen zu den potentiell kritischen Nährstoffen bei einer veganen Ernährung und haben eines gemeinsam – sie sind wichtig für die Knochengesundheit.

Im Laufe der Evolution hat sich der Mensch zu einem „Allesesser“ oder „Mischköstler“ entwickelt. Mit ausgewogener Mischkost, wie sie auch von Ernährungsfachgesellschaften empfohlen wird, sind die Meisten ausreichend mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt. Nun gibt es aber immer mehr Menschen, die einer „gewöhnlichen“ Mischkost aus verschiedenen Beweggründen den Rücken kehren. Dazu zählen immer häufiger ethisch-moralische Bedenken.

Einer der am häufigsten genannten Gründe für Veganismus in Europa ist der Tierschutz [1]. Allerdings birgt die rein pflanzliche Ernährungsweise das Risiko für Nährstoffmängel. Die meisten Veganer und Veganerinnen wissen inzwischen, dass ihre Nahrung sie nicht sicher mit Nährstoffen wie Vitamin B12 und Calcium versorgt. Kritisch können auch essentielle Aminosäuren, langkettige n-3-Fettsäuren sowie weitere Vitamine wie Vitamin D und Riboflavin und Mineralstoffe wie Eisen, Jod, Zink und Selen sein [3].

Vitamin B12 in pflanzlichen Lebensmitteln

Vitamin B12, auch Cobalamin genannt, kommt in der für den Menschen verfügbaren Form fast nur in tierischen Lebensmitteln vor. Der Nährstoff ist bei rein veganer Ernährung darum oftmals unterrepräsentiert. Zwar gibt es verschiedene pflanzliche Quellen für Vitamin B12, allerdings sind sie oftmals nicht zur Bedarfsdeckung geeignet. Dazu zählen durch bakterielle Gärung verarbeitete Produkte wie Sauerkraut und Bier, deren Vitamin B12-Gehalt aber zu gering ist, um den täglichen Bedarf zu decken. Das gleiche gilt für Shiitake-Pilze und Nori, außerdem für Produkte mit Spirulina oder anderen Cyanobakterien [2]. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist eine ausreichende Vitamin-B12-Versorgung bei veganer Ernährung somit nur durch die Einnahme von Nährstoffsupplementen wirklich sichergestellt [3,4].

Vorsicht geboten ist bei Meeresalgenprodukten: Diese können gesundheitsschädlich hohe Mengen Jod enthalten. Als Höchstmenge werden in Nahrungsergänzungsmitteln 100 Mikrogramm Jod pro Tag empfohlen, insgesamt mit allen Lebensmitteln nicht mehr als 500 Mikrogramm. Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen sollten darum auf Nori-Produkte verzichten. Die Verbraucherzentrale empfiehlt Veganern und Veganerinnen, statt zu Algen besser auf standardisierte Nahrungsergänzungsmittel zurückzugreifen, die eine gleichmäßigere und sichere Versorgung ermöglichen [2]

Vitamin D, Calcium und Knochengesundheit

Auch ein Mangel an Vitamin D, Calcium und Proteinen wird häufig mit rein veganer Ernährung in Verbindung gebracht. Alle drei Nährstoffe sind unter anderem für die Knochengesundheit und -stabilität wichtig. Tatsächlich ist das Risiko für Knochenbrüche bei Veganern und Veganerinnen um 43 Prozent höher als bei Mischköstlern und Mischköstlerinnen, das zeigen die Ergebnisse einer Langzeitstudie [5]. Selbst diejenigen, die genügend Calcium und Eiweiß mit der Nahrung zu sich nehmen, haben ein höheres Osteoporose-Risiko als die Vergleichsgruppe. Das weist daraufhin, dass weitere Defizite – vor allem von Vitamin D und Vitamin B12 – bei Veganern eine Rolle spielen könnten [5].

Vitamin D wird vor allem durch Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet, deshalb kann ein regelmäßiger und gleichwohl maßvoller Aufenthalt in der Sonne einen großen Beitrag für ausreichende Vitamin-D-Serumspiegel leisten. Bedeckende Kleidung, stärker pigmentierte Haut, die Verwendung eines hohen Lichtschutzfaktors oder der geographische Standort (Breitengrad) können die körpereigene Vitamin-D-Bildung jedoch beeinträchtigen. So ist in Deutschland in den Wintermonaten die Strahlungsintensität der Sonne zu schwach, um einen ausreichenden, lichtinduzierten Vitamin-D-Stoffwechsel zu gewährleisten [6].

In geringeren Anteilen kann Vitamin D zwar auch über die Nahrung aufgenommen werden, insgesamt enthalten aber nur wenige pflanzliche Lebensmittel ausreichend Vitamin D für eine Komplettversorgung. Umso wichtiger für Veganer und Veganerinnen, ihren Vitamin-D-Status vom Arzt kontrollieren zu lassen. Serumspiegel unter 30 nmol/l (12 ng/ml) sind mangelbeweisend.

Eine mögliche Quelle für Veganer und Veganerinnen stellen speziell gezüchtete Vitamin-D-Pilze dar.

Vegane Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und Wachstum

In der Schwangerschaft und Stillzeit vegan zu essen, wird von Experten nach wie vor kritisch beurteilt. So rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) Bevölkerungsgruppen mit besonderem Anspruch an die Nährstoffversorgung, also Schwangeren, Stillenden sowie Kindern und Jugendlichen im Wachstum, grundsätzlich von veganer Ernährung ab. Dem Fötus im Mutterleib und Kindern drohen Blutbildungsstörungen (Eisen- und Vitamin-B12-Mangel), Wachstumsverzögerungen (Energie-Protein-Malnutrition) und möglicherweise irreversible neurologische Defekte (Mangel an Vitamin B12 und Jod).

Schwangere mit einer unzureichenden Versorgung mit der langkettigen n-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) riskieren zudem Fehlbildungen des Gehirns und der Retina ihres Babys. Wer dennoch – zumindest zeitweise – nicht auf vegane Ernährung verzichten will, sollte auf jeden Fall qualifizierte Ernährungsberatung in Anspruch nehmen und bei sich abzeichnenden Unterversorgung mit passenden Nährstoffpräparaten entgegensteuern [3,7].

Die Wissenschaftler einer aktuellen Studie [8] weisen darauf hin: Nur eine gut geplante und streng auf den Status von Proteinen, Eisen, Vitamin D, Kalzium, Jod, Omega-3 und Vitamin B12 kontrollierte vegane Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit kann als sicher angesehen werden.

 

[1] Statista. Umfrage zu Gründen der veganen Ernährung in Europa 2019 (abgerufen am 10.11.2020)

[2] Verbraucherzentrale. Oft zu viel Jod in Meeresalgen-Produkten, Stand: 29.05.2020 (abgerufen am 15.11.2020)

[3] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.. Ausgewählte Fragen und Antworten zu veganer Ernährung, Stand: 2016 (abgerufen am 16.11.2020)

[4] Großhagauer, S., Kraemer, K., & Somoza, V. (2020). The True Value of Spirulina. Journal of Agricultural and Food Chemistry. doi:10.1021/acs.jafc.9b08251

[5] Tong, T.Y.N., Appleby, P.N., Armstrong, M.E.G. et al. Vegetarian and vegan diets and risks of total and site-specific fractures: results from the prospective EPIC-Oxford study. BMC Med 18, 353 (2020).

[6] Bundesamt für Strahlenschutz. Bildung des körpereigenen Vitamin D, Stand: 09.01.2020 (abgerufen am 20.11.2020)

[7] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.. Vegane Ernährung: Wenig aktuelle Daten zu Schwangeren, Stillenden und Kindern. Pressemeldung vom 04.09.2020

[8] Sebastiani G, Herranz Barbero A, Borrás-Novell C, Alsina Casanova M, Aldecoa-Bilbao V, Andreu-Fernández V, Pascual Tutusaus M, Ferrero Martínez S, Gómez Roig MD, García-Algar O. The Effects of Vegetarian and Vegan Diet during Pregnancy on the Health of Mothers and Offspring. Nutrients. 2019 Mar 6;11(3):557.

STUDIE: Vitamin-D-Mangel als Indikator für schwere COVID-19-Krankheitsverläufe?

Quelle: GIVE e.V.