Bewegung im Corona-Winter: vom Wissen zum Handeln

Joggen
Foto: Andy Choinski auf Pixabay

Kreative Strategien für mehr Bewegung.

Der Lockdown schränkt unsere Mobilität ein und im Home-Office setzen manche kaum einen Fuß vor die Tür. Dabei würde gerade jetzt Bewegung guttun. Doch der innere Schweinehund wächst und wächst. Wie überwindet man ihn? Wie schafft man es, sich im Alltag mehr zu bewegen? Das war Thema unserer Sprechstunde_digital in Kooperation mit ZEIT Doctor.

Mit Prof. Gabriele Oettingen, Professorin für Psychologie an der New York University und der Universität Hamburg, und Prof. Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe und Teampsychologe der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, diskutierten wir darüber, wie man vom Wissen ins Handeln kommt. Moderiert wurde die Runde von Claudia Wüstenhagen, verantwortliche Redakteurin für ZEIT Doctor im Ressort Wissen von ZEIT ONLINE.

Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen, verwies zu Beginn des Abends auf Erkenntnisse aus einer aktuellen Studie der Stiftung und lieferte damit auch gleich eine Erklärung für die oft fehlende Bewegungsmotivation: „Das Vertrauen der Menschen, die eigene Gesundheit beeinflussen zu können, ist in den letzten fünf Jahren gesunken.“

Nur rund 35 Prozent der Befragten glaubten an die eigenen Einflussmöglichkeiten, 2015 waren es noch 46 Prozent. Besonders ausgeprägt sei das fehlende Vertrauen in der Bevölkerungsgruppe mit niedrigem sozioökonomischem Status. Die Daten wurden im Gesundheitsbericht 2020 unter dem Titel „Statussymbol Gesundheit“ publiziert.

Positive Wirkung von Sport vor Augen führen

Dieses schwindende Vertrauen werde in der Corona-Zeit zusätzlich verstärkt, erklärte Prof. Hermann. Es falle verständlicherweise vielen schwer, Pläne zu schmieden, wenn man nicht einmal weiß, wie die nächsten vier Wochen verlaufen. Da helfe es, sich die positive Wirkung von Sport vor Augen zu führen. So würden beim Sport beispielsweise Botenstoffe im Körper ausgeschüttet, die sich positiv auf das Befinden auswirken können. Und: „Die Selbstwirksamkeit erhöht sich, wenn ich spüre, dass ich etwas bewältigen kann“, so Hermann.

Um sich zu bewegen, müsse man gar keine Höchstleistungen vollbringen. Auch öfter mal die Treppe zu nehmen oder den Einkauf zu Fuß zu erledigen, zählten als Bewegung. „Hier kann man kreativ sein“, pflichtete ihm Prof. Oettingen bei. Zum Beispiel könne man bei langen Videogesprächen einfach mal umherlaufen, statt immer nur zu sitzen.

Herausfinden, was man wirklich will

Wie aber schaffe ich es, am Ball zu bleiben, also beispielsweise jeden Morgen Gymnastik zu machen und tagsüber nicht zu naschen? Das beschäftigte auch die Zuschauer der Diskussionsrunde. Sie entschieden sich dafür, beim Zuschauer-Voting dieser Frage die meisten Stimmen zu geben. Hier riet Prof. Oettingen zunächst herauszufinden, ob man diesen Wunsch tatsächlich hat, ob man also wirklich Gymnastik machen möchte, oder nur einer lästigen Verpflichtung nachgeht. Besteht der Wunsch wirklich, solle man sich das Ziel und das damit verbundene gute Gefühl vorstellen.

Im nächsten Schritt gelte es nun, die Hindernisse zu identifizieren, die dem im Wege stehen. Daran sollte sich ein Plan anschließen, wie die Hindernisse überwunden werden können. „WOOP“ nennt Prof. Oettingen diese Methode, die sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe Wish (Wunsch), Outcome (Ziel), Obstacle (Hindernis) und Plan zusammensetzt. „Wenn man im positiven Träumen verharrt, passiert nichts – man muss sich den Hindernissen stellen“, so Oettingen. Wichtig sei dabei, dass einem die Bewegung Spaß mache, betonte Prof. Hermann. Möglicherweise sei Tanzen dann besser als Gymnastik.

Neue Strategien, um alte Muster zu durchbrechen

Weiter beschäftigte die Zuschauer die Frage, warum es so schwer ist, das eigene Verhalten zu ändern. „Das geht den meisten Menschen so“, bestätigte Prof. Hermann. Hier helfen nach seinen Erfahrungen drei Faktoren: Wir bräuchten ein konkretes Ziel, wir sollten etwas machen, das Freude bereitet und wir sollten es mit anderen Menschen zusammen machen. Und: Wir sollten uns selbst nicht schlecht machen, sondern die eigenen Leistungen würdigen – seien sie auch noch so klein. Es sei eine der Hauptstrategien in der Sportpsychologie, sich selbst Mut zu machen, sich anzutreiben und anzufeuern. „Jeder Schritt zählt. Seien Sie stolz auf sich!“

Doch ist der innere Schweinehund erst überwunden, schließt sich gleich das nächste Problem an: Wie halte ich durch? „Nicht zu früh in Routinen verfallen“, lautet der Tipp von Prof. Herrmann. „Unser Gehirn braucht immer wieder neues Futter.“ Dabei könne es helfen, einem vorgegebenen Sportprogramm zu folgen, das immer wieder neue Aspekte oder Herausforderungen biete. „Man unterschätzt immer wieder, wie hilfreich ein Tapetenwechsel ist“, pflichtete Prof. Oettingen bei. Ihre Botschaft an die Zuschauer und Zuschauerinnen: „Haben Sie Selbstvertrauen, dass Sie Ihren Wunsch finden und die Hindernisse auf dem Weg zum Ziel meistern.“

Quelle: Stiftung Gesundheitswissen