Überwachungssystem des Fraunhofer-Instituts schützt Versuchsfelder

Die Erde muss zunehmend mehr Menschen ernähren: Bis zum Jahr 2050 sollen es Studien zufolge mehr als neun Milliarden sein. Die Bayer AG forscht daher an resistenten Getreidesorten und effektiverem Pflanzenschutz. Ein neues Rund-um-die-Uhr-Überwachungssystem des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE hilft künftig dabei, die Testfelder und somit die aufwendige und kostenintensive Forschung zu schützen.

Es ist keine einfache Aufgabe, die stetig größer werdende Weltbevölkerung auch zukünftig ernähren zu können – und das trotz all der Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Die Bayer AG forscht daher an resistenten Getreidesorten und effizienten Pflanzenschutzmitteln. Die Versuche finden auf gepachteten, frei zugänglichen Plantagen und Feldern statt. Das heißt: Es besteht durchaus das Risiko, dass Unbefugte ihr Unwesen treiben, indem sie etwa Fremdsaatgut einstreuen oder Pflanzen zerstören.

Werden solche Manipulationen nicht umgehend entdeckt, geht das mit Rückschritten und finanziellem Schaden für den Konzern einher. Es besteht daher ein starkes Interesse daran, frühzeitig über verdächtige Aktivitäten informiert zu werden, um sie zeitnah überprüfen zu können. Herkömmliche Überwachungssysteme eignen sich dazu jedoch kaum. Denn die Felder liegen weit auseinander, liegen meist abseits und wechseln jährlich. Auch eine Kommunikationsinfrastruktur ist nicht vorhanden.

Rund-um-die-Uhr-Überwachung – kostengünstig und flexibel

Das Fraunhofer FKIE in Wachtberg hat im Projekt »Sensor-Based Flexible Area Monitoring«, kurz »SensFArM«, ein Überwachungssystem entwickelt, das diese Probleme löst. »Unser System ist flexibel, skalierbar, nutzerfreundlich, robust und erlaubt erstmals eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung«, sagt Arne Schwarze, Forschungsgruppenleiter am Fraunhofer FKIE. Drei Hauptaufgaben muss das System erfüllen: Es gilt erstens, zwischen Fahrzeug, Mensch und Tier zu unterscheiden. Läuft nur ein Reh auf das Feld oder jemand, der ernsthaften Schaden anrichten will? Zweitens muss das System eine Lokalisation ermöglichen: Wo hält sich eine Person auf? Drittens gilt es zu tracken, wie sich diese Person auf dem Feld bewegt. Ist das gesamte Feld betroffen, oder gibt es unberührte Stellen?

Dazu setzt das Forscherteam auf ein Kamerasystem, das unter anderem eine elektro-optische Kamera und eine Infrarotkamera umfasst, sowie auf seismische Sensoren, die in die Erde eingebracht werden, sich automatisch zu einem Sensornetz verbinden und Erschütterungen detektieren. »Es können aber auch beliebige andere Sensoren angeschlossen werden, etwa eine drohnengebundene mobile Sensorik«, bestätigt Schwarze. Die Ergebnisse der Sensoren werden in einem Algorithmus fusioniert. Somit werden die Vorteile unterschiedlicher Sensortypen kombiniert und es lassen sich Fehlalarme vermeiden.

Ein Beispiel: Der Bewegungsdatensensor der optischen Kamera würde bereits reagieren, wenn ein Wolkenschatten vorüberzieht. Schon durch das Hinzuschalten der Infrarotkamera lassen sich solche fehlerhaften Ergebnisse beseitigen, denn diese reagiert nur auf Wärme. Auch das Wissen, welche Sensoren unter welchen Bedingungen zuverlässigere Ergebnisse liefern, fließt mit in die Datenfusion ein. »Ist es beispielsweise dunkel, können die Daten der Infrarotkamera stärker gewichtet werden als die der optischen Kamera«, konkretisiert Schwarze. Ein wichtiger Faktor, um das Risiko bewerten zu können, ist die Zeit: Geht ein Hundebesitzer nur kurz in ein Feld, um seinen Hund zu holen, der sich gerade in einem toten Kaninchen wälzt, wird das anders bewertet als Personen, die mitten in das Feld hereinlaufen, sich lange aufhalten und viel Wegstrecke zurücklegen.

Kompletter Arbeitsfluss: Erkennen, klassifizieren, dokumentieren

Der Fokus liegt auf dem Erkennen, Klassifizieren und Dokumentieren. Die Sicherheitsfachkräfte, die vor den Bildschirmen sitzen, erhalten auf der Benutzungsoberfläche zu jedem verdächtigen Vorgang einen Hinweis: Wer oder was befindet sich auf dem Feld, wie hoch schätzt das System das Risiko ein? Der Sicherheitsdienst kann sich daraufhin selbst ein Bild von der Situation machen, indem er zunächst einmal die Videobilder analysiert.

Anschließend kann er anhand aller vorliegenden Informationen entsprechende Maßnahmen einleiten, etwa bestimmte Mitarbeiter informieren, eine mobile Kontrolle entsenden und vor Ort eingreifen oder aber die Polizei verständigen. Im nächsten Schritt dokumentiert der Sicherheitsdienst dies im System und schließt die Vorgänge mit einer Bewertung ab: Lag ein hohes, mittleres oder gar kein Risiko vor? Wichtig ist eine solche Dokumentation für die nachträgliche Sicherheitsbewertung durch die Mitarbeiter der Konzernsicherheit.

Testläufe erfolgreich

In zwei Testläufen, die jeweils eine Woche dauerten, haben die Forscherinnen und Forscher die Technologie bereits geprüft – vor Ort bei Bayer. Zusätzlich wurden in der Abschluss-Demonstration verschiedene Szenarien durchgespielt, so liefen etwa Testpersonen auf das Feld. Währenddessen konnten die Sicherheitsfachkräfte des von Bayer beauftragten Sicherheitsdienstleisters Securitas in der Zentrale den kompletten Arbeitsablauf durchspielen.

Künftig möchte Securitas die Entwicklung als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen. Schließlich ist die Sensorik flexibel und kann somit auf beliebige Problemstellungen angewandt werden, bei denen herkömmliche Überwachungssysteme überfordert sind. Beispielsweise könnte man sie nutzen, um Umspannwerke besser zu schützen, da diese künftig mit mehr Technik ausgestattet werden sollen.

Weitere Informationen

Quelle: Britta Widmann Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft