Übergewicht bei Kindern: f.eh fordert Ernährungsbildung an Schulen in Österreich

Kinder aus sozial schwächeren Familien verstärkt von Übergewicht und Adipositas betroffen. Ganzheitliche Ernährungsbildung ermöglicht Chancengleichheit.

Schon seit Mitte der 70er Jahre gibt es weltweit einen Anstieg an übergewichtigen Menschen. Vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Familien sind übermäßig von Übergewicht und Adipositas betroffen. Daher wurden bereits zahlreiche Initiativen zur Sensibilisierung, Prävention und Bekämpfung gestartet, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

„Doch diese sind weder akkordiert, noch erreichen sie die Betroffenen, sondern oftmals nur die bereits ohnehin sensibilisierten und aktiven Familien“, so Marlies Gruber, Geschäftsführerin des forum. ernährung heute (f.eh). Sie fordert daher eine Stärkung der Ernährungs- und Bewegungskompetenz durch eine umfassende Ernährungsbildung plus mehr Sport und Bewegung in Schulen und Kindergärten. Zusätzlich bräuchte es eine entsprechende Unterstützung der Eltern, um allen Kindern gute Chancen für einen gesunden Lebensstil zu bieten.

Kinder lernen einen gesundheitsförderlichen Lebensstil insbesondere während der Lockdowns vorwiegend zuhause, indem er von den Eltern als Vorbild abgeschaut wird. Verfügen Eltern über gute Ernährungskenntnisse und bewegen sie sich viel, so ist das in er Regel auch bei den Kindern so, wodurch es ihnen leichter gelingt, in ein gesundes Leben zu wachsen. Doch vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben aus unterschiedlichen Gründen ein deutlich höheres Risiko übergewichtig oder adipös zu sein. Sie bringen drei- bis viermal häufiger zu viel Gewicht auf die Waage als Kinder aus sozio-ökonomisch starken Familien.

Empowerment durch Bildung und Partizipation

Um eine Chancengleichheit zu etablieren, spricht sich das f.eh daher für eine Ernährungsbildung in Schulen aus. „Dort kann der niederschwellige Zugang zu Familien gezielt genutzt werden, um Kinder und Eltern bei der eigenverantwortlichen Verwirklichung gesundheitspädagogischer Angebote auch zuhause zu unterstützen. Es geht darum, grundlegende Kenntnisse über die Zusammensetzung und Verarbeitung von Lebensmitteln zu vermitteln, Genuss und bewusstes Essen zu fördern und zu mehr Bewegung zu animieren. Um ihrer Verantwortung gerecht werden zu können, benötigen Kindergärten und Schulen aber auch adäquate Mittel“, so Marlies Gruber. „Es braucht eine Gesundheits- und Bewegungsförderung, die über Systemgrenzen hinweg integriert und in den Regelstrukturen verankert werden muss. Nur dann kann eine nachhaltige Wirkung gesichert werden.“

Ursachen für Übergewicht bei Kindern

Maßnahmen seien jedenfalls rasch nötig, so Marlies Gruber, denn insbesondere durch den Lockdown und Homeschooling sinkt einerseits der Energieverbrauch aufgrund mangelnder Bewegung, andererseits verleitet die aktuelle Situation zu vermehrtem emotionalem Essen. Weil die Phase eine länger andauernde ist, beginnen sich diese Lebensstilgewohnheiten auch langfristig zu etablieren, womit das Risiko für Übergewicht und Adipositas in Summe deutlich steigt. Ein Schlüssel wäre, Kindern möglichst früh positive Erfahrungen mit Bewegung und Sport zu ermöglichen. „Eltern sind daher vermehrt zu unterstützen, ihre Vorbildrolle zu übernehmen und ein gesundes Ess-, Bewegungs- und Medienverhalten zu vermitteln. Denn sie können die Entwicklung des Körpergewichts beeinflussen, indem sie eine gute Bindung zum Kind aufbauen, eine gesundheitsfördernde Lebensweise vorleben und durch ausreichend Spielmöglichkeiten für ein attraktives Umfeld sorgen“, unterstreicht Marlies Gruber.

Bewegung kann auch dabei unterstützen, Stress zu reduzieren, der zu den Hauptrisikofaktoren zählt. „Gefühle beeinflussen grundsätzlich das Essverhalten. Ist das zu stark ausgeprägt, kann es zu Essstörungen und Übergewicht führen. Je trauriger und gelangweilter Kinder sind, desto eher essen sie, um ihre emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen oder die Aufmerksamkeit der Eltern zu gewinnen“, betont Marlies Gruber. Auch Umgebung, Erziehung und häusliches Umfeld spielen eine Rolle. Verstärkt wird das durch einseitiges und übermäßiges Essen, eingeschränkte soziale Teilhabe, nachgiebige Erziehungsstile und die Verfügbarkeit von Medien.

Kinder aus einkommensschwachen Familien häufiger übergewichtig

Diese Faktoren treffen auf sozial benachteiligte und einkommensschwache Familien häufiger zu, wodurch Kinder aus solchen Familien häufiger unter Übergewicht und Adipositas leiden. Das belegt eine Diplomarbeit an der Uni Wien aus dem Jahr 2017: Demnach sind mehr Schüler von Neuen Mittelschulen (NMS) von Übergewicht und Adipositas betroffen, als in Allgemeinbildenden Höheren Schulen (31,3 zu 13,9 Prozent). Zudem zeigt die Studie, dass Kinder in NMS weniger Obst und Gemüse essen, seltener einem Sportverein angehören und weniger Sport betreiben.

Auch die Ergebnisse beim pebKongress der plattform ernährung und bewegung e.v. (peb) gemeinsam mit Lebensmittelverband Deutschland unterstreichen das. So sind 27 Prozent der Mädchen und 24,2 Prozent der Jungen mit niedrigem sozioökonomischem Status von Adipositas oder Übergewicht betroffen. Bei mittlerem und höherem Status sind es 11-14,2 bzw. 6,5 bis 8,9 Prozent.

Weiterführende Infos

Quelle: forum. ernährung heute