Hoher Versorgungsbedarf: Jeder fünfte Krankenhauspatient hat Diabetes

Eine Studie unter Leitung der Universität Ulm zeigt, dass knapp jeder fünfte stationäre Patient in Deutschland an Diabetes leidet.

Das Ergebnis spiegelt nicht nur den Versorgungsbedarf von Diabetespatienten im Krankenhaus wider, sondern offenbart auch Diskrepanzen zu den bisher publizierten Statistiken über die Fallzahlen von Patienten mit Diabetes im Krankenhaus. Viele Diabetespatienten werden bisher gar nicht erfasst, wenn nur die Patienten mit Hauptdiagnose Diabetes gezählt werden.

Die Kommission Epidemiologie und Versorgungsforschung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sieht in der Studie einen Beleg dafür, dass die realen Zahlen wesentlich höher liegen, wenn man die Patienten mit Nebendiagnose Diabetes mitbetrachtet. Bei Fällen mit COVID-19 im Krankenhaus werden meist Haupt- und Nebendiagnosen betrachtet, da in beiden Fällen der stationäre Aufwand erheblich größer ist. Genauso sollte bei Diabetes auch verfahren werden, da Menschen mit einer Nebendiagnose Diabetes im Krankenhaus genauso eine zusätzliche, spezialisierte und aufwändige Betreuung benötigen.

Knapp jeder fünfte Krankenhauspatient leidet unter Diabetes, zeigt das Ergebnis einer Studie der Universität Ulm, die sich mit den Fallzahlen der hospitalisierten Diabetesfälle zwischen 2015 bis 2017 befasst. Die Zahl bezieht sich dabei auf alle Krankenhausfälle, ab dem Alter von 20 Jahren. „Bisher gab es noch keine umfassenden Daten zu dem Thema. Es hat sich in unserer Studie gezeigt, dass in diesen drei Jahren mehr als 18 Prozent der jeweils rund 16,5 Millionen stationär aufgenommenen Fälle eine Haupt- oder Nebendiagnose Diabetes hatten“, erklärt die Studienautorin Marie Auzanneau, MPH. „Wir haben dabei auch die Häufigkeit der verschiedenen Diabetestypen analysiert.“ Von den insgesamt rund 3,1 Millionen Krankenhausfällen mit Diabetes im Jahr 2017 litten laut der Studie, die bald veröffentlicht wird, mehr als 2,8 Millionen an einem Diabetes mellitus Typ-2.

„Auffällig war, dass die Verweildauer und Sterblichkeit unter den Krankenhausfällen mit Diabetes höher lag als bei denjenigen ohne Diabetes“, erklärt Professor Dr. med Reinhard W. Holl. Es habe sich zudem gezeigt, dass die Prävalenz des Diabetes doppelt so hoch lag wie bei der Allgemeinbevölkerung. „Das belegt die hohe diabetesassoziierte Sterblichkeit und verdeutlicht den erheblichen stationären Versorgungsbedarf von immer älter werdenden multimorbiden Diabetespatienten“, erklärt Holl.

Nebendiagnose Diabetes: Auswirkungen stark unterschätzt

Es wird zudem unterschätzt, dass Diabetes neben Herzinsuffizienz oder Vorhofflimmern eine der häufigsten Nebendiagnosen bei stationär behandelten Patienten ist. Das zeigt die DRG-Statistik von 2016, eine jährliche Vollerhebung aller nach Fallpauschalen abgerechneten, vollstationären Krankenhausfälle innerhalb Deutschlands. „In vielen bisher publizierten Statistiken zum Thema wird lediglich die Hauptdiagnose Diabetes aufgeführt, aber das spiegelt das reale Bild nicht wider“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Sprecher der Kommission Epidemiologie und Versorgungsforschung der DDG.

„Die Gesamtzahl der stationären Diabetespatienten wird erheblich unterschätzt, denn Patienten mit Nebendiagnose Diabetes werden in den veröffentlichten Daten oft nicht mit einbezogen. Die aktuelle Ulmer Studie zeigt, dass die reale Zahl der stationären Diabetespatienten 15 Mal höher liegt als in manchen Publikationen zu hospitalisierten Diabetespatienten in Deutschland. Ihre Versorgung im Krankenhaus ist aber genauso aufwendig, sie brauchen ebenso wie Patienten mit Hauptdiagnose Diabetes eine qualifizierte Therapie“, so Fritsche.

Analoge Berichterstattung bei Nebendiagnose COVID und bei Nebendiagnose Diabetes

Am Beispiel der COVID-Fallzahlen zeige sich, wie unterschiedlich bei der Erfassung und Berichterstattung vorgegangen werde, so der Diabetologe. Vom Robert-Koch-Institut (RKI) werde jeder im PCR Test positiv getestete hospitalisierte Patient als COVID-Fall erfasst, dabei sei ein nicht unerheblicher Teil dieser Patienten wegen einer anderen Hauptdiagnose ins Krankenhaus eingeliefert worden. Es stelle sich die Frage, warum das bei Diabetespatienten nicht ebenso gemacht wird. „Bisher berichtet das RKI bei den stationären Diabeteszahlen nur von Patienten mit einer Hauptdiagnose – dies ergibt aber ein einseitiges Bild. Ich bitte deshalb das RKI, die Berichterstattung nach den gleichen Kriterien durchzuführen, um die tatsächliche Belastung der Krankenhäuser durch stationäre Diabetespatienten zu erfassen“, sagt der Diabetologe.

Link zum Beitrag der Veröffentlichung: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33678220/. Dtsch Arztebl Int. 2021 Jun 18;118(Forthcoming): arztebl.m2021.0151. doi: 10.3238/arztebl.m2021.0151. Online ahead of print.

Link zum Beitrag beim Diabetes Kongress 2021:
Vergleich der Hauptdiagnosen bei stationären Krankenhausaufnahmen mit und ohne Diabetes: Ergebnisse aus der Fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik (DRG) – Postersitzung: T2DM-Risiko und Pathomechanismus, Diabetes Kongress, 14.05.2021. : Programm – Deutsche Diabetes Gesellschaft (diabeteskongress.de)
https://diabeteskongress.de/programm

Link zum Bericht der Nationalen Diabetes-Surveillance 2019, Diabetes in Deutschland: Diabetes in Deutschland – Bericht der Nationalen ¬Diabetes-Surveillance 2019 (rki.de)d
https://diabsurv.rki.de/SharedDocs/downloads/DE/DiabSurv/diabetesbericht2019.pdf…

Link zu weiteren Informationen: https://www.presseportal.de/pm/9377/4840896

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Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9 200 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.

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Quelle: Bettina Rackow-Freitag Pressestelle
Deutsche Diabetes Gesellschaft