Insekten und Algen als Superfood?

Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB), Potsdam, lud kürzlich zu einem online „lunch-talk“ ein. Es ging um die Frage, ob Insekten und Algen alternative Rohstoffquellen mit Zukunft sind, respektive im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung. Laut Prognosen der Vereinten Nationen (UN) werden wir im Jahr 2050 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde sein, fast zwei Milliarden mehr als heute.

Für Dr. Oliver Schlüter vom ATB steht fest, dass wir unsere derzeitigen Lebensmittel-Produktionssysteme auf den Prüfstand stellen müssen, um die wachsende Weltbevölkerung gesund ernähren zu können. Das beginne mit der Nutzung unserer Bio-Ressourcen; hier stehe die Fleischproduktion kritisch im Fokus. Alternativ sind essbare Insekten. Sie sind reich an Inhaltsstoffen, sie bieten den Vorteil mehrerer Generationszyklen im Jahr, sie haben eine hohe Futterverwertungsrate, einen deutlich geringeren Flächenbedarf und sie können prinzipiell organische Abfälle verwerten. Die Emission von Treibhausgasen ist abhängig von der Insektenart und dem Produktionsregime. Insgesamt deuten derzeitige Forschungsergebnisse darauf hin, dass bei der Produktion von Insekten weniger Treibhausgase entstehen als bei der konventionellen Schweine- oder Rinderhaltung und bei der Geflügelproduktion, wie der aktuelle Trendbericht „Fleisch der Zukunft“ des Umweltbundesamtes darlegt. Zudem ist der essbare Anteil von Insekten mit 80 bis 100 Prozent wesentlich höher im Vergleich zu konventionellen Nutztieren, so der Trendbericht.

Aber es gebe auch ein Risikopotenzial, so Schlüter: Krankheitserreger und Sporenbildner können ein mikrobiologisches Risiko darstellen, Schwermetalle und Pestizide können beispielsweise über das Futter aufgenommen werden. Dazu gibt es ein allergenes Potenzial und schließlich gilt es, invasive Arten zu vermeiden. Diese Risiken erfordern daher kontrollierte Aufzucht- und Verarbeitungsbedingungen. Bei der Verarbeitung ist dann zu entscheiden, in welcher Form das Insekt genutzt werden soll, etwa insgesamt für ein Lebensmittel oder nur bestimmte Fraktionen, wie Proteine, Lipide oder Chitin (Ballaststoff).

In einer idealen Kreislaufwirtschaft könnte die Insektenproduktion und -verarbeitung in die Kette der Lebensmittelherstellung integriert sein, so der Potsdamer Wissenschaftler. Abfälle aus Lebensmittelverarbeitung, -erzeugung und -verzehr könnten für die Insektenaufzucht genutzt werden; die Insekten gehen als Ganzes oder Nährstofflieferant in die Lebensmittelverarbeitung ein; Rückstände aus der Insektenaufzucht und Verarbeitung dienen dann zum Beispiel als natürliche Dünger in der Pflanzenproduktion. Dies alles setze freilich zunächst neue rechtliche Rahmenbedingungen voraus und geeignete Nachweise im Hinblick auf die zu gewährleistende Lebensmittelsicherheit.

Eine weitere alternative Lebensmittelressource stellen Makroalgen dar, wie zum Beispiel die Rotalge (Palmaria palmata). Sie haben eine lange Tradition in der menschlichen Ernährung, mit einem ebenso interessanten Inhaltsstoffprofil. Sie lassen sich ebenfalls kultivieren, sowohl im Meer aber auch kontrolliert an Land, unabhängig von Umweltbedingungen und saisonaler Verfügbarkeit.

Professor Tilman Grune vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DifE) beleuchtete die Thematik unter dem Aspekt „Superfood – aber wer will das essen?“ Zunächst: Superfood ist für ihn lediglich ein Marketingversprechen, das von der Ernährungswissenschaft nicht untermauert werde. Bezüglich der Insekten weist er darauf hin, dass die Nährstoffzusammensetzung sehr stark spezies- und verarbeitungsabhängig sei. Der Energiewert entspricht in etwa dem vom Fleisch, wobei es hierbei natürlich auch eine Schwankungsbreite gibt. Der Gehalt an hochwertigem Protein beträgt 35 bis 77 Prozent der Trockenmasse, der Fettgehalt liegt bei 13 bis 33 Prozent, mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Ferner sind die Mineralstoffe und Spurenelemente Kupfer, Eisen, Magnesium, Mangan, Phosphor, Selen und Zink enthalten; bei den Vitaminen sind Riboflavin, Pantothensäure, Biotin in nennenswerten Mengen enthalten.

Insgesamt also ein sehr gutes Nahrungsmittel mit wenig Kohlenhydraten, allerdings mit Chitin als Ballaststoff. Ein völliger Austausch tierischer Produkte durch Insekten birgt jedoch potenzielle Probleme, so Grune. So enthalten diese vornehmlich Omega-6-Fettsäuren; es fehlen die Omega-3-Fettsäuren. Hier könnten Algen als Meeresbewohner eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Es kommt relativ wenig Calcium vor, das wir hauptsächlich durch Milchprodukte bekommen und einige Vitamine – zum Beispiel A und B12 können problematisch sein, da wir diese in erster Linie durch Fleisch erhalten. Letztlich haben wir keine Erfahrung mit Insekten als Hauptnährstoffquelle. Die rund zwei Milliarden Menschen, die heute bereits Insekten konsumieren, nehmen diese als Zusatzkost in einer gemischten Ernährungsweise auf.

Thema Akzeptanz: Vergleicht man unseren Lebensmittelkonsum gemäß Nationaler Verzehrstudie II mit der Planetary Health Diet – einem Speiseplan, der die Gesundheit des Menschen und der Erde gleichermaßen schützen soll – so zeigt sich insbesondere, dass wir zu wenig Gemüse und Hülsenfrüchte essen und dass wir zu viel Fleisch verzehren. Aber es ist nicht so dramatisch, dass man überhaupt kein Fleisch mehr essen dürfte. Die Umweltbewusstseinsstudie (2018), eine repräsentative Bevölkerungsumfrage im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und des Umweltbundesamts (UBA), sagt aus, dass rund ein Drittel der Befragten essbaren Insekten gegenüber aufgeschlossen ist, ein Drittel ist skeptisch und ein Drittel steht dem ablehnend gegenüber. Nun komme es darauf an, so Grune, diese zwei Drittel durch attraktive Produkte zu motivieren – ganz gleich, ob es sich um essbare Insekten, pflanzenbasierte Ersatzprodukte oder in-vitro-Fleisch handle. Geschmack und Gesundheit seien die Hauptkriterien, Preis sowie einfache und schnelle Zubereitung kommen an zweiter Stelle. Den Gesundheitsaspekt alleine in den Vordergrund zu stellen, reiche gewiss nicht aus.

Quelle: Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de