Sport braucht das Land / Der Medaillenspiegel und das Übergewicht

Bewegende Gedanken von Detlef Brendel

Olympische Spiele sind eigentlich kein Wettkampf der Nationen. Die Jugend der Welt, so ihre Intention, soll sich treffen, um in den jeweiligen Sportarten die Besten zu ermitteln. Nach der Olympiade wird dann aber doch auf den Medaillenspiegel gesehen. Ernüchterung macht sich breit. Mit 37 Medaillen hat das deutsche Olympia-Team jetzt das schlechteste Ergebnis seit der Wiedervereinigung erzielt.

Das ist kein nationales Drama und die Gründe für individuell enttäuschende Ergebnisse sind vielfältig. Ein nationales Drama und ein entscheidender Grund ist dagegen die stiefmütterliche Behandlung der Bewegung in Deutschland. Es geht nicht primär um die Förderung von Spitzensport mit internationalen Ambitionen. Das Problem ist der grundsätzlich mangelhafte Breitensport, wie auch die Verbände betonen. Wir sind, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, eine zunehmend inaktive Gesellschaft. Dieser Lebensstil zeigt Auswirkungen. Ohne Nachwuchs an der Basis werden die Talente an der Spitze geringer. Die besorgniserregende Konsequenz sind allerdings nicht die Medaillen. Sie sind nur ein Indikator. Die gesundheitlichen Konsequenzen sind Kinder und Jugendliche mit Übergewicht, mit Haltungsschäden und abnehmenden motorischen Fähigkeiten. Orthopäden warnen vor den Langzeitfolgen und das Robert Koch-Institut legt mit seiner KiGGS-Studie Daten vor, dass der steigende Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen dramatisch ist.

In der Medienberichterstattung, der öffentlichen Wahrnehmung und nicht zuletzt in der politischen Diskussion werden der Zucker in Schokolade und Müsli verantwortlich für die Fehlentwicklung beim Gewicht gemacht und die Lösung in Reduktion und Strafsteuern gesehen. Die Diskussion über den inaktiven Lebensstil wird gezielt ausgeklammert. Sehr prominent macht das Foodwatch, eine Organisation die angeblich das Essen und nicht die Menschen retten will. Das Wirtschaftsunternehmen lügt im Interesse der Geldakquisition ganz bewusst. Die vorliegenden Zahlen zum Bewegungsmangel werden geleugnet und es wird sogar behauptet, bei den deutschen Erwachsenen sei der Energieumsatz nicht geringer als bei den Bauern in Entwicklungsländern. Hybris statt Faktenorientierung.

Bewegung und Sport müssen wieder zu einem Trendthema werden. Statt Spielkonsole Sportplatz. Mannschaft statt Einzelkampf am Rechner. Die Realität ist ernüchternd. An den Grundschulen müssen fachfremde Lehrer Sport unterrichten. Die Vereine kämpfen darum, Nachwuchstalente zu finden. Breitensport ist nicht nur gesund, sondern ist auch die Voraussetzung für Spitzensport. Dringend notwendig sind eine grundsätzliche Lebensstil-Diskussion, Aufklärung und Motivation. Wir diskutieren über zehn Prozent Zucker-Reduktion und alle bleiben sitzen. Vielleicht sind wir in einigen Jahren führend beim E-Sport, wenn die Athleten dann mit dem Rollator zur Konsole gehen.