Know-how und Vielfalt bei Fleischalternativen steigen

Eine Reduktion des Fleischkonsums gewinnt zunehmend an Bedeutung. Persönliche Motive sind vor allem Klimaschutz, Tierwohl sowie gesundheitliche Aspekte.

Der Leiter des Instituts für Lebensmitteltechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien, Univ.-Prof. Dr. Ing. Henry Jäger, rät einerseits, mehr Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen sowie Erbsen zu essen, und sieht andererseits großes Potenzial bei den verschiedenen Fleischersatzprodukten. Deren Proteingehalt ist abhängig vom Rohstoff sehr variabel, weswegen sich ein Blick auf die Nährwerttabelle lohnt. Denn gerade bei pflanzenbetonter Kost ist darauf zu achten, die empfohlene Tagesmenge von 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu erreichen. Das entspricht 56 Gramm bei einem 70 Kilogramm schweren Menschen.

Im Gespräch mit Elisabeth Sperr, MSc., wissenschaftliche Mitarbeiterin beim forum. ernährung heute (f.eh), spricht Henry Jäger über die Eigenschaften diverser Ersatzprodukte, deren Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie Effekte einer schulischen Ernährungsbildung. Die Veranstaltung kann auf der Seite forum-ernaehrung.at/live-im-talk nachgesehen werden.

Fleischersatzprodukte sollen Fleisch und dessen sensorischen Eigenschaften, Geschmack oder Mundgefühl imitieren. Sie werden meist aus Soja, Lupinen und Erbsen hergestellt. Der Marktanteil der Ersatzprodukte beträgt gegenüber konventionellem Fleisch aktuell zwar nur 1 Prozent, wächst jedoch stetig. Zusätzlich gefördert wird diese Entwicklung durch eine steigende Vielfalt an unterschiedlichen Rohstoffen und Produkten sowie einer zunehmenden Ähnlichkeit mit Fleisch, weshalb immer mehr Menschen zu dieser Alternative greifen.

Barrieren abbauen und Anreize setzen

Damit Fleischalternativen stärker angenommen werden, sind jedoch bestehende Barrieren abzubauen. So ist der Preis im Vergleich mit Fleisch und Fleischprodukten für viele Menschen zu hoch. Hier rechnet Henry Jäger durch künftig höhere Standards in der Tierhaltung und der Verarbeitung mit steigenden Fleischpreisen, während jene für Fleischersatzprodukte durch eine effizientere Herstellung sinken werden. Daher wird dieser Faktor an Bedeutung verlieren, so der Experte.

Zum Abbau einer weiteren Barriere, dem fehlenden Wissen über die Zubereitung, empfiehlt der Experte einen Ausbau der Ernährungs- und Verbraucherbildung vor allem in Kindergärten und Schulen, um bereits in frühen Jahren eine Experimentierfreude und ein entsprechendes Bewusstsein zu entwickeln. So können die Kinder und Jugendlichen bereits früh an eine pflanzenbetonte Kost herangeführt werden, was langfristig zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem beiträgt. Auch für Erwachsene sollten Informationsangebote geschaffen werden, über die Rezepte und Zubereitungsmöglichkeiten vermittelt werden.

Die weitaus größte Barriere sind jedoch Textur und Geschmack. Bei Faschiertem und Burgerpatties kann Fleisch vor allem bei Mundgefühl und Kauverhalten bereits gut imitiert werden und wird von den Konsumenten auch angenommen. Bei größeren Stücken gibt es allerdings noch Optimierungspotenzial, um eine fleischähnliche faserige Textur zu erhalten, die den Konsumentenvorstellungen entspricht. Für den Geschmack wird zuerst der Eigengeschmack der Rohstoffe – etwa von Hülsenfrüchten – entfernt, anschließend wird mit Gewürzen ein fleischähnlicher Geschmack erzeugt. Da Zutaten und Nährwerte stark schwanken können, empfiehlt Henry Jäger, die Produkte stets anhand der Lebensmittelkennzeichnung zu vergleichen.

Fortschritte bei Entwicklung

Momentan kann von drei Formen von Fleischersatzprodukten gesprochen werden: Fleisch nachempfundene Ersatzprodukte auf pflanzlicher Basis (z.B. Lupine, Soja, Erbsen), Blend-Produkte (Kombinationen aus tierischem und pflanzlichem Eiweiß) sowie im Labor mittels Zellkulturen künstlich erzeugtes In-Vitro-Fleisch (Cultured Meat). Eine gesetzliche Kategorisierung gibt es bis dato jedoch nicht.

Die Produkte befinden sich jeweils in unterschiedlichen Entwicklungsphasen, vor allem bei Cultured Meat gibt es aktuell jedoch Fortschritte: Dieses kann mit Muskelzellen, die auf essbaren Pflanzenproteinen aufgebaut und mit Fett- und Bindegewebszellen angereichert werden, hergestellt und mittels 3D-Drucker geformt werden. Vor allem in Israel und den USA ist bereits in den nächsten Jahren mit ersten größeren Cultured-Meat-Fleischstücken am Markt zu rechnen. In Europa wird sich die Vermarktung noch verzögern, da vor der Zulassung erst ein Sicherheitsbewertungsverfahren initiiert werden muss.

Details zu den unterschiedlichen Ersatzprodukten gibt es im aktuellen Heft 03/21 von ernährung heute. Das Heft wird auf Anfrage an presse@forum-ernaehrung.at gerne als pdf-Version zur Verfügung gestellt.

Quelle: forum. ernährung heute