Wir müssen die Lebensmittelproduktion überdenken, um die Landwirtschaft bis 2050 zu dekarbonisieren

In den nächsten 30 Jahren wird die Weltbevölkerung von 7 Milliarden auf etwa 9 Milliarden Menschen anwachsen. Der Gedanke, weitere 2 Milliarden Menschen zu ernähren, ist entmutigend.

Dazu käme eine weitere Herausforderung: gleichzeitig die Treibhausgasemissionen auf Null zu senken. Scheinbar unmöglich. Doch genau das muss bis 2050 geschehen, wenn wir die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius halten und die von Wissenschaftlern vorhergesagten schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels vermeiden wollen. In unserem Buch The Decarbonization Imperative: Transforming the Global Economy by 2050 untersuchen wir die vielversprechendsten Technologien zur Dekarbonisierung kritischer Industriesektoren. Für die Landwirtschaft besteht die einzige Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, darin, die Lebensmittel, die wir produzieren und konsumieren, radikal zu überdenken.

Lassen Sie uns mit den Fakten beginnen. Der Sektor Landwirtschaft und Landnutzung ist für fast ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Hauptverursacher sind Methan und Lachgas (Distickstoffmonoxid), starke Treibhausgase, die zusammen mehr als 80 % der landwirtschaftlichen Emissionen ausmachen. Während das Hauptaugenmerk bei der Eindämmung des Klimawandels auf Kohlendioxid lag, machen Methan und Lachgas 22 % der weltweiten Treibhausgasemissionen aus und haben ein höheres Treibhauspotenzial als Kohlendioxid.

Die Hauptquelle für Methan in der Landwirtschaft ist das Vieh.

Als Nebenprodukt der Verdauung wird das Gas durch Aufstoßen und Langzeitlagerung von Gülle in die Luft freigesetzt. Zu den Bemühungen, die Methanproduktion bei Rindern zu verringern, gehören Futtermittelzusätze, Probiotika und genetische Züchtung. Diese Maßnahmen könnten den Methanausstoß um 25 bis 80 % reduzieren. Die Methanabscheidung ist nicht neu, aber Versorgungsunternehmen wie Dominion Energy führen Pilotprojekte durch, bei denen anaerobe Fermenter eingesetzt werden, um Methan als Energiequelle für Wärme und Strom zu nutzen und Erdgas zu ersetzen. Diese neuen Ansätze sind ermutigend, würden aber die Rindfleisch- und Milchproduktion nicht vollständig dekarbonisieren.

Was wäre, wenn wir die Kuh aus der Gleichung streichen würden?

Pflanzliche Proteine sind in den Supermärkten auf dem Vormarsch. Einst eine Neuheit, verdrängen alternative Milchsorten immer mehr Milchprodukte aus den Regalen. Rindfleisch auf pflanzlicher Basis findet sich bereits auf den Speisekarten von Restaurants und in den Kühlregalen großer Einzelhändler. Für diejenigen, die nicht davon überzeugt sind, dass diese Alternativen wie Rindfleisch schmecken, haben Wissenschaftler eine Möglichkeit gefunden, Rindfleischstücke mit Hilfe von Zelllinien zu produzieren. Diese als „sauberes Fleisch“ bezeichnete Option führt nicht nur zur Vermeidung von Methanemissionen, sondern trägt auch dem Tierschutz Rechnung und macht Weideland frei, das in Kohlenstoffsenken umgewandelt werden kann.

Falsche Bodenbewirtschaftung führt zu Stickoxidemissionen, die auf Stickstoffdünger zurückzuführen sind.

Seit mehr als einem Jahrhundert konzentriert sich die Landwirtschaft auf die Steigerung der Ernteerträge auf Kosten der langfristigen Nachhaltigkeit der Böden. Einem UN-Bericht zufolge sind 40 % der landwirtschaftlich genutzten Böden weltweit beeinträchtigt, und 70 % des für das Pflanzenwachstum wichtigen Mutterbodens sind verschwunden. Das flächendeckende Ausbringen von Stickstoffdüngern auf die Felder sowie die Monokulturen und die Ackerbauweise sind die Hauptursache für Lachgasemissionen. Die Verringerung von Lachgas kann durch den Zeitpunkt, die Menge und die Ausbringung von Stickstoffdüngern erreicht werden. Das Aufkommen der künstlichen Intelligenz in der Landwirtschaft ermöglicht eine präzisere Pflanzenbewirtschaftung. In Verbindung mit regenerativen Anbaumethoden (z. B. Direktsaat, Deckfrüchte) könnten solche Ansätze die Emissionen erheblich reduzieren.

Es gibt einige interessante neue Technologien, die zu einer kohlenstofffreien Landwirtschaft führen könnten. Eine davon ist die vertikale Landwirtschaft in Innenräumen, bei der Pflanzen in einer streng kontrollierten hydroponischen Umgebung angebaut werden, wodurch die Bodenbewirtschaftung gänzlich entfällt und der Wasserverbrauch um 95 % reduziert wird. Die vertikale Landwirtschaft bringt die Lebensmittel in die Gemeinschaft, was eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich bringt, und könnte derzeitige Anbauflächen für die Umwandlung in Kohlenstoffsenken wie Wälder freimachen. Ein weiteres Beispiel ist die Genbearbeitung. Dabei geht es nicht um die umstrittenen GVO der 1990er Jahre, sondern um die Wissenschaft, bei der die ursprüngliche DNA der Pflanze geringfügig verändert wird, um die Expression eines Gens zu verändern, was in der Natur normalerweise mit der Zeit geschieht. Genom-Editierung könnte die Ernteerträge und die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen erhöhen, was in einer sich erwärmenden Umwelt von entscheidender Bedeutung ist, und sogar Pflanzen so entwickeln, dass sie ihren eigenen Stickstoff produzieren.

Die Lebensmittelindustrie ist eine stark demokratisierte Branche, die von der Wahl der Verbraucher angetrieben wird. Bio, antibiotikafrei, Farm to Table – all diese Trends entstanden als Reaktion auf die Nachfrage. Um den Wandel in der Landwirtschaft zu beschleunigen, der für die Dekarbonisierung bis 2050 erforderlich ist, müssen wir unser Ernährungsverständnis und letztlich auch unser Verhalten deutlich ändern. Wir müssen die industrielle Lebensmittelproduktion neu überdenken, damit wir sie nachhaltig skalieren können. Dies erfordert Zeit, Bildung, Investitionen und vor allem das Engagement für ein höheres Wohl. Was kann schon heute gemacht werden? Als Verbraucher können Sie nach Alternativen suchen und Ihren Konsum durch eine nachhaltige, kohlenstofffreie Linse betrachten. Wir alle haben die Kaufkraft, um Veränderungen in dieser Branche zu bewirken. Und damit können wir vielleicht helfen, den Planeten zu retten und die Welt zu ernähren.

Autoren: Prof. Michael Lenox und Rebecca Duff, Darden School of Business

Professor Michael Lenox ist Taylor Murphy Professor für Betriebswirtschaftslehre und Senior Associate Dean und Chief Strategy Officer an der Darden School of Business der University of Virginia. Er ist Mitautor der Bücher The Decarbonization Imperative und Can Business Save the Earth? Seine Arbeit wurde von der New York Times, der Financial Times und dem Economist zitiert. Er wurde vom Aspen Institute als Faculty Pioneer, von der Strategic Management Society als Top-Strategieprofessor unter 40 und von Poets & Quants als einer der Top 40 Wirtschaftsprofessoren unter 40 ausgezeichnet.

Rebecca Duff ist Mitverfasserin des Buches The Decarbonization Imperative und leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin am Batten-Institut an der Darden School of Business der Universität von Virginia. Sie ist außerdem Geschäftsführerin der Business Innovation and Climate Change Initiative des Instituts.

Medienkontakt:
Ida Junker – Agentur: PPOOL
E-mail: ida.junker@ppool.eu

Quelle: PPOOL