Schlankheitspillen, Gelenkkapseln: Verbraucher:innen geben jährlich mehr als zwei Milliarden Euro für Nahrungsergänzungsmittel aus. Dabei sind die meisten überflüssig, andere mitunter sogar gefährlich.
Das Wichtigste in Kürze:
- Viele Verbraucher:innen glauben an die gesundheitsförderliche Wirkung und amtlich geprüfte Sicherheit von Nahrungsergänzungsmitteln.
- Tatsächlich werden diese Produkte vor ihrer Markteinführung von Behörden weder auf Wirksamkeit noch auf Sicherheit geprüft.
- Mit dem Internetangebot Klartext Nahrungsergänzung bringen die Verbraucherzentralen seit 2017 mehr Klarheit in den unübersichtlichen Markt von Nahrungsergänzungsmitteln und verfolgen Beschwerden der Nutzer:innen.
Der weitaus größte Teil der Bevölkerung ist heute mit Nährstoffen ausreichend versorgt. Trotzdem nimmt in Deutschland jede:r Zweite Vitamine in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ein, mehr als Drittel sogar jede Woche, so der aktuelle Verbrauchermonitor des Bundesinstituts für Risikobewertung. Die Werbung – aber auch Blogs und Social-Media-Posts – überschlagen sich mit wohlklingenden Versprechen, wonach uns Vitamine, Mineralstoffe oder exotische Pflanzenstoffe zu einem gesünderen Leben verhelfen.
Davon verunsichert kaufen Verbraucher:innen häufig vorsorglich Nahrungsergänzungsmittel, erhalten aber immer noch zu wenig verlässliche Informationen über die Produkte und unterschätzen daher mögliche Risiken. Zwei Missverständnisse sind besonders weit verbreitet. Das zeigt die repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentralen:
1. Positive Wirkungen Fehlanzeige
Die Mehrheit (51 Prozent) der 1.001 Befragten hält Nahrungsergänzungsmittel für gesundheitsförderlich. Das ist sicherlich auch den vielen wohlklingenden gesundheitsbezogenen Werbeaussagen zuzuschreiben. 35 Prozent halten sie für schädlich. Tatsächlich sind die meisten Pillen und Pulver schlicht wirkungslos für Menschen, die sich normal ernähren, also keinen Mangel an bestimmten Nährstoffen haben. Bei Vorerkrankungen, durch Wechselwirkungen mit Medikamenten oder bei zu hoher Dosierung einzelner Inhaltsstoffe können zahlreiche Produkte aber auch schaden.
2. Wirksamkeit und Sicherheit nicht geprüft
Dass Nahrungsergänzungsmittel staatlich auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft werden, glauben 47 Prozent der Befragten. Dabei liegen die 44 Prozent richtig, die nicht daran glauben: Nahrungsergänzungsmittel sind in Deutschland (und in der EU) gesetzlich definiert als Nährstoffe in konzentrierter Form, zum Beispiel in Kapseln oder Tabletten, die nur dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Eine Zulassung wie bei Arzneimitteln gibt es nicht. Die Produkte werden auch nicht auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit sowie die Richtigkeit der Werbeaussagen hin überprüft. Dafür ist ganz alleine der Hersteller verantwortlich. Wir haben in einem Artikel zusammengetragen, welche Vorschriften für Nahrungsergänzungsmittel genau gelten.
Dass Nahrungsergänzungsmittel generell sicher sind und die Gesundheit fördern, ist also ein Märchen. Besonders die Verbraucher:innen, die solche Produkte kaufen, vertrauen aber genau darauf. Laut der Umfrage glauben 83 Prozent der Käufer:innen von Nahrungsergänzungsmitteln an einen positiven Effekt und 55 Prozent daran, dass die Produkte staatlich geprüft worden sind.
Unser Internetangebot Klartext Nahrungsergänzung setzt an dieser Stelle an und bringt mehr Klarheit in den unübersichtlichen Markt. Hier finden Sie Informationen über Risiken und mögliche Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln, über Fake-Rezensionen und Krankenkassenerstattung erfahren viel Wissenswertes z.B. zur Herstellung oder über Bio-Produkte und bekommen Antworten auf Fragen oder können sich auch beschweren. Ein Kernstück sind die aktuellen Verbraucherwarnungen, die über gefährliche bzw. von den Herstellern zurückgerufene Nahrungsergänzungsmittel informieren.
Und natürlich gibt es auch (gesunde) Personengruppen, für die Nahrungsergänzungsmittel wichtig sind. Welche genau das sind, erfahren Sie in unseren Zielgruppen-Texten.
Wenn Sie sich fragen, ob Sie ein Nahrungsergänzungsmittel kaufen und einnehmen sollten:
Sprechen Sie zunächst mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Sie können prüfen, ob Sie tatsächlich mit Nährstoffen unterversorgt sind. Er kennt Ihre Vorerkrankungen, weiß welche Medikamente Sie einnehmen und kann mögliche Wechselwirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln mit diesen Medikamenten berücksichtigen.
Denken Sie über Alternativen nach. Bei einer Nährstoffunterversorgung reicht es oft, die eigenen Gewohnheiten umzustellen. Statt Kapseln hilft mitunter eine veränderte Ernährung. Unsere Tipps unter jedem Nährstoff helfen Ihnen weiter, hier z.B. bei Vitamin B6.
Informieren Sie sich bei unabhängigen Stellen. Eine Suchfunktion für Inhaltsstoffe finden Sie in unserem Internetangebot. Wichtige Informationen gibt es auch beim Bundesinstitut für Risikobewertung und beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Achten Sie auf die empfohlene maximale Tagesdosis. Hersteller müssen bei Nahrungsergänzungsmitteln die pro Tag empfohlene Portion angeben und darauf hinweisen, dass sie nicht überschritten werden darf. Eine zu hohe Menge von Vitamin D – beispielsweise durch mehrere Nahrungsergänzungsmittel gleichzeitig – kann zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit führen, im schlimmsten Fall sogar zu Nierenverkalkung und Nierensteinen.
Vorsicht vor zu hoch dosierten Inhaltsstoffen. Der Marktcheck der Verbraucherzentralen über magnesiumhaltige Nahrungsergänzungsmittel aus dem Dezember 2020 zeigt, dass auch vier Jahre nach der Wiederholung des ersten Marktchecks (2016) immer noch 57 Prozent der untersuchten Produkte zu entsprechend den Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung zu hoch dosiert sind (> 250 mg/Tag). Je nach Magnesiumdosis kann es dadurch schnell zu Nebenwirkungen wie Durchfall und Erbrechen kommen. Viele der Produkte enthalten außerdem Vitamine und Mineralstoffe in zu hohen Dosierungen oder ungünstigen Kombinationen. Außerdem findet man vor allem bei im Internet vertriebenen Produkte Werbung mit nicht zugelassenen Gesundheitsaussagen.
Hinterfragen Sie Werbeversprechen und Lob zu bestimmten Produkten in Internetforen. Verzichten Sie auch auf den Kauf von Produkten, wenn auf vermeintlichen , meist aber von Anbieterinteressen gesteuerten oder werbefinanzierten Info-Seiten behauptet wird, dass unsere Nahrung und die Böden nicht mehr ausreichend Nährstoffe enthielten. Oder: Mit einer abwechslungsreichen Ernährung sei es nicht möglich, eine ausreichende Nährstoffversorgung zu gewährleisten. Diese Angaben sind falsch und deswegen verboten! Erfahren Sie, welchen Studien man vertrauen kann.
Vorsicht bei Bestellungen aus dem Ausland. Was dort als Nahrungsergänzungsmittel gilt, wird aufgrund nicht erlaubter Zutaten oder einer zu hohen Dosierung einzelner Inhaltsstoffe in Deutschland unter Umständen als Arzneimittel eingestuft. Da ein Import von Medikamenten aus dem Nicht-EU-Ausland (auch aus Großbritannien) verboten ist, gibt der Zoll die Produkte nicht frei – und Sie erhalten die bestellte und bezahlte Ware nicht. Besonders betroffen davon sind Schlankheitsmittel, angeblich rein natürliche Potenzmittel und viele Nahrungsergänzungen für Sportler. Im schlimmsten Fall kann sogar eine Strafanzeige wegen Imports illegaler Arzneimittel drohen. Davon ganz abgesehen sind viele dieser Produkte gefährlich für die Gesundheit.
Weiter helfen Ihnen auch unsere Checklisten:
Quelle: Verbraucherzentrale Bremen