59. Wissenschaftlicher DGE-Kongress: Ein Resümee aus Potsdam

Ihren diesjährigen Kongress richtete die DGE gemeinsam mit dem Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Potsdam und dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) aus.

Die Tagung fand vom 16. bis zum 18. März 2022 zum Thema „Der Kopf isst mit – Zusammenspiel von Ernährung und Gehirn“ online statt. Die knapp 860 Teilnehmenden beleuchteten den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand neben drei hochkarätig besetzten Plenarvorträgen in unterschiedlichen Formaten aus interdisziplinären Blickwinkeln.

DGE-Präsident Prof. Dr. Jakob Linseisen betonte in seiner Eröffnung die Bedeutung des Kongresses für den wissenschaftlichen Diskurs. Insbesondere das Thema Neurowissenschaften sei eines der wichtigsten Forschungsfelder der letzten Dekade. Die Frage, welche Ernährungsfaktoren Einfluss nehmen könnten auf neuronale Funktionen, müsse bearbeitet werden. Er bedankte sich bei Prof. Dr. André Kleinridders vom Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Potsdam und Prof. Dr. Tilmann Grune vom DIfE für die Wissenschaftliche Leitung. Die brandenburgische Wissenschafts- und Forschungsministerin Dr. Manja Schüle bekräftigte in ihren Grußworten, dass Ernährung ein Querschnittsthema in allen Politikfeldern werden soll. Der Präsident der Universität Potsdam, Prof. Oliver Günther, verwies zudem auf die hohe Dichte an Wissenschaftler*innen und exzellenten außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Potsdam, insbesondere in diesem Forschungsfeld.

Interdisziplinäre Plenarvorträge

Prof. Dr. Jens C. Brüning vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln erläuterte die zentralnervöse Rolle des Stoffwechsels. Er stellte einen neuronalen Schaltkreis im Hypothalamus vor, bei dem hochspezialisierte Nervenzellen die Nahrungsaufnahme durch spezifische Neuropeptide regulieren. Weitere Forschungsarbeiten zu diesen neuronalen Signalwegen können neue Therapieansätze für Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 begründen.

Einen psychologischen Blickwinkel wählte Prof. Dr. Soyoung Q Park vom DIfE. Ihr Vortrag handelte von Mechanismen menschlicher Entscheidungen. Sie zeigte nicht nur auf, wie Vorstellungen beeinflusst werden, sondern auch, dass sie bereits zu metabolischen Antworten führen. Sich Lebensmittel nur vorzustellen, könne z. B. Hormonausschüttung, veränderte Blutzuckerniveaus und Geschmackswahrnehmung bewirken. Prof. Dr. Kristina Norman vom DIfE ging in ihrem Plenarvortrag aus klinischer Sicht auf die Bedeutung der Anorexie im Alter ein. Sie schilderte, dass Altern mit einer Verringerung des Appetits einhergeht und wie Anorexie eine Kaskade in Gang setzt, die sich über Gewichtsverlust, Muskelatrophie bzw. Sarkopenie über Frailty auf das Mortalitätsrisiko auswirkt.

Vortragsreihen und Minisymposien

69 Vorträge und 97 Posterpräsentationen ergänzten die Plenarvorträge. Zudem konnten sich die Teilnehmenden in verschiedene Minisymposien der DGE-Fachgruppen einwählen: Beispielsweise in das Minisymposium Ernährungsverhaltensforschung mit dem Thema Nachhaltigkeit. Laut Prof. Dr. Ingrid Hoffmann vom Max Rubner-Institut in Karlsruhe gibt es trotz gutem System- und Zielwissen noch zu viele Fragen, wie nachhaltige Handlungswege zukünftig konkret in der Praxis aussehen sollen. In weiteren Beiträgen wurden dazu verschiedene Erkenntnisse vorgestellt u. a. eine Studie zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen aus dem SMARTACT Forschungsprojekt. Prof. Dr. Britta Renner, Universität Konstanz, zeigte auf, dass insbesondere die Ernährungsumgebung einen starken Einfluss auf die Lebensmittelverschwendung hat.

Im ersten Teil des Minisymposiums „Hat Fleisch Zukunft?“ erläuterte Prof. Dr. Sabine Rohrmann von der Universität Zürich den Fleischverzehr aus epidemiologischer Sicht, während Dr. Marco Springmann von der Universität Oxford die positiven Aspekte des Fleischverzichts unter Nachhaltigkeitsaspekten unterstrich. Im zweiten Teil erklärte Prof. Dr. Petra Kluger, Reutlingen, wie Laborfleisch entsteht. Detlef May, Geschäftsführer der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung e. V. in Groß Kreutz, begegnete der Frage aus praktischer Sicht und berichtete von den Schwierigkeiten durch die emotional aufgeladene Stigmatisierung von Fleisch.

Am letzten Kongresstag betonte Prof. Dr. Grune in seinem Fazit, wie durch die Vielfalt der Beiträge die Interdisziplinarität der ernährungswissenschaftlichen Forschung unterstrichen wurde. Prof. Dr. Kleinridders sagte in seinem Resümee, dass es ihn sehr gefreut habe, dass der Kongressschwerpunkt auch in die Minisymposien durchgedrungen sei und viele Erkenntnisse über Ernährung, Psyche und emotionales Verhalten vorgestellt worden seien.

Zum Abschluss wurden insgesamt zwölf Posterpreise verliehen. In seinen Schlussworten beglückwünschte Prof. Dr. Linseisen die Posterpreisträger*innen und würdigte die Nachwuchswissenschaftler*innen. Nach seinen Dankesworten verwies er auf die Bonner Ernährungstage am 31. August und 1. September 2022 mit dem Wissenschaftlichen Symposium der DGE am ersten Tag zum Thema „Personalisierte Ernährung“. Der 60. DGE-Kongress findet im März 2023 statt.

Für die Teilnehmenden des DGE-Kongresses stehen die Aufnahmen ausgewählter Beiträge noch bis zum 15. April 2022 online auf der Kongress-Plattform zur Verfügung.

Quelle: DGE