MISEREOR zu wahren Kosten von Lebensmitteln

In einem heute veröffentlichten Positionspapier gibt MISEREOR Empfehlungen, wie eine Bilanzierung der sogenannten Wahren Kosten im Agrar- und Lebensmittelsektor aussehen kann. Diese würde Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette in die Pflicht nehmen – statt die Verbraucherinnen und Verbraucher.

„Angesichts weiterhin prekärer Bedingungen in der Landwirtschaft, insbesondere im Globalen Süden und rasant wachsender Umweltzerstörung begrüßen wir, dass die neue Bundesregierung die Rechnungslegungsstandards anpassen möchte. Das wäre ein wichtiger Baustein für den dringend notwendigen Strukturwandel hin zu einer ökologischen und sozialen Land- und Ernährungswirtschaft“, erklärt Markus Wolter, Agrarexperte bei MISEREOR.

Im Koalitionsvertrag sei als Ziel festgelegt worden, dass ökologische und gegebenenfalls soziale Werte in das bestehende Bilanzierungsmodell integriert werden sollen. „Damit das gelingt, sind Hebel notwendig, die auf Unternehmensseite wirksam werden“, so Wolter weiter. „Jahrzehntelang hat die Politik die Verantwortung für eine nachhaltigere Land- und Ernährungswirtschaft auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abgewälzt.“ Das zeige bislang nicht die erhoffte Wirkung.

„Unternehmen und Landwirt*innen, die nachhaltiger wirtschaften, bleiben in der Nische“, kritisiert der Agrarexperte. Der Preisunterschied zu Produkten mit hohen ökologischen und sozialen Kosten, die sich aber nicht im Endpreis wiederfinden, sei zu hoch und setze damit falsche Kaufanreize. Eine Bilanzierung der „Wahren Kosten“, das sogenannte True Cost Accounting, würde dieses Problem angehen und korrigieren.

Soziale und ökologische Leistungen müssen positiv zu Buche schlagen

MISEREOR fordert deshalb eine Reform der bisher gängigen Unternehmensbilanzierung im Agrar- und Lebensmittelsektor und macht konkrete Vorschläge, wie diese gelingen kann. „Eine um ökologische und soziale Indikatoren erweiterte Rechnungslegung ist ein konkreter Ansatz, um zu einer in die Zukunft gerichteten Wirtschaftsweise zu gelangen. Sie würde zum Beispiel die Kosten für die Verschmutzung von Wasser berücksichtigen“, so Wolter. Zudem würden bestimmte Leistungen von Landwirt*innen wie Maßnahmen der Bodenverbesserung positiv zu Buche schlagen. Parallel zu einer solchen Bilanzreform müsse eine Unternehmenssteuerreform angegangen werden, damit es zu Steuerentlastungen für Unternehmen kommt, die mit ihrem Wirtschaften gleichzeitig auch ökologische und soziale Leistungen erbringen.

Marktversagen, das korrigiert werden muss

Die Erzeugung von Agrarprodukten erfolgt aktuell in erheblichem Umfang auf Kosten anderer: zukünftiger Generationen, Bäuerinnen und Bauern und der Umwelt – vor allem geht sie zu Lasten von Menschen im Globalen Süden, die in immer größerem Ausmaß unter den Folgen des Klimawandels leiden. „Die Landwirtschaft ist dabei der einzige Wirtschaftssektor, bei dem die Ausgaben durch produktionsbedingte Umweltschäden die Einnahmen bei weitem übersteigen“, beschreibt Wolter die Hintergründe. So sind allein die externen/ausgelagerten Umweltkosten der deutschen Landwirtschaft mehr als viermal so hoch wie ihre Wertschöpfung.

Momentan müssen Verursacher*innen von Schäden in der landwirtschaftlichen Produktion nicht dafür aufkommen, dass sie globale Gemeingüter wie Wasser, Luft und Boden mit ihrer Wirtschafts- und Produktionsweise belasten und damit Ausbeutung von Menschen und der Erde vorantreiben. Wolter erklärt: „Die Preise, die wir alle an der Supermarktkasse zahlen, bilden nicht die Wahren Kosten der Produktion ab. Das ist ein Marktversagen, das endlich korrigiert werden muss!“

MISEREOR ist Mitglied der „True Cost Initiative“. Ihr gehören aktuell zwölf Mitglieder an –Unternehmen, eine nachhaltige Bank und als zivilgesellschaftliche Organisation MISEREOR. Ihr Ziel ist es, mit einer neuen Form der Rechnungslegung die wahren Kosten der Herstellung von landwirtschaftlichen Produkten sichtbar, messbar und damit vergleichbar zu machen.

Das MISEREOR-Positionspapier „Wahre Kosten“ und weitere Materialien

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Quelle: MISEREOR