Welche Aufgabe hat der Biofaktor Vitamin B1 im Nervensystem?

Vitamin B1, bzw Thiamin kann als „Nervenvitamin“ bezeichnet werden. Es spielt als Coenzym bei zahlreichen Reaktionen des Kohlenhydratstoffwechsels eine wichtige Rolle.

Da die Energiegewinnung in den Nervenzellen insbesondere auf einen Glukoseabbau angewiesen ist, benötigen Gehirn und Nervenzellen ausreichend Energie aus Kohlenhydraten. Und für diese Energiegewinnung benötigt der Körper wiederum Thiamin. Daher ist ein optimaler Thiaminstatus für ein gesundes und funktionierendes Nervensystem von großer Relevanz.

Vitamin B1 – der Biofaktor für Nerven und Gehirn

Im subklinischen Vitamin-B1-Mangel kann es anfangs zu unspezifischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Konzentrations- und Leistungseinbußen, Stimmungsschwankungen und Muskelschwäche kommen. Da der Biofaktor nur über eine geringe Speicherfähigkeit verfügt, kann sich ohne Ausgleich schnell ein manifester Mangel entwickeln. Neben kardiovaskulären Störungen und Magen-Darm-Beschwerden sind Symptome im peripheren und zentralen Nervensystem typisch.

„Im peripheren Nervensystem gehört die Entwicklung einer Polyneuropathie mit Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühl, vor allem an den Füßen, sowie neuropathischen Schmerzen zu den typischen Beschwerden“, warnt Prof. Karlheinz Reiners, Neurologe und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Gesellschaft für Biofaktoren (GfB). Ein besonders hohes Neuropathie-Risiko haben Diabetiker, bei denen es im Thiaminmangel zu einer diabetischen Neuropathie mit der Entstehung eines diabetischen Fußsyndroms kommen kann.1 Verantwortlich für den Mangel mit Thiamin-Plasmaspiegeln um bis zu 75 % geringer als bei Gesunden ist der erhöhte Vitamin-B1-Bedarf des Diabetikers und die erhöhte Ausscheidung des Biofaktors über die Nieren.2 Auch unter Alkoholabusus steigt der Thiaminbedarf, was in der Folge bei den Betroffenen zu einer alkoholischen Neuropathie führen kann.

Welche Auswirkungen hat ein Vitamin-B1-Defizit auf das zentrale Nervensystem?

  • toxische Kleinhirnzellschädigung ® Ataxie
  • toxische Mittelhirnschädigung:  Wernicke-Enzephalopathie: Pupillenstörungen, Nystagmus, Augenmuskellähmung, und Ataxie, oft als Wernicke-Korsakow-Syndrom in Verbindung mit einer
  • Neurotransmitterstörung: Korsakow-Syndrom: retrograde und anterograde Amnesie, Adynamie, Konfabulationen, Suggestibilität, Antriebsarmut und schnelle Ermüdbarkeit, Euphorie und abnorme Stimmungsschwankungen
  • Schädigung kortikaler und limbischer Neurone: (Alzheimer-) Demenz

Warum sich das lipidlösliche Benfotiamin bewährt hat

Ein labordiagnostisch nachgewiesener Vitamin-B1-, bzw. Thiaminmangel sollte möglichst rasch durch Supplemente ausgeglichen werden. Der Biofaktor wird über zwei verschiedene Wege resorbiert: 5 bis 10 mg Thiamin werden pro Tag über einen aktiven Prozess mit Hilfe eines Thiamintransporters aufgenommen, während bei höherer Dosis eine passive Diffusion als Resorptionsweg zur Verfügung steht. Über diesen Weg können allerdings deutlich geringe Mengen resorbiert werden. Aus diesem Grund wird das wasserlösliche Thiamin häufig durch Benfotiamin ersetzt, eine lipidlösliche Vorstufe mit 5-fach höherer Bioverfügbarkeit.3,4 Benfotiamin gelangt auch ohne Thiamintransporter ins Blut und von dort weiter in die Zellen der Zielorgane. Dieser Wirkmechanismus ist insbesondere bei der diabetischen Neuropathie gut dokumentiert.

„Durch Benfotiamin kann ein nervenschädigender Thiaminmangel zuverlässig ausgeglichen und es können über eine Aktivierung der Thiamin-abhängigen Transketolase verschiedene Hyperglykämie-bedingte pathogene Stoffwechselwege wie die Bildung von Advanced Glycation Endproducts gehemmt werden“ so Prof. Reiners. Dadurch wirkt Benfotiamin gegen zelltoxische Veränderungen und kann so Mikro- und Makroangiopathien entgegenwirken. Zudem kann der Biofaktor Benfotiamin Neuropathiebeschwerden bei einer diabetischen Neuropathie lindern. Laut Studienlage kann es im Vergleich zu Placebo zu einer Verbesserung der Nervenleitgeschwindigkeit, der klinischen Symptomatik und des Neuropathy Symptom Scores als Maß für subjektiv empfundene Beschwerden kommen.5,6

Benfotiamin: Therapieempfehlung für die Praxis

Der labortechnische Nachweis eines Vitamin-B1-Mangels kann sich allerdings als schwierig erweisen, da die Blutspiegel in Plasma und Serum nicht immer zuverlässige Aussagen zulassen. Bei Verdacht auf einen Mangel empfiehlt sich daher ein Therapieversuch mit oral verabreichtem Vitamin Bals Benfotiamin. Aufgrund der Ergebnisse von vier randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien wurden als optimale Tagesdosis in Bezug auf eine Verbesserung neuropathischer Symptome zweimal täglich 300 mg Benfotiamin empfohlen.7

Weitere Informationen zu Vitamin B1 und anderen Biofaktoren finden Sie hier.

Besteht der Verdacht, dass Sie oder Ihre Patienten unter einem Mangel an ausgewählten Biofaktoren leiden? Machen Sie den Biofaktoren-Check und finden Sie Ihr persönliches Risiko heraus.

https://iubmb.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biof.1728

Literatur

(1) Reiners K et al.: Sensomotorische diabetische Neuropathien. Diabetologe 2016; 2: 92 ­- 103

(2) Thornalley PJ et al.: High prevalence of low plasma thiamine concentration in diabetes linked to a marker of vascular disease. Diabetologia 2007 Oct; 50(10): 2164 – 2170

(3) Schreeb KH et al.: Comparative bioavailability of two vitamin B1 preparations: benfotiamine and thiamine mononitrate. Eur J Clin Pharmacol 1997; 52(4): 319 – 320

(4) Loew D: Pharmacokinetics of thiamine derivatives especially of benfotiamine. Inter J of Clin Pharm and Ther 1996; 34(2): 47 – 50

(5) Stirban A: Therapie der diabetischen Neuropathie. 27. Kongress der Föderation der Internationalen Donau-Symposia über Diabetes mellitus. Diabetes-Congress-Report 2013; 2: 4 – 10

(6) Raj V et al.: Therapeutic potential of benfotiamine and its molecular targets. Eur Rev Med Pharmacol Sci 2018; 22: 3261 – 3273

(7) Ziegler D et al.: Current concepts in the management of diabetic polyneuropathy. J Diabetes Investig 2021 Apr; 12(4): 464 – 475

Quelle: GfB