Meerettichbaum: Fluch und Segen seiner Früchte

Die Früchte und Blätter des Meerrettichbaums sind besser bekannt unter seinem botanischen Namen Moringa oleifera.

Sie gehören in den letzten Jahren zu den vielfach importierten exotischen Gemüsen und Früchten aus Indien und Sri Lanka und werden dort bereits seit Jahrhunderten von der einheimischen Bevölkerung angebaut und geschätzt. Die Schoten ähneln dabei der uns in Deutschland bekannten Gartenbohne. Mit dem Unterschied, dass die grünen Früchte dabei eine Länge von bis zu 40 cm erreichen. Aufgrund deren äußeren Erscheinung werden diese auch als Drumsticks („Trommelstöcke“) bezeichnet.

Die Drumsticks sind reich an Proteinen sowie anderen wichtigen Nährstoffen wie Vitamin A und C sowie Mineralien. Daher werden sie traditionell in Ostafrika und Südostasien als wichtiges Nahrungsmittel geschätzt und erfreuen sich großer Popularität. Der Verzehr kann dabei entweder roh als frisches Gemüse, gekocht oder gebraten erfolgen. Die Schoten werden hierbei von der zähen Außenhaut befreit und anschließend in Suppen oder Currys verwendet.

Neben der Verwendung der Schoten werden nahezu alle anderen Bestandteile des Meerrettichbaums wie die Blätter, Blüten und Keimlinge und sogar die Wurzeln als Lebensmittel verzehrt. Die Blätter werden getrocknet und anschließend als Gewürz in Currygerichten verwertet. Die Wurzeln dienten den britischen Kolonialmächten in Indien wegen ihres Gehalts an Senfölglycosiden als Meerettichersatz.

Das Öl der Samen wird in der Kosmetikindustrie verwendet und die geschroteten Samen sind ein wirksames Mittel zur Aufbereitung und Klärung von Trübwasser. Aufgrund seiner vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten bezeichnet man ihn in Südostasien als „den erstaunlichsten Baum, den Gott geschaffen hat“.

Die Bestandteile des Meerrettichbaums werden weiterhin seit Jahrhunderten in der Ayurvedischen Heilkunst verwendet und erfreuen sich seit einigen Jahren als Nahrungsergänzungsmittel in pulverisierter Form immer größerer Beliebtheit. Trotz dürftiger Studienlage erhofft man sich durch die Moringapräparate eine positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit. Suggeriert werden hierbei beispielhaft immunstärkende Effekte und positive Auswirkungen auf Blutzucker- und Blutfettwerte.

Im Zuge der Globalisierung unserer Warenwelt sind diese Warenarten nun zunehmend in Feinkost- und Asialäden anzutreffen oder werden in den entsprechenden Restaurants als Zutat geschätzt. Die Einfuhr der Drumsticks erfolgt dabei als Luftfracht aus Indien und Sri Lanka über die Tierärztliche Grenzkontrollstelle Hessen am Flughafen Frankfurt (TGSH), die zum Landesbetriebs Hessisches Landeslabor (LHL) gehört.

Enge Zusammenarbeit mit dem Zoll

Durch die seit September 2020 bestehende Zusammenarbeit mit dem Zoll im Bund-Länder-Projekt „Risikoprofile“, konnten erstmals alle eingeführten Drumstick-Sendungen über den Frankfurter Flughafen lückenlos erfasst werden. Es stellte sich heraus, dass über Frankfurt-Flughafen pro Monat rund 17 Tonnen indischer Drumsticks in die EU importiert werden! Im Jahr 2021 wurden 28 Proben von Drumsticks aus Indien sowie drei Proben von Drumstickblättern aus Sri Lanka im Hessischen Landeslabor auf Pestizidrückstände untersucht.

Während die Drumstickblätter ohne Beanstandung waren, mussten 14 der 28 beprobten Drumsticks aufgrund gesicherter Überschreitung der EU-weit gesetzlich festgelegten PSM-Höchstgehalte als „nicht verkehrsfähig“ beanstandet werden. Meist handelte es sich sogar um Multipestizidrückstände, d.h. es waren bis zu vier verschiedene PSM in einer Probe weit über den Höchstmengen enthalten. Insgesamt fanden sich sechs verschiedene Pestizide. Es handelte sich dabei ausnahmslos um in der EU nicht mehr zugelassene Substanzen.

Bei jeder Höchstmengenüberschreitung wird darüber hinaus durch die wissenschaftlichen Sachverständigen des LHL eine toxikologische Betrachtung (Risikoabschätzung) vorgenommen. Auf dieser Grundlage wurden in sechs dieser elf beanstandeten Proben Pflanzenschutzmittel in solch hohen Mengen festgestellt, dass gesundheitliche Gefahren bei einem einmaligen Verzehr nicht mehr ausgeschlossen werden konnten. Deshalb erfolgte in diesen Fällen eine Meldung der Ergebnisse an das europäische Schnellwarnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed).

Zu Lande, zu Wasser, zu Luft

Die Kontrolldaten dieser auffälligen, weil hochbelasteten Warenarten sind von Deutschland an die EU-Kommission zusammen mit dem Vorschlag zur Aufnahme in die VO (EU) 2019/1793 gemeldet worden. Diese Verordnung etabliert ein Kontrollsystem bei der Einfuhrkontrolle pflanzlicher Lebensmittel: In Drittländern erzeugte pflanzliche Lebensmittel, welche sich EU-weit als belastet herausgestellt haben, müssen bei der Einfuhr in das Gebiet der EU (zu Lande, zu Wasser oder zu Luft) verstärkt am Ort der ersten Einfuhr auf ein bekanntes (erkanntes) Risiko kontrolliert werden.

Die Kommission ist dem Vorschlag erfreulicherweise gefolgt: Seit Beginn des Jahres 2022 sind nun die indischen Drumsticks bei der Einfuhr in die EU an allen Grenzkontrollstellen vorführ- und auf Pestizide untersuchungspflichtig. Eine wichtige und notwendige Maßnahme, um den EU-Markt und somit den europäischen Verbraucher vor hochbelasteten Lebensmitteln zu schützen.

Quelle: LHL Hessen