Anlässlich des Lebensmittel-Allergietages am 21. Juni 2022 betont die Sprecherin der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte, Dr. Petra Jessen, dass die durch Gluten verursachte Zöliakie streng genommen keine Lebensmittel-Allergie darstellt.
Sie ist vielmehr eine Autoimmunerkrankung, die mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus und Hashimoto Thyreoiditis assoziiert ist: „Bei der Zöliakie handelt sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung des Dünndarms, die richtig diagnostiziert und in ihrem Verlauf kontrolliert werden muss.“ Davon ist die unspezifische Nicht Zöliakie-Glutensensitivität abzugrenzen, die eine steigende Beliebtheit unter symptomatischen Menschen zeigt.
Die Verbreitung der Zöliakie ist unklar, weil die Dunkelziffer hoch ist. Zahlenangaben schwanken zwischen einem Betroffenen unter 100 bis 1000 Betroffenen. Experten gehen davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Fälle nicht diagnostiziert sind. Angaben über steigende Tendenzen sind vor diesem Hintergrund schwer einzuschätzen. Über 95% der Zöliakie Patienten tragen das Histokompatibilitätsantigen-Muster HLA DQ2 oder DQ8. Daraus ergibt sich eine familiäre Häufung der Zöliakie bei Trägern dieser HLA Muster.
„Ein Problem ist die geringe Spezifität der Symptome“, erklärt Dr. Jessen. „Jeder Fall ist anders, die Krankheit kann in jedem Alter auftreten und es können unterschiedliche Beschwerden von Verdauungsstörungen bis hin zu Schlaflosigkeit oder sogar Wesensveränderungen damit einhergehen. Deshalb gilt die Zöliakie als Chamäleon unter den internistischen Erkrankungen.“
Wichtig für die Betroffenen ist eine stichhaltige Diagnosestellung. „Dazu ist gemäß den medizinischen Leitlinien bei Erwachsenen über den Antikörpertest hinaus eine Dünndarmbiopsie erforderlich“, erläutert Dr. Jessen. „Bei Kindern wird die Zöliakie häufig im Rahmen der Abklärung von unspezifischen Abdominalsymptomen, aber besonders bei Gedeih- und Wachstumsstörungen diagnostiziert“, fügt der Kinderexperte des Berufsverbandes der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte, Dr. Ralph Melchior, hinzu.
„Eine unerkannte Zöliakie kann für Betroffene enorme Auswirkung auf die Entwicklung, inkl. Minderwuchs und gestörter Pubertät mit persistierender Fertilitätsstörung nach sich ziehen. Auch bei Kindern ist die Biopsie in den meisten Fällen dringend zu empfehlen. Nur bei eindeutiger Konstellation aus Symptomen und wiederholtem Labor kann laut Leitlinie die Diagnose ohne Biopsie gestellt werden. Es wird dringend empfohlen, keine Diät vor der eindeutigen Bestätigung der Diagnose zu beginnen.“
Patientenportal der niedergelassenen Magen-Darm-Ärzte
Quelle: Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands e. V. (bng)