Neue Studie: MS-Bildgebung macht Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe und Kontaminationen von Lebensmitteln sichtbar

Die bildgebende Massenspektrometrie (MS-Bildgebung) liefert in vielen Bereichen hochpräzise Informationen über die räumliche Verteilung von Substanzen.

Forscher*innen der Universität Bayreuth präsentieren jetzt in der Zeitschrift „Food Chemistry“ beispielhafte neue Anwendungen in der Lebensmittelanalytik. Erstmals ist es gelungen, einen Zusatzstoff (Additiv) in Milchprodukten und eine herstellungsbedingte Kontamination in Backwaren sichtbar zu machen. In Obst, Gemüse und Wurstwaren können spezielle, die Lebensmittelqualität beeinflussende Inhaltsstoffe nachgewiesen werden. Die in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) entstandene Studie zeigt das große Potenzial dieses Verfahrens, nicht zuletzt im Hinblick auf den Verbraucherschutz.

Natamycin im Käse

Um Käselaibe oder auch geräucherte Würste vor Schimmelpilzbefall zu schützen, werden die Oberflächen häufig mit dem Fungizid Natamycin behandelt. Eine EU-Verordnung setzt dafür einen Grenzwert von einem Milligramm pro Quadratdezimeter fest und schreibt überdies vor, dass Natamycin nicht tiefer als fünf Millimeter in einen behandelten Käselaib eindringen darf. Mit den bisher üblichen lebensmittelanalytischen Verfahren lässt sich diese Eindringtiefe allerdings nicht im Detail beschreiben. Das Bayreuther Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Römpp hat jedoch mit Hilfe der MS-Bildgebung erstmals zeigen können, wo und in welchen Mengen das Fungizid in verschiedenen Goudasorten vorkommt.

Das Eindringen der Natamycin-Moleküle lässt sich von der Rinde bis ins Innere des Käselaibs verfolgen. Die Wissenschafter*innen haben bei diesen Untersuchungen mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zusammengearbeitet. „Aufbauend auf diesem neu entwickelten Ansatz der MS-Bildgebung lässt sich in Zukunft die Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber Konservierungsstoffen möglicherweise verringern“, sagt Prof. Römpp, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Bioanalytik und Lebensmittelanalytik innehat.

Acrylamid in Lebkuchen

Auch für das Vorkommen von Acrylamid in Lebensmitteln setzt eine EU-Verordnung Grenzwerte fest. Es handelt sich um eine krebsfördernde Substanz, die bei geringer Feuchtigkeit und Temperaturen von über 120 Grad Celsius aus Zucker und Asparagin, einer Aminosäure, gebildet wird. Ein in Bayreuth entwickeltes, auf der MS-Bildgebung basierendes Verfahren macht die Acrylamid-Verteilung in traditionellen deutschen Lebkuchen sichtbar. „Dafür mussten wir die Lebkuchenproben auf weniger als minus 60 Grad Celsius abkühlen und dann mit einer elektrischen Mikrosäge rund zwei Millimeter dicke Lebkuchenscheiben herstellen. Nur so konnten wir sehr geringe Mengen von Acrylamid entdecken“, berichtet Prof. Römpp.

Untersuchungen von Weißwürsten

Die neue Studie zeigt auch, dass sich die MS-Bildgebung ebenso für Analysen von verarbeiteten Fleischprodukten eignet. In Weißwürsten werden wasserlösliche und fettlösliche Bestandteile erkennbar, so dass sich fettarme und fettreiche Regionen klar voneinander unterscheiden lassen. Ebenso wird sichtbar, wo sich Substanzen pflanzlichen Ursprungs befinden, die aus beigemischten Kräutern stammen. „Die MS-Bildgebung ermöglicht aber nicht nur die Lokalisierung von Inhaltsstoffen in Fleischprodukten, sondern hilft zum Beispiel auch bei Untersuchungen von ‚Klebefleisch‘ oder sogenannten Hydrolysat-Zugaben, die eine höhere Qualität vortäuschen sollen, wenn sie auf den Verpackungen nicht deklariert werden. Sie könnte daher nützlich sein, um Verbrauchertäuschung in Fleischprodukten aufzuspüren und die Konsumentinnen und Konsumenten auch in dieser Hinsicht besser zu schützen“, erklärt Prof. Römpp.

Inhaltsstoffe einer Kiwi: Grün = Zucker, blau = Polyphenol, rot = kiwitypisches Lipid. Foto: Oliver Wittek

Kiwis und Karotten

Die Anwendungspotenziale im Bereich von Obst und Gemüse belegen Untersuchungen an Kiwis und Karotten. Die „Mini-Kiwi“ (Actinidia arguta) ist nicht nur süß, sondern hat auch zahlreiche gesundheitsfördernde bioaktive Inhaltsstoffe. Mit Probeschnitten, die nur wenige Hundertstel Millimeter dick und bis zu einer Temperatur von minus 40 Grad heruntergekühlt waren, haben die Bayreuther Bioanalytiker die Verteilung einiger Substanzen in der Schale und im Fruchtfleisch sichtbar gemacht: Zuckermoleküle (Disaccharide), antioxidativ wirksames Polyphenol und ein für Kiwis charakteristisches Fett (Lipid). In Karotten wiederum wurden Moleküle des Beta-Carotin, einer Vorstufe von Vitamin A, erkennbar. Darüber hinaus konnten auch die räumliche Verteilung sowie die typischen molekularen Strukturen unterschiedlicher Farbstoffe (Anthozyane) identifiziert werden, die den Karotten eine orangene, gelbe oder violette Färbung verleihen.

Einstellung des automatischen Matrixsprayers, ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Ionisation der Zielmoleküle. Foto: UBT / Chr. Wißler.

Ein Analyseverfahren ohne Färbemittel

„Unsere Studie macht deutlich, dass die MS-Bildgebung eine wertvolle Ergänzung der bereits etablierten Verfahren der Lebensmittelanalytik darstellt: Sie bietet neue Erkenntnisse über die räumliche Verteilung und die relativen Anteile von Inhaltsstoffen. Dabei hat sie den großen Vorteil, dass die Moleküle der Inhaltsstoffe nicht mit Färbemitteln oder anderen Labelling-Verfahren markiert werden müssen. An der Universität Bayreuth werden wir – im Rahmen der neu etablierten Fakultät VII für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit – künftig weiter daran arbeiten, die analytischen Möglichkeiten der bildgebenden Massenspektrometrie zu verfeinern, sie mit anderen Instrumenten der Lebensmittelanalytik zu kombinieren und sie auf bisher nicht untersuchte Inhaltsstoffe anzuwenden. Auf diese Weise können wir an der Universität Bayreuth wichtige Beiträge zum Verbraucherschutz leisten“, sagt Prof. Römpp.

Zur bildgebenden Massenspektrometrie (MS)

Von anderen analytischen Methoden wie der UV-, Fluoreszenz-, Infrarot- oder Kernspinresonanzspektroskopie unterscheidet sich die MS dadurch, dass sie nicht von besonderen Eigenschaften der Moleküle und Atome abhängig ist – also weder von Lichtabsorption oder Fluoreszenz noch vom Kernspin, dem Drehimpuls eines Atomkerns um seinen Schwerpunkt. Unterscheiden sich zwei Moleküle oder Atome in ihrer Masse, kann dieser Unterschied massenspektrometrisch sichtbar gemacht werden. Ein Massenspektrometer ähnelt insofern einer Waage für Atome und Moleküle – nur mit dem Unterschied, dass es mehrere Millionen Mal genauer und empfindlicher ist als jede Küchenwaage.

Vor jeder massenspektrometrischen Analyse ist es erforderlich, die Moleküle der zu identifizierenden Substanzen zu ionisieren, so dass geladene Teilchen entstehen. Denn nur geladene Teilchen können von den im Massenspektrometer verwendeten magnetischen und elektrischen Feldern abgelenkt und beschleunigt werden.

Eine Ionisationsmethode, die auch am Lehrstuhl für Bioanalytik und Lebensmittelanalytik an der Universität Bayreuth angewendet wird, ist die Matrix-unterstützte Laser-Desorption/Ionisation (Matrix-assisted Laser Desorption/ Ionization, MALDI). Hierbei wird eine Matrixsubstanz auf die Probe gebracht und dann mit einem Laser bestrahlt. Die bildgebende Massenspektrometrie (MS-Bildgebung oder MS Imaging) kombiniert die aus der MS gewonnene Information über Moleküle mit räumlicher Information: Indem der Laser eine Probenoberfläche abrastert und Pixel für Pixel immer eine andere Stelle auf der Probe bestrahlt, kann für jeden Punkt, den der Laser getroffen hat, ein Massenspektrum aufgenommen werden.

Forschungsförderung:
Die Forschungsarbeiten, die in „Food Chemistry“ vorgestellt werden, wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der TechnologieAllianzOberfranken (TAO) gefördert.

Veröffentlichung:
Julia Kokesch-Himmelreich, Oliver Wittek, Alan M. Race, Sophie Rakete, Claus Schlicht, Ulrich Busch, Andreas Römpp: MALDI mass spectrometry imaging: From constituents in fresh food to ingredients, contaminants and additives in processed food. Food Chemistry (2022), Vol. 385. DOI: https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2022.132529

Quelle: Uni Bayreuth