foodwatch gewinnt Rechtsstreit gegen Bundesernährungsministerium

Ministerien müssen Forschungsergebnisse unzensiert herausgeben.

Ministerien müssen die Studienergebnisse staatlicher Forschungseinrichtungen unzensiert herausgeben. Dies entschied das Verwaltungsgericht Köln und gab damit einer Klage der Verbraucherorganisation foodwatch gegen das Bundesernährungsministerium (BMEL) statt. Das Gericht bewertete die Geheimhaltung einer wissenschaftlichen Studie durch das BMEL als rechtswidrig. foodwatch bezeichnete das Urteil als außerordentlich bedeutend für die Freiheit der Forschung in Deutschland und für den demokratischen Diskurs. Die Verbraucherorganisation forderte die Bundesregierung auf, gesetzlich zu verankern, dass die Ergebnisse der wissenschaftlichen Ressortforschung in Zukunft ohne jedwede politische Einflussnahme veröffentlicht werden müssen.

„Zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben braucht die Gesellschaft dringender denn je unabhängige – und nicht politisch genehme – Forschung. Das Urteil stellt klar: Die Bürger:innen haben ein Recht darauf, dass ihnen die mit Steuergeldern finanzierten wissenschaftlichen Studienergebnisse ohne politische Zensur der jeweiligen Regierung zugänglich gemacht werden“, erklärte Rauna Bindewald von foodwatch.

Die sogenannte Ressortforschung des Bundes wird von insgesamt 40 Forschungsinstitutionen betrieben. Im konkreten Fall war eine Studie des staatlichen Max Rubner-Instituts (MRI) zur Lebensmittelkennzeichnung durch die damalige Ernährungsministerin Julia Klöckner zurückgehalten und der Allgemeinheit erst ein halbes Jahr später mit deutlich geändertem Inhalt zur Verfügung gestellt worden. Die Originalstudie veröffentlichte das BMEL erst, nachdem foodwatch Klage eingereicht hatte.

Trotz der nachgeholten Veröffentlichung hatte foodwatch an der Klage festgehalten, um die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des BMEL prüfen zu lassen. Aus Sicht von foodwatch handelt es sich bei dem Urteil um einen Präzedenzfall, der der politischen Einflussnahme auf öffentlich finanzierte Forschung und Wissenschaft eine klare Absage erteile. Das Gericht unterstrich die dem „MRI zustehende Wissenschaftsfreiheit“. Es befand, dass das Informationsfreiheitsgesetz „nur die notwendige Vertraulichkeit der Beratung von Behörden“ schütze, „darunter fielen nicht die Beratungsgrundlagen – wie hier der Bericht des MRI“. Die Vorschrift schützte die Behörde „auch nicht vor politisch unliebsamen Ergebnissen von eingeholten Fachstudien“, so das Gericht.

Die Studie zu verschiedenen Modellen der Nährwertkennzeichnung war vom Max Rubner-Institut im Auftrag des Bundesernährungsministeriums erarbeitet worden, die Ergebnisse lagen dem BMEL im Herbst 2018 vor. Ein halbes Jahr später, im April 2019, stellte Julia Klöckner dann der Öffentlichkeit eine stark überarbeitete Version der Studie vor. Erst nachdem foodwatch im Sommer 2019 Klage eingereicht hatte, gab das BMEL im Januar 2020 die unzensierte Originalfassung der Studie heraus, die sich stark von der zuerst vom BMEL veröffentlichten Version unterschied.

Während die ursprüngliche MRI-Studie der Lebensmittelampel Nutri-Score ein gutes Zeugnis ausstellt und ihn als „grundsätzlich vorteilhaft“ für eine Nährwertkennzeichnung bewertet, heißt es im Fazit der für das Ministerium überarbeiteten Version, dass „keines der NWK-Modelle uneingeschränkt empfohlen werden“ könne. Kriterien, bei denen der Nutri-Score nach Ansicht des MRI besonders gut abschneidet, waren in der BMEL-Version zudem gestrichen worden. Julia Klöckner hatte sich zuvor kritisch über den Nutri-Score geäußert und hob auch bei der Vorstellung der überarbeiteten Studie die Lebensmittelampel negativ hervor.

Quellen und weiterführende Informationen:

Quelle: foodwatch