Wer braucht Nahrungsergänzungsmittel?
Nahrungsergänzungsmittel liegen im Trend: Der Verbrauchermonitor von 2021 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zeigt: Ein Drittel der Bevölkerung nimmt mindestens einmal pro Woche Vitamine über Nahrungsergänzungsmittel zu sich, jede sechste Person sogar täglich. Dabei nimmt das Vitamin D eine gewisse Sonderstellung ein. In dem zitierten Verbrauchermonitor gaben 45 Prozent der Befragten an, Vitamin D über Nahrungsergänzungsmittel zu konsumieren, was ihm Platz 1 einbringt; bei Vitamin B12 waren es 36 und bei Vitamin C 32 Prozent. Dabei seien Nahrungsergänzungsmittel für die meisten Menschen verzichtbar, so BfR-Präsident Professor Andreas Hensel und weiter: „Wer hoch dosierte Vitamine einnimmt, ohne dass es nötig ist, riskiert eine Überversorgung und damit unerwünschte Auswirkungen auf die Gesundheit“.
Korrekterweise ist Vitamin D der übergeordnete Begriff für eine Gruppe fettlöslicher Vitamine, die Calciferole. Zu den wichtigsten Formen gehören Vitamin D2 (Ergocalciferol) und Vitamin D3 (Cholecalciferol). Die bekannteste Funktion von Vitamin D ist die Beteiligung am Knochenstoffwechsel. So fördert Vitamin D unter anderem die Aufnahme von Calcium und Phosphat aus dem Darm sowie ihren Einbau in den Knochen. Es nimmt damit eine Schlüsselrolle bei der Knochenmineralisierung ein. Zudem ist Vitamin D an weiteren Stoffwechselvorgängen beteiligt. Ein Vitamin-D-Mangel kann bedeutsame Auswirkungen auf die Knochengesundheit haben. Die gravierendsten Folgen sind die Entkalkung und letztendlich die Erweichung der Knochen (Osteomalazie und Osteoporose).
Der tägliche Bedarf wird für alle Altersgruppen auf 20 Mikrogramm (1 Mikrogramm [µg] = 0,001 Milligramm [mg]) geschätzt, für Säuglinge (unter 12 Monate) sind es 10 µg. Eine ebenfalls übliche Mengeneinheit für Vitamin D ist die sogenannte „Internationale Einheit“ (I.E.). 1 µg entspricht 40 I.E. beziehungsweise 1 I.E. entspricht 0,025 µg.
Die geschätzten Bedarfswerte gelten jedoch nur bei fehlender Eigensynthese; denn – und das ist eine echte Sonderstellung dieses Vitamins – es kann sowohl über die Nahrung aufgenommen als auch vom Menschen selbst durch UVB-Lichtexposition (Sonnenbestrahlung) gebildet werden. Bei letzterem wird das Vitamin aus einer in der Haut vorkommenden Vorstufe (7-Dehydrocholesterol) gebildet. Dieser Weg ist auch der wesentlich effizientere, denn nur wenige Lebensmittel enthalten das Vitamin in größeren Mengen. Hauptsächlich fettreiche Seefische wie Makrele, Lachs oder Hering sind hier zu nennen. So enthalten etwa Hering 25 µg, Lachs 16 µg, Avocados bringen es immerhin auf 6 µg, jeweils pro 100 Gramm. Mit unserer täglichen Nahrung nehmen wir durchschnittlich nur etwa 2 bis 4 µg zu uns.
Gemäß einer abgestimmten Empfehlung von wissenschaftlichen Institutionen, Fachgesellschaften und Fachverbände reichen für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese in der warmen Jahreszeit bereits fünf bis 25 Minuten Aufenthalt in der Sonne aus, wenn etwa ein Viertel der Körperoberfläche (Gesicht, Hände und Teile von Armen und Beinen) unbedeckt sind. Eine Faustregel sagt: Ist unser Schatten draußen kürzer als wir groß sind, produzieren wir ausreichend Vitamin D. Das ist in unseren Breiten zwischen April und Oktober der Fall. Das Gute: wie andere fettlösliche Vitamine auch, speichert unser Körper das Vitamin und zwar hauptsächlich im Fett- und Muskelgewebe, geringere Mengen auch in der Leber. Die Speicherkapazität ist insgesamt relativ groß, so dass auch in Wintermonaten in der Regel eine ausreichende Versorgung sichergestellt ist.
Für wen ist eine Vitamin-D-Supplementierung gegebenenfalls sinnvoll?
Hier sind als erstes Säuglinge zu nennen, da zum einen der Vitamin D-Gehalt von Frauenmilch sehr gering ist (durchschnittlich 0,073 µg pro 100 Milliliter) und zum anderen Säuglinge grundsätzlich nicht einer direkten Sonnenbestrahlung ausgesetzt werden sollen; zumal sich ihr hauteigener Schutzmechanismus erst noch entwickeln muss. Zu den Risikogruppen für eine Unterversorgung gehören ferner Menschen, die sich kaum oder gar nicht im Freien aufhalten (können). Ferner ältere Menschen, da die körpereigene Vitamin D-Bildung im Alter deutlich abnimmt und es in der älteren Bevölkerung durchschnittlich zusätzlich mehr mobilitätseingeschränkte, chronisch kranke und pflegebedürftige Menschen gibt.
Im Alter von 70 Jahren hat sich die Kapazität der Haut zur Vitamin D-Synthese um etwa 75 Prozent reduziert. Der Grund ist die Hautbeschaffenheit selbst, aber auch die Tatsache, dass sich die Menge des Ausgangsstoffs 7-Dehydrocholesterol in den oberen Hautschichten im Alter drastisch vermindert. Freilich sollte die Einnahme von Supplementen unbedingt in Absprache mit einer Ärztin/einem Arzt erfolgen, wobei es empfehlenswert ist, vor einer Supplementierung den Vitamin D-Status überprüfen zu lassen.
Übrigens: Eine Vitamin D-Überdosierung und damit verbundene unerwünschte Wirkungen sind nur durch eine überhöhte orale Zufuhr (dauerhaft mehr als 100 µg = 4.000 I.E. pro Tag), nicht jedoch durch eine exzessive Sonnenbestrahlung der Haut möglich.
Quelle: Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de