Bericht vom wissenschaftlichen Symposium: „Personalisierte Ernährung neu gedacht“

Das Wissenschaftliche Symposium der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) zum Thema Personalisierte Ernährung neu gedacht fand am 31. August 2022 im Rahmen der 6. Bonner Ernährungstage statt.

Im hybriden Format stellten nationale und internationale Expert*innen den Stand der Forschung zu Personalisierter Ernährung (PE) sowie mögliche Zukunftsperspektiven dar. Die DGE-Arbeitsgruppe Personalisierte Ernährung präsentierte zudem ein neues PE-Modell.

Nach der Begrüßung der über 300 Teilnehmenden durch Prof. Jakob Linseisen, DGE-Präsident, und Dr. Hanns-Christoph Eiden, Präsident der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), führte Prof. Dr. Hannelore Daniel in das Tagungsthema ein. Bisher sei die PE eine Elite-Ernährung, die eindimensional auf die Gesundheit abziele, so Daniel. Für die Zukunft sei es aber wichtig, auch andere Werteorientierungen wie z. B. Umwelt oder Fairness zu berücksichtigen. Diese Aspekte wurden von der DGE-Arbeitsgruppe in ihren Überlegungen für ein neues PE-Modell mitgedacht und auf der Tagung von Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Fachrichtungen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

Individualisierte Empfehlungen – die Herausforderungen

Bereits zu Beginn der Veranstaltung zeigte sich die Komplexität der PE-Thematik: Verschiedene Begrifflichkeiten (personalisierte Ernährung, Gendiät, genbasierte Diät, precision nutrition) und fehlende wissenschaftliche Daten stehen den hohen Erwartungen von Verbraucher*innen und Unternehmen gegenüber.

Eine große Herausforderung liegt für die Wissenschaftler*innen in der Datenerfassung und -verarbeitung. Für individuelle Ernährungsempfehlungen – etwa zur Vermeidung chronischer Krankheiten – müssten Risiko-Scores für bestimmte Krankheiten bereits in der frühen Kindheit identifiziert werden. Diese „precision nutrition“ erfordert enorme Datenmengen aus großen Populationen sowie ausgewiesene Expertise in Datensicherheit und -verwaltung. Dabei können innovative Ernährungserhe­bungsinstrumente wie Apps Unterstützung bieten, die derzeit entwickelt werden. Neben einer präzisen Datenerfassung und einer exakten Methodik, die für diesen Forschungsbereich von besonders großer Bedeutung sind, kommt der Gewinnung von Echtzeitdaten (real-time-data) künftig eine immer größere Rolle zu. Damit könnten beispielsweise individuelle Unterschiede bei der metabolischen Antwort auf eine Mahlzeit exakt erfasst und analysiert werden.

Personalisierte Ernährung – Quo vadis?

Die im Frühjahr 2021 gegründete DGE-Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Hannelore Daniel und Prof. Dr. Jakob Linseisen stellte ihr neues PE-Modell vor. Bei der Vision der Zukunft, dem Adaptive Personalized Nutrition Advice System (APNAS) steht der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen, Zielen und Möglichkeiten im Mittelpunkt und weniger seine biomedizinische Charakterisierung. Dabei wird auch die Ernährungsumgebung verstärkt berücksichtigt. So kann der Einzelne – beispielsweise durch Livedatenerfassung von Zeit und Ort via mobilem Gerät – auch zu Entscheidungen zum Einkauf oder Verzehr gezielt und unmittelbar beeinflusst werden. Für den Erfolg können verschiedene Arten der Personalisierung über Apps kombiniert werden, wie etwa individuelle Beratung beim Einkauf oder persönliche Hilfe bei der Rezeptsuche. Diese neue PE könnte wesentlich zu einer nachhaltigeren und gesundheitsfördernden Ernährungsweise beitragen. Zudem kann die PE einen positiven Beitrag zu Public Health Nutrition leisten und damit zur Verbesserung des individuellen Verhaltens – insbesondere bei vulnerablen Gruppen – sowie zu neuen Möglichkeiten des Monitorings beitragen.

Fazit

Das Interesse an PE wächst rasant. Obwohl der Wunsch nach personalisierten Ernährungsempfehlungen anhand einer genetischen Datenanalyse bei vielen Menschen vorhanden ist, fehlt derzeit die wissenschaftliche Datenlage. Bisher konnten Personen aufgrund genbasierter Ernäh­rungsempfehlungen weder erfolgreicher abnehmen noch eine gesündere Ernährungsweise annehmen.

Das neue Modell der DGE-Arbeitsgruppe Personalisierte Ernährung, bei dem der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Zielen im Mittelpunkt steht, soll künftig dazu beitragen, alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen und so Verhaltensänderungen herbeiführen. Dies erfordert sowohl eine multidisziplinäre Zusammenarbeit sowie die Integration der Datenwissenschaften.

Quelle: DGE