Hitzetolerante Pflanzen gegen den Klimawandel

Wegen des Klimawandels kommen auf Pflanzenzüchter große Herausforderungen zu. Ein intelligenter Feldroboter und Röntgentechnik unterstützen sie bei der Selektion hitzetoleranter Pflanzensorten.

© Fraunhofer IIS. Der Feldroboter DeBiFix untersucht ganze Weizenfelder auf den Wachstumsverlauf der Körner in den Ähren. Auf dieser Grundlage kann entschieden werden, welche Sorten sich besonders gut für die Züchtung eignen. 

Die Sensorik der Hightech-Maschine ist eine Entwicklung des Fraunhofer-Entwicklungszentrums für Röntgentechnik EZRT, ein Bereich des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS.

Unsere Sommer werden immer heißer. Erst in diesem Sommer erlebte Deutschland eine Hitzewelle mit Temperaturen bis 40 Grad. Die damit einhergehende Trockenheit setzte auch den Pflanzen zu. Bei guter Wasserversorgung können diese sich durch Verdunstung kühlen. Das funktioniert unter Trockenstress jedoch nicht mehr. Das Ziel von Pflanzenzüchtern sind daher Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen, hitzetolerant und trockenheitsresistent sind – aber dennoch gute Erträge liefern und mit möglichst wenig Dünger sowie Pestiziden auskommen.

Unterstützung erhalten die Züchterinnen und Züchter von Forschenden des Fraunhofer EZRT. Dort beschäftigt man sich seit vielen Jahren mit Technologien zur Bestimmung des Phänotyps von Pflanzen. Damit ist das äußere Erscheinungsbild gemeint, das zahlreiche Faktoren beinhaltet wie Blattgröße, Blattstellung, Wurzeldicke oder Ertrag. »Die Menschen selektieren bereits seit Jahrtausenden Nutzpflanzen anhand äußerer Merkmale«, erklärt Dr. Stefan Gerth, Abteilungsleiter am Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik des Fraunhofer IIS. »Wir entwickeln Technologien, um diese phänotypischen Merkmale objektiv zu messen und anhand der Daten die Züchtung zu optimieren.«

Ertragsprognose mithilfe von 3D-Bildern

Beispielsweise hat das Forscherteam um Dr. Gerth die Sensorik für einen Roboter entwickelt, der in der Landwirtschaft eingesetzt wird: Während der Feldroboter DeBiFix sich seinen Weg durch dicht stehende Ähren bahnt, macht er kontinuierlich Röntgenaufnahmen der Pflanzen. Gleichzeitig erzeugt er mit einem optischen System 3D-Bilder. Für den Züchter, auf dessen Feld der Roboter unterwegs ist, sind das wichtige Informationen. Er kann anhand der Daten quasi in die Weizenähren hineinschauen und erkennen, ob die angebaute Sorte einen guten Ertrag liefern wird.

Projekt »Biogene Wertschöpfung und Smart Farming«

Die Unterstützung der Züchter ist das wichtigste Ziel des überregionalen Fraunhofer-Projekts »Biogene Wertschöpfung und Smart Farming«, innerhalb dessen das Fraunhofer-Zentrum für Technologien in der Pflanzen-Phänotypisierung am Standort Triesdorf in Mittelfranken aufgebaut wird. Hier wollen Gerth und seine Kolleginnen und Kollegen die Kompetenzen ausbauen und in die Anwendung bringen. Deutschlands kleinster Ort mit Hochschule ist ein überregionales Zentrum für Landwirtschaft mit den Landwirtschaftlichen Lehranstalten und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Mit dem dortigen Kompetenzzentrum digitale Landwirtschaft arbeitet das Fraunhofer IIS eng zusammen.

Selektion von hitzetoleranten Sorten

In der Laborkabine zur Phänotypisierung von Pflanzen in kontrollierter Klimaumgebung des Fraunhofer EZRT in Fürth zeigt Stefan Gerth, wie Züchter in Zukunft arbeiten werden. Auf dem schmalen Fließband vor der Röntgenkammer stehen Töpfe mit unterschiedlichen Nutzpflanzen in Reih und Glied. Die Tür der Kammer öffnet sich, ein Blumentopf rollt hinein. Nachdem sich die Tür wieder geschlossen hat, wird der Topf unter anderem von einem Computertomographen gescannt. Nur fünf Minuten später ist die nächste Pflanze an der Reihe. »Wir haben vor über zehn Jahren begonnen, Kartoffelpflanzen zu röntgen, um Auskunft über das Wachstum der Knollen zu bekommen«, berichtet Gerth. »Anhand der 3D-Röntgen-Scans können wir das Gewicht der Knollen bestimmen, ohne sie auszugraben.« Genutzt wird das Verfahren zum Beispiel bei der Selektion von besonders hitzetoleranten Sorten. Dazu setzt man die Pflanzen in der Laborkabine zur Phänotypisierung Hitzestress aus. Auf den Scans lässt sich dann beobachten, welche Pflanzen am besten damit zurechtkommen und trotzdem kräftige Knollen bilden.

Während sich mit den ersten Computertomographen nur dicke Wurzeln und Knollen röntgen ließen, können die neuen Systeme auch die feine unterirdische Wurzelarchitektur von Weizen erfassen. »Unsere neue Röntgenkabine ist das modernste und leistungsstärkste Röntgensystem für unterirdische Pflanzenteile«, betont Gerth.

Auch oberirdische Pflanzenbestandteile wie Blätter und Weizenähren werden am Fraunhofer EZRT digital in 3D erfasst. Anhand dieser Daten lässt sich nicht nur die Größe der Blattfläche bestimmen. Die 3D-Bilder geben ebenso Auskunft über die Hitzetoleranz. Stellt eine Pflanze ihre Blätter auf, um sich vor der Sonne zu schützen? Rollt sie stressbedingt ihre Blätter ein?

Mit KI den Phänotyp einzelner Pflanzen analysieren

Wie effizient die optischen Pflanzenerkennungssysteme des Fraunhofer EZRT arbeiten, ließ sich auf einem Versuchsfeld des Saatzuchtunternehmens Strube D&S GmbH beobachten. Dort war der zweite Prototyp des BlueBobs im Einsatz, ein autonom navigierender Feldroboter, der in Zuckerrübenfeldern automatisch das Unkraut hackt. Während er durch die Reihen fährt, erfasst er mit Multispektralkameras alle lebenden Pflanzen. »Mithilfe von Künstlicher Intelligenz wird der Phänotyp jeder einzelnen Pflanze analysiert und in Unkraut und Rübe klassifiziert«, erklärt Christian Hügel, Abteilungsleiter Saatgutforschung Produktion Zuckerrübe bei Strube. Identifiziert BlueBob 2.0 ein Unkraut, entfernt er es mit seinen Hackwerkzeugen aus dem Boden. Er entfernt sowohl zwischen den Reihen mit statischen Hacken als auch in der Reihe mit aktiven Hackwerkzeugen, was zu einer fast vollständigen Entfernung des Unkrauts im Rübenbestand führt. Der Einsatz chemischer Unkrautvernichtungsmittel kann dadurch drastisch reduziert werden.

Ein großes Arbeitspaket des neuen Triesdorfer Zentrums wird die Aufbereitung der bei der Phänotypisierung gewonnenen Daten umfassen. »Mit unserer Technologie wollen wir vor allem kleine und mittelständische Pflanzenzüchter unterstützen«, betont Stefan Gerth.

Quelle: Fraunhofer