Auf den Geschmack gekommen: Kaffee beschreiben wie ein Sommelier kann man lernen

„Noten von Pfirsich, Birne und grünem Apfel treffen sich in einem komplexen Säurespiel, abgerundet von einer weichen Süße mit dem Geschmack von Karamell, dazu ein voller Körper und ein langanhaltender Nachgeschmack.“

Manchmal klingen Sommelier-Beschreibungen so, als ob es gar nicht um Kaffee ginge. Tatsache ist jedoch: Kaffee kann tatsächlich so schmecken, denn diese kleine Bohne hat von Natur aus extrem viele Aromen in sich angelegt. Und wer sie erschmecken kann, dem ist ein reicheres Genusserlebnis garantiert. Die Kunst des Geschmacks nennt sich Sensorik. Das Schöne daran ist – Sensorik kann man lernen. In der Murnauer Kaffeerösterei lernen Interessierte, wie Sensorik funktioniert und wie sie den Geschmack von Kaffee erfassen und auf den Punkt genau beschreiben können, wie die Experten.

Was ist Sensorik? Und wie funktioniert sie?

Sensorik beschäftigt sich mit der Wahrnehmung, Beschreibung und Bewertung von Lebensmitteleigenschaften, die wir über unsere Sinne wahrnehmen. Bei Kaffee spielen das Schmecken, das Riechen eine Rolle und auch das Fühlen.

Der erste Eindruck von Kaffee entsteht in der Nase. Mit der Atemuft,- orthonasal – gelangen Aromamoleküle im hinteren Teil der Nase auf die sog. olfaktorische Epithel, ein kleiner Zellteppich voller Neuronen, der die Geruchsreize analysiert.

Der zweite Teil passiert auf der Zunge. Über sie werden die fünf grundlegenden Geschmacksrichtungen wahrgenommen: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Die Geschmacksknospen werden umspült, der Kaffee präsentiert dort Säuren, natureigene Süße, Salze und Bitterstoffe. Die flüchtigen Aromen wiederum werden retro-nasal wahrgenommen, wenn die Aromastoffe aus der Mundhöhle nach oben in die Nase wandern. Erst dort können Noten wie Walnuss, Karamell oder Johannisbeere erschmeckt werden. Wer vorher die Luft aus der Nase bewusst ausatmet, kann die Aromen sogar noch ein bisschen intensiver wahrnehmen.

Das Aromarad

Während der Geschmack bei Kaffee einfacher zu erkennen ist, wird es bei den Aromen schon schwieriger. Zum einen ist die Palette der Aromen riesig. Kaffee hat mindestens 800 Aromen. Einige sind deutlicher zu erfassen, andere schwieriger. Zum anderen erkennen die meisten zwar einen Unterschied zwischen verschiedenen Kaffees, können ihn aber nicht umschreiben. Um dies zu vereinfachen wurde das Flavor Wheel, das Aromarad für Kaffee von der Specialty Coffee Association of America entwickelt.

Das Aromarad gibt eine Übersicht zur Vielseitigkeit der Sensorik

Gerade zu Beginn, wenn man erkennt, dass ein Kaffee ein besonderes Aroma hat, es aber nicht benennen kann, ist das Aromarad sehr hilfreich. Es bietet eine Orientierung für die Art der geschmeckten Aromen – ist es z.B. würzig, blumig oder fruchtig? Dann erklärt es die nächste feinere Kategorie: fruchtig könnte beispielsweise eher beerig, tropisch oder zitrusartig sein. Und schließlich könnte die Frucht benannt werden: Orange, Limone, Grapefruit etc.

Mit Gefühl geht’s besser …

Wenn der fühlende Sinn ins Spiel kommt, bezieht er sich darauf, wie sich Kaffee im Mund anfühlt. Nicht alles Flüssige fühlt sich gleich an, es gilt „flüssig“ in sämtliche Richtungen zu erschließen wie etwa teeähnlich, cremig, sahnig, weich, wässrig, samtig … Damit kann der Körper von Kaffee beschrieben werden.

Der Körper eines Kaffees hat großen Einfluss auf die Wahrnehmung. Kaffees mit samtigem oder cremigem Körper bleiben länger auf der Zunge. Dadurch bleibt mehr Zeit, ihn zu erfassen, so wie Saft länger auf der Zunge bleibt als Wasser. Stimmt also der Körper nicht, kann der Kaffee seinen Geschmack nicht gut transportieren.

Sensorik lernen

In 6 Schritten können die wichtigsten sensorischen Fertigkeiten trainiert werden.

  1. Den Grundgeschmack trainieren
    Wer Kaffee treffsicher beschreiben will, sollte die Basics benennen können: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Eine bewusste Wahrnehmung schärft hier die sensorischen Fähigkeiten.
  2. Säuren erkennen – und schätzen lernen
    Säuren sind enorm wichtig für einen guten und ausgewogenen Geschmack. Jede Säure hat einen ganz eigenen Einfluss auf den Geschmack von Kaffee, mal erfrischend, mal dezent, mal fruchtig. Das Säure-Empfinden kann man verfeinern in dem man es mit verdünnter Apfelsäure, Zitronensäure und Essigsäure (ca 0,2g pro Säure) auf ein Glas Wasser trainiert.
  3. Slow motion: aufmerksam essen und kochen
    Oft hat man bei Lebensmitteln einen ganz konkreten Geschmack im Kopf. Dabei haben sie aromatisch oft deutlich mehr zu bieten. Ein gutes Training ist, beim Kochen zuerst an den Zutaten zu riechen und sie zu probieren, bevor sie verwendet werden. Außerdem kann auch noch verglichen werden, wie sie im Gericht mit anderen Zutaten zusammen schmecken. So werden Aromen differenzierter wahrgenommen. Bewusstes und langsameres Essen ist auch hilfreich, genauso wie das Schmecken neuer Dinge, die man sonst nicht isst. Das menschliche Gehirn kann Aromen nur dann erkennen, wenn sie ihm schon einmal über den Weg gelaufen sind.
  4. Viel hilft viel: Kaffee trinken und verkosten
    Das ist wie beim Marathon-Training: je regelmäßiger man trainiert, umso besser wird man. Wichtig ist dabei genau darauf zu achten, was sich geschmacklich und aromatisch abspielt. Das erweitert den sensorischen Horizont und beweist, wie vielfältig Kaffee schmecken kann.
  5. Die letzten Meter zum Profi-Status: Triangel-Tests
    Wer sich schon eine Zeit lang mit Kaffeeverkostungen auseinandergesetzt hat, ist bereit für den nächsten Schritt, den sog. Triangel-Tests: in zwei Tassen ist derselbe Kaffee, in der dritten ein anderer. Aufgabe ist nun, die Tasse zu erkennen, die abweicht.
  6. Üben macht den Meister
    Das Geheimnis der weltbesten Kaffee-Sommeliers ist regelmäßiges Üben. Darum, bleiben Sie am Ball, setzen Sie sich Ziele, machen Sie sich Notizen zu Ihren Verkostungen. So können Sie Ihren Fortschritt gut erkennen.  Aber alles mit Entspannung und Freude am Lernen, denn es geht ja um Genuss. Und der verträgt keine Hektik.

Mehr Wissen zum Thema Sensorik wird in den Kursen der Murnauer Kaffeerösterei vermittelt:
https://murnauer-kaffeeroesterei.de/kaffee-kurse/sensorik/

Quelle: Greenside-Story