BEWEGUNG HILFT GEGEN INSULIN-RESISTENZ IM GEHIRN

Reagiert das Gehirn nicht mehr richtig auf das Hormon Insulin (Insulin-Resistenz), wirkt sich dies auch negativ auf den Stoffwechsel im Körper und die Regulation des Essverhaltens aus.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass bereits acht Wochen Sport helfen können, die Insulin-Empfindlichkeit des Gehirns bei stark übergewichtigen Erwachsenen wiederherzustellen. Das eröffnet neue therapeutische Möglichkeiten, künftig Adipositas und Diabetes-Risikofaktoren zu reduzieren. Die Studie von DZD, des Uniklinikum Tübingen und Helmholtz Munich ist jetzt in JCI Insight erschienen ist.

Das Gehirn hat einen entscheidenden Einfluss auf unser Essverhalten, den Stoffwechsel im Körper und damit auch auf das Körpergewicht. Adipöse Menschen leiden meist unter einer Insulin-Resistenz. Reagiert das Gehirn nicht mehr auf Insulin, wirkt sich dies auch auf Regionen im Gehirn aus, die u.a. für das Empfinden von Hunger, Sättigung sowie für das Zusammenwirken von Motivation, Belohnung, Emotionen und Bewegungsverhalten zuständig sind. Zudem wird die Ansammlung von ungesundem Bauchfett sowie eine erneute Gewichtszunahme nach einer Lebensstil-Intervention begünstigt 1). Bislang gibt es noch keine etablierte Therapie, um die Insulin-Empfindlichkeit im Gehirn wiederherzustellen. Forscher:innen haben jetzt in einer klinischen Studie mit 21 übergewichtigen und fettleibigen Erwachsenen untersucht, ob Bewegung die Insulin-Empfindlichkeit im Gehirn verbessern kann und wie sich die Veränderungen auf den Stoffwechsel und das Verhalten auswirken.

An der Studie nahmen 14 Frauen und sieben Männer im Alter von 21-59 Jahre mit einem Body-Mass-Index* von 27,5 – 45,5 teil. Vor und nach einem 8-wöchigen überwachten Ausdauer-Training wurde mit einer funktionellen Magnetresonanztomographie (MRT) die Insulin-Empfindlichkeit im Gehirn bestimmt.

Acht Wochen Sport verbesserten die Insulin-Sensitivität

Das Ergebnis: Das Trainingsprogramm verbesserte die Wirkung des Insulins im Gehirn auf das Niveau einer Person mit gesundem Gewicht. „Die sportliche Intervention erhöhte die insulinstimulierte Aktivität in Gehirnregionen, die u.a. für das Wahrnehmen von Hunger und Sättigung sowie für das Zusammenwirken von Motivation, Belohnung, Emotion und Bewegungsverhalten zuständig sind“, erläutert DZD-Wissenschaftlerin PD Dr. Stephanie Kullmann, die am Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Universität Tübingen und der Abteilung für Diabetologie und Endokrinologie des Universitätsklinikums Tübingen arbeitet. Die verbesserte Insulin-Sensitivität im Gehirn hatte dabei positive Wirkungen auf den Stoffwechsel, das Hungergefühl nahm ab und das ungesunde Bauchfett wurde reduziert.


© IDM

Möglicher neuer Ansatzpunkt für Therapien gegen Adipositas und Diabetes

„Die Studie deutet darauf hin, dass die Insulin-Resistenz im Gehirn möglicherweise umkehrbar ist und ein praktikables therapeutisches Ziel sein könnte, um die zentralnervöse Regulation des Stoffwechsels und des Körpergewichts wiederherzustellen und ungünstigen Auswirkungen von Adipositas entgegenzuwirken“, sagt Prof. Martin Heni, Letzt-Autor der Studie. Um zu überprüfen, ob die Verbesserung der Insulin-Sensitivität des Gehirns bei Menschen mit hohem Risiko für Typ-2-Diabetes tatsächlich positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel und die Kognition hat, sind noch weitere kontrollierte Interventionsstudien geplant. Sie können auch helfen, die zugrundeliegenden Mechanismen zu klären.

Original-Publikation:

Stephanie Kullmann, … , Cora Weigert, Martin Heni et al.: Exercise restores brain insulin sensitivity in sedentary adults who are overweight and obese. JCI Insight. 2022;7(18):e161498. https://doi.org/10.1172/jci.insight.161498.

*) Body-Mass-Index:

Der Body-Mass-Index, kurz BMI, ist eine Formel zur Bewertung des Körpergewichts und dient zur Abschätzung des Körperfettanteils. Für die Berechnung des BMI (Body Mass Index) wird das Körpergewicht in ein Verhältnis zur Körpergröße gesetzt. Der BMI berechnet sich aus dem Quotienten aus Körpergewicht und Körpergröße zum Quadrat (kg/m2). Je nach Höhe des errechneten Werts unterscheidet man verschiedene Kategorien: Untergewicht (unter 18,5), Normalgewicht (18,5 bis 24,9), Übergewicht (25 bis 29,9), extremes Übergewicht (Adipositas Grad 1: 30 bis 34,9), Adipositas Grad 2 (35 bis 39,9) sowie Adipositas Grad 3 (über 40)

1) Kullmann et al. (2020): Brain insulin sensitivity is linked to adiposity and body fat distribution. Nature Communications, DOI: doi.org/10.1038/s41467-020-15686-y

Fachliche Ansprechpersonen:

PD Dr. Stephanie Kullmann
Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM)
von Helmholtz Munich an der Universität Tübingen
Otfried Müller Straße 47
72076 Tübingen
E-Mail: stephanie.kullmann(at)med.uni-tuebingen.de
Tel: +49 7071 29 87703

Prof. Martin Heni
Universitätsklinikum Ulm – Sektion für Endokrinologie und Diabetologie
Albert-Einstein-Allee 23
89081 Ulm
E-Mail: mar­tin.heni(at)uniklinik-ulm.de
Tel: +49 731 500 44505

Das 1805 gegründete Universitätsklinikum Tübingen gehört zu den führenden Zentren der deutschen Hochschulmedizin. Als eines der 33 Universitätsklinika in Deutschland trägt es zum erfolgreichen Verbund von Hochleistungsmedizin, Forschung und Lehre bei. Weit über 400 000 stationäre und ambulante Patienten aus aller Welt profitieren jährlich von dieser Verbindung aus Wissenschaft und Praxis. Die Kliniken, Institute und Zentren vereinen alle Spezialisten unter einem Dach. Die Experten arbeiten fachübergreifend zusammen und bieten jedem Patienten die optimale Behandlung ausgerichtet an den neuesten Forschungsergebnissen. Das Universitätsklinikum Tübingen forscht für bessere Diagnosen, Therapien und Heilungschancen, viele neue Behandlungsmethoden werden hier klinisch erprobt und angewandt.

Neben der Diabetologie sind die Neurowissenschaften, Onkologie, Immunologie, Infektionsforschung und Vaskuläre Medizin Forschungsschwerpunkte in Tübingen. Der Lehrstuhl für Diabetologie /Endokrinologie war in den letzten 25 Jahren Zentrum interdisziplinärer Forschung insbesondere unter Beteiligung der Chirurgie, Radiologie und Labormedizin. Diese ausgezeichnete Entdeckung der Prädiabetes-Subtypen war nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat die Entdeckung der Prädiabetes Subtypen am Universitätsklinikum ermöglicht. Das Universitätsklinikum ist in vier der sechs von der Bundesregierung initiierten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung verlässlicher Partner. www.medizin.uni-tuebingen.de

Quelle: DZD