Die geplante Tierhaltungskennzeichnung und mögliche Folgen

Die Rechtsanwältinnen Philine-Luise Pulst und RA Malina Gorke, u.a. Expertinnen für Marken- und Wettbewerbsrecht, informieren in ihrem Blogbeitrag Startschuss für verbindliche Tierhaltungskennzeichnung gefallen (14.12.2022 CMS Deutschland) über den Stand der Diskussion zum neuen Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Dabei skizzieren sie auch die Auswirkungen für bereits vorhandene Label.

So heißt es in dem Blogbeitrag: Angesichts dieser klaren Vorgaben kommen bei Einführung der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung bei missverständlicher, den geschilderten Vorgaben nicht entsprechender sowie unwahrer oder unterbliebener Kennzeichnung lauterkeitsrechtliche Konsequenzen, allem voran infolge von Verstößen gegen die §§ 5, 5a UWG und vor dem Hintergrund des Rechtsbruchtatbestandes des § 3a UWG, in Betracht.

Die Rechtsanwältinnen kommen zu dem Ergebnis. dass bei Nichteinhaltung der Regelungen mit Abmahnungen und dabei insbesondere mit Unterlassungsforderungen (die auch den Rückruf beinhalten können) zu rechnen sei. Zwar soll der parallele Einsatz privater Labels  zulässig bleiben, dürfte aber nach Einführung der geplanten gesetzlichen Kennzeichnungspflicht mit einem besonderen Irreführungspotenzial einhergehen. Die Autorinnen empfehlen daher, bei einem fortgesetzten parallelen Einsatz freiwilliger Kennzeichnungen  in besonderem Maße darauf zu achten .., dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern durch deren Einsatz kein zum verpflichtenden Haltungskennzeichen in Widerspruch stehender Eindruck vermittelt wird. Mit Einführung der verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung sollte außerdem auch ein besonderes Augenmerk auf die Kongruenz zwischen der Kennzeichnung und der auf die Haltungsform anspielenden sonstigen Produktgestaltung gelegt werden.

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, nimmt im Politikbrief (02/2022) der Initiative Tierwohl eine Einordnung des Gesetzesentwurfes unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität vor. Danach sei es staatlichen Institutionen nur dann erlaubt, korrigierende Marktmechanismen zu ergreifen, wenn die niedrigeren Ebenen, bspw. Kommunen, Bundesländer oder das Individuum, alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben – diese aber nicht ausreichen. Bei dem staatlichen Tierwohllabel handele es sich nach Meinung von Steiger nicht um ein Subsidium, sondern ausschließlich um einen Eingriff in den Markt. Zudem sei eine Hilfe überhaupt nicht notwendig, da durch Institutionen wie die Initiative Tierwohl über gesetzliche Standards hinaus Maßnahmen zum Wohl der Nutztiere in Deutschland bereits existieren. Sie kontrolliert und vergibt Produktsiegel und stellt damit einen Garanten für Tierwohl und Verbraucherschutz dar.

Weiter heißt es in dem Exklusivinterview: Der Gesetzentwurf stellt keine Hilfe dar, sondern wird voraussichtlich die ohnehin schon angespannte Ausgangslage der Ernährungswirtschaft noch weiter verschärfen. Niemand in Deutschland stellt sich gegen das Tierwohl. Aber gerade weil es sich um Tiere, also um Lebewesen handelt, ist die Politik gut darin beraten, mit Bedacht und Sachver stand zu agieren und nicht auf Druck grüner Wählerklientel Wahlkampf zu betreiben.

Wissenschaftler haben im Rahmen des Projektes Transformationsszenarien der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Nordwest-Niedersachsen (TRAIN) die Folgen einer politisch bedingten Vernichtung der Landwirtschaft auf die Wirtschaft, die Arbeitsplätze untersucht. Im Szenario starker Rückgang der Viehhaltung bricht die Bruttowertschöpfung in der Agrarwirtschaft um 54 Prozent und in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie um 30 Prozent ein. Die Beschäftigungsverluste werden mit 55 bzw. 32 Prozent angeben. Durch Verflechtungen mit weiteren Branchen addieren sich die Gesamtverluste bei der Bruttowertschöpfung je nach Szenario auf 1,1 bis 3,0 Milliarden Euro, bei der Beschäftigung auf 8.900 bis 23.900 Arbeitsplätze.

Auch wenn das nördliche Niedersachsen nicht mit anderen Bundesländern vergleichbar ist – 44 Prozent des gesamten Industrieumsatzes in der untersuchten Region gehen direkt auf die Ernährungsindustrie zurück (2021), in Deutschland 8 Prozent – zeigen die Ergebnisse des Forschungsprojektes die Bedeutung einer fachlich korrekten sozio-ökonomischen Folgenabschätzung, zu der der Gesetzgeber bei jeder Gesetzesänderung verpflichtet ist. Im Entwurf des Tierhaltungskennzeichnungsgsetzes fehlen derartigen Prognosen.

Als Orientierung mag ein Pojektbericht gelten, die das Statistische Bundesamt gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Nationalen Normenkontrollrat Maßnahmen zur Reduktion der bürokratischen Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland erarbeitet hat. In dem Bericht Hofarbeit statt Schreibtischzeit (12/2021, Seite 32) werden die aktuellen jährlichen bürokratischen Gesamtkosten der Landwirtschaft mit über 620 Mio. Euro angegeben.

Quelle: BRS