Umfrage: Knapp die Hälfte der Deutschen erwartet von Lebensmitteln mit Klima-Labels mehr Nachhaltigkeit bei Produktion.
Viele Verbraucher:innen werden durch irreführende Klima-Werbung getäuscht. Das geht aus einer repräsentativen Yougov-Umfrage im Auftrag der niederländischen Changing Markets Foundation gemeinsam mit der Verbraucherorganisation foodwatch hervor. Demnach erwarten 43 Prozent der Deutschen, dass Unternehmen, die ihre Produkte mit Labels wie „klimaneutral“ oder „CO2-positiv“ verkaufen, auch tatsächlich ihre eigenen Emissionen reduzieren. In der Praxis verringerten die meisten Unternehmen jedoch ihren Treibhausgasausstoß kaum, sondern rechneten sich mit dem Kauf von Gutschriften fragwürdiger Kompensationsprojekte klimafreundlich, kritisierte foodwatch. Die Verbraucherorganisation bezeichnete dies als modernen Ablasshandel und forderte eine klare Regulierung von Nachhaltigkeits-Versprechen und ein Verbot von irreführenden Klima-Labels.
„Immer mehr Verbraucher:innen wollen nachhaltiger einkaufen – und greifen dafür zu Produkten mit Klima-Siegeln. Doch die Industrie führt die Menschen in die Irre, wenn sie klimaschädliche Lebensmittel wie Milch und Fleisch als ‚klimaneutral‘ bewirbt“, erklärte Manuel Wiemann von foodwatch. „Justizminister Marco Buschmann muss Verbraucher:innen vor der dreisten Täuschung mit Klima-Labels schützen und sich auf EU-Ebene für ein entsprechendes Verbot stark machen. Eine derzeit in Brüssel diskutierte Richtlinie könnte nicht nur dem Klima helfen, sondern auch solchen Unternehmen, die es ernsthaft und ohne Täuschungen schützen wollen.“
Aktuell diskutieren das Europäische Parlament und der Ministerrat über einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel („Dossier Empowering Consumers“). Die Richtlinie böte die Chance, irreführende Werbeaussagen wie „klimaneutral“ zu untersagen. Dies könnte jedoch an dem FDP-geführten Justizministerium scheitern: Statt einem Verbot bevorzuge man eine Regelung, nach der Unternehmen lediglich einen Nachweis für ihre Klimaneutral-Werbung erbringen können müssen, erklärte das Ministerium auf Anfrage der Linksfraktion.
Vermeintlich „klimaneutrale“ Lebensmittel sind für Hersteller ein vielversprechender Markt. So bevorzugt mehr als ein Drittel der Verbraucher:innen beim Einkauf Produkte mit Klima-Labels wie „CO2-Neutral“ (35 Prozent) oder „Klimapositiv“ (36 Prozent). Sie sind laut Umfrage in der Regel auch bereit, für diese Produkte mehr Geld auszugeben.
Auch eine aktuelle Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbandes unterstreicht die Umfrageergebnis von Changing Markets und foodwatch. „Klimaneutral“-Werbung führe zu Fehleinschätzungen der Verbraucher:innen. Sie nehmen selbst klimaschädliche Produkte als positiver für das Klima wahr, sobald diese als „klimaneutral“ angepriesen werden.
Mittlerweile werden etwa zehn Prozent der Lebensmittel mit Klima-Labels beworben. Beispielsweise bezeichnet Hipp seine Produkte als „klimapositiv“, während Danone das Volvic-Wasser, Aldi eine Milch und Hello Fresh sein Unternehmen als „klimaneutral“ bewerben. foodwatch ging erfolgreich gegen die Werbung von Rewe, PHW und Granini vor, die eine Unterlassungserklärung unterzeichneten und auf klimaneutral-Werbung verzichten werden
YouGov befragte im Januar 2023 2.148 Erwachsene in Deutschland nach ihren Motiven und Erwartungen beim Kauf von Produkten mit Nachhaltigkeits-Versprechen. 35 Prozent der Erwachsenen gaben an, mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Milch- oder Fleisch-Produkt mit „CO2-neutral“-Siegel zu kaufen. 32 Prozent sind bereit, mehr Geld dafür zu bezahlen. Bei „klimapositiv“-Siegeln lagen die Werte mit jeweils 36 Prozent geringfügig höher.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Umfrageergebnisse von YouGov
- Antwort des Bundesjustizministeriums auf schriftliche Frage der Linksfraktion
- foodwatch-Report: Der große Klima-Fake – Wie Konzerne uns mit Greenwashing täuschen und so die Klimakrise verschärfen
- Studie des Öko-Instituts zum fraglichen Nutzen von Klimaschutzprojekten „How additional is the Clean Development Mechanism?“
- vzbv-Untersuchung zu Greenwashing
Quelle: foodwatch