Reform in den USA: Für viele alte und neue Gentechnik-Pflanzen keine Auflagen mehr

In der EU wird seit Jahren darum gerungen, in den USA ist sie schon umgesetzt: Eine Reform der Rechtsvorschriften für gentechnisch veränderte Pflanzen.

Dort dürfen nun viele solcher Pflanzen ohne weitere Prüfung im Freiland getestet, angebaut und vermarktet werden. Das gilt für einfache genom-editierte Pflanzen, aber auch für gentechnisch veränderte mit zusätzlichen Genen, die bereits in früheren Verfahren als sicher eingestuft worden sind. Damit gelangen in den USA zahlreiche Pflanzen ohne Auflagen und ohne behördliche Prüfung in die Umwelt, die in der EU unter die strikten Gentechnik-Gesetze fallen.

Als gegen Ende der 1980er Jahre in den USA erstmals besondere Vorschriften für gentechnisch veränderte (gv-) Pflanzen in Kraft traten, steckte die Grüne Gentechnik noch in den Kinderschuhen. Seit die berühmte „Anti-Matsch-Tomate“ (FlavrSavr) den Anfang machte, sind in den USA knapp 140 gv-Pflanzen auf mögliche Umweltrisiken überprüft und anschließend freigegeben worden.

Anders als in der EU, wo die 1990 beschlossenen, 2003 noch einmal verschärften Gentechnik-Gesetze wie in Stein gemeißelt scheinen, hat das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) schon vor mehr als zehn Jahren einen breiten öffentlichen Prozess initiiert mit dem Ziel, die damaligen Gentechnik-Regularien zu überprüfen und sie so anzupassen, dass sie der dynamischen wissenschaftlichen Entwicklung und den Fortschritten gerade bei gentechnischen und molekularbiologischen Verfahren gerecht werden. 2020 wurden die überarbeiteten SECURE-Vorschriften (Sustainable, Ecological, Consistent, Uniform, Responsible, Efficient) beschlossen, seit Mitte 2021 sind sie in Kraft.

Bei den Zulassungen konzentrieren sich die Behörden künftig auf solche gentechnisch erzeugten Merkmale, bei denen negative Auswirkungen auf andere Pflanzen möglich oder plausibel erscheinen. Wenn jedoch – gestützt auf jahrelange Erfahrung und die Erkenntnisse aus der Sicherheitsforschung – Schäden mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sind, können solche Pflanzen künftig ohne weitere Prüfung freigegeben werden.

Die reformierten US-Vorschriften gelten wie bisher für die klassische Gentechnik, aber auch für neue Verfahren wie Genome Editing (Gen-Schere CRISPR/Cas). Zwei Gruppen von gv-Pflanzen sind jedoch von allen Zulassungspflichten und jeder behördlichen Aufsicht befreit – in manchen Fällen sogar vollständig:

  • Einfache genom-editierte Pflanzen, bei denen jeweils eine Gensequenz durch eine Punktmutation ausgeschaltet oder modifiziert wurde. Wenn Genmaterial eingefügt wurde, darf es nur aus dem jeweiligen Genpool stammen. Im Kern sind alle editierten Pflanzen ausgenommen, wenn sie auch durch herkömmliche Züchtung oder natürliche Mutationen hätten entstehen können.
  • Gv-Pflanzen mit einem bekannten Merkmal-Wirkungsmechanismus (Plant-Trait-Mechanism of Action, MOA), der bereits in früheren Zulassungsverfahren von den Behörden des USDA geprüft wurde und von dem keine plausiblen Umweltrisiken ausgehen. Gemeint sind einzelne Merkmale wie etwa Resistenzen gegen Schädlinge oder Herbizide, die biologisch genau so funktionieren wie in den ähnlichen, schon einmal zugelassenen Pflanzen. Alle bekannten MOA-Mechanismen, die ohne weitere Prüfung zu einer Befreiung von der Zulassungspflicht führen, sind in einer offiziellen Tabelle aufgelistet. Sie umfasst derzeit 161 MOA (Mai 2023) (siehe Übersicht rechts).

Wenn Unternehmen oder auch Forschungseinrichtungen der Ansicht sind, dass eine neu entwickelte Pflanze unter diese Ausnahmen fällt, müssen sie die Behörden darüber nicht informieren. Sie können jedoch freiwillig die zuständigen Stellen im US-Landwirtschaftsministerium um eine offizielle Bestätigung ihrer Selbsteinschätzung ersuchen. Diese Anfragen wie die Antworten werden veröffentlicht.

Bisher sind 39 Anfragen offiziell als Ausnahmen bestätigt, überwiegend von Forschungsinstituten und kleineren Unternehmen, aber auch von Agro-Konzernen wie Bayer oder Syngenta. Nicht bei allen diesen Pflanzen ist schon bald mit einer kommerziellen Anwendung zu rechnen, die meisten befinden sich in der Entwicklung oder sollen im Freiland ohne sonst übliche Genehmigungspflicht getestet werden. Unter den bestätigten Ausnahmen sind Neu-Züchtungen bei 17 Pflanzenarten, darunter Kartoffeln, Äpfel, Bananen, Sojabohnen, Reis, Orangen oder Blaubeeren. 30 der Anfragen beziehen sich auf genom-editierte Pflanzen.

Für Pflanzen, die nicht oder nicht eindeutig unter die in den SECURE-Vorschriften aufgeführten Ausnahmen fallen, können Institute oder Biotech-Unternehmen eine amtliche Überprüfung des regulatorischen Status beantragen (RSR, Regulatory Status Review). Innerhalb von 180 Tagen entscheidet die USDA-Behörde auf Basis des eingereichten Antrags, ob von der gv-Pflanze ein plausibles Umweltrisiko ausgeht. Ist das nicht der Fall, kann die Pflanze ohne weitere Auflagen in die Umwelt ausgebracht oder landwirtschaftlich genutzt werden. Antrag und Bestätigung sind öffentlich zugänglich.

Wird eine schnelle Freigabe verweigert, können die Entwickler eine tiefere, gründliche RSR-Überprüfung verlangen, die bis zu 15 Monate dauern kann und für die Feld- und Labordaten eingereicht werden müssen. Oder für die betreffende gv-Pflanze wird ein Zulassungsantrag (Petition for Deregulation) auf Basis der alten, unveränderten Gentechnik-Gesetze gestellt. Sie muss dann ein vollständiges Genehmigungsverfahren durchlaufen.

Bisher ist der RSR-Prozess für neun neu entwickelte Pflanzen abgeschlossen – etwa nicht-bräunende, pilz- und virusresistente Kartoffeln, nährstoffreiche Tomaten, Sojabohnen und Färberdisteln mit veränderter Fettsäurezusammensetzung, blaue Chrysanthemen und Tef (äthiopisches Getreide) mit kürzerem und deswegen standfesterem Halm. Diese Pflanzen sind nach abgeschlossenem RSR-Prozess von allen geltenden Auflagen befreit, ebenso wie die bereits als GVO-Ausnahmen bestätigten Pflanzen. In einigen Fällen sind damit erzeugte Lebensmittel kennzeichnungspflichtig („bioengineered“). Schon vor den neuen SECURE-Regeln waren verschiedene genom-editierte Pflanzen freigegeben worden, etwa Sojabohnen mit erhöhtem Ölsäuregehalt.

Was die EU seit Jahren halbherzig vor sich herschiebt, ist in den USA bereits abgeschlossen: Die Anpassung der überholten Gentechnik-Vorschriften an den wissenschaftlichen Fortschritt und eine Revision der Zulassungsverfahren auf Basis einer inzwischen langen und fundierten Erfahrung.

Die neuen US-Vorschriften sind vor allem auf Verfahren und Merkmale fokussiert, bei denen die Erfahrungen noch nicht ausreichen, um Umweltrisiken ohne Einzelfallprüfung ausschließen zu können. Zugleich sind zahlreiche Pflanzen – mit alter und neuer Gentechnik – in den USA nicht mehr reguliert. Auch wenn die meisten (noch) nicht kommerziell angebaut werden, kommen sie früher oder später auf die Felder. Besondere Regeln beim Anbau oder Maßnahmen, um Vermischungen mit konventionellen Pflanzen zu verhindern, gibt es für diese Pflanzen nicht.

Bei der Regulierung der grünen Gentechnik – auch beim Umgang mit den neuen genomischen Züchtungsverfahren – bewegen sich die USA und die EU immer weiter auseinander. Jenseits des Atlantiks geht der Trend zu mehr pragmatischen Ausnahmen von den Gentechnik-Regeln, einem Abbau bürokratischer Prozesse und mehr Selbstverantwortung von Forschern und Unternehmen. Europa hält dagegen unverändert an komplizierten, kosten- und zeitintensiven Verfahren fest, die zudem politisch aufgeladen und in der Öffentlichkeit umstritten sind. Seit nunmehr 25 Jahren hat die EU keine gv-Pflanze mehr für den Anbau zugelassen. In den USA sind es 140.

Mit den reformierten Regeln in den USA ist die Kluft noch einmal größer geworden. Was das für den internationalen Agrarhandel bedeutet, lässt sich kaum absehen.

Erläuterungen

GE einfach: Änderung einer Eigenschaft infolge eines gezielten Doppelstrangbruchs der DNA und anschließender zelleigenen Reparatur

GE mit Austausch: Doppelstrangbruch mit Austausch eines einzelnen Basenpaares

GVO: Gv-Pflanze mit einem Merkmal-Wirkungsmechanismus (MOA), der bereits in früheren Verfahren als sicher bewertet wurde

Bestätigte Ausnahmen: 39 Anträge zu 17 Pflanzarten (Soja, Mais, Baumwolle, Kartoffel, Reis, Gerste, Hirse, Apfel, Orange, Baubeeren, Banane, Senf, Leindotter, Kresse, Alfalfa, Tabak, Petunie)

Datenquelle USDA/APHIS, große

Quelle: transgen.de