In der Welt der Süßstoffe gibt es einen Namen, der immer wieder für Aufsehen sorgt: Birkenzucker. Doch ist er wirklich eine gesündere Alternative zu herkömmlichem Zucker? Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet das Thema kritisch.

Was ist Birkenzucker und wie unterscheidet er sich von herkömmlichem Zucker?
„Birkenzucker“ ist die natur-vorgaukelnde Umschreibung für Xylit – und das ist ein sogenannter „Zuckeralkohol“, der als kalorienarmer künstlicher Süßstoff in verschiedenen Lebensmitteln und Getränken verwendet wird. In der Lebensmittelindustrie wird Xylit gerne verwendet, u,a. weil es Feuchtigkeit und Haltbarkeit von Produkten verbessert, ohne einen Nachgeschmack wie andere Süßstoffe zu hinterlassen. Es wird daher in großen Mengen eingesetzt und als „natürlicher Süßstoff“ und „Birkenzucker“ beworben, da es in geringen Mengen auch in Obst oder Gemüse vorkommt und vom Körper produziert werden kann. Normaler Zucker hingegen ist ein süßes, energielieferndes Kohlenhydrat. Daher setzen viele Influencer und „Promis“ Xylit gerne öffentlichkeitswirksam als „energiearmen Zuckerersatz ein, der nicht dick macht“ und mit dem Kunstbegriff „Birkenzucker“ Natürlichkeit suggeriert, .
Was hat die neue US-Studie zu „Birkenzucker“ gezeigt?
Der deutsche Herzspezialist Dr. med. Marco Witkowski hat an der Cleveland Clinic in Ohio, USA, untersucht, ob der Konsum von Xylit das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und für Schlaganfälle erhöht. Und genau das könnte der Fall sein, denn: Höhere Werte des Süßstoffs Xylit im Blut sind mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle verbunden. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie. die im Juni 2024 im renommierten „Oxford Academic / European Heart Journal“ veröffentlicht wurde. Dazu wurden zunächst Blutproben von insgesamt mehr als 3.300 Herz-Kreislauf-Patientinnen und -Patienten analysiert. Diese Patienten wurden daraufhin über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet. In diesem Zeitraum kam es bei Patienten mit hohen Xylit-Konzentrationen im Blut signifikant häufiger zu Schlaganfällen, sogenannten „kardialen Ereignissen“ wie einem Herzinfarkt oder zu einem Todesfall. Diese Korrelationen (statistische Zusammenhänge) konnte in der Folge weiter erhärtet werden: In Laborversuchen wie auch bei Tests mit gesunden Studienteilnehmern zeigte sich, dass Xylit die Reaktivität von Blutplättchen erhöht, was die Bildung von Blutgerinnseln fördert und somit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigern kann. Das heißt, neben den Korrelationen sprechen auch die Bluttests für einen möglichen Kausalzusammenhang. Hier ist jedoch wie immer grundsätzliche Vorsicht bei der Interpretation derartiger Beobachtungen geboten.
Welche gesundheitlichen Vorteile bietet Birkenzucker (Xylit) im Vergleich zu normalem Zucker?
Kurz und knapp: Keine Vorteile, aber mögliche Risiken von medizinischer Relevanz. Die neue US-Studie sollte jedem zu denken geben – vor allem aber all denen, die „Birkenzucker“ noch immer als „gesunde Süße“ anpreisen.
Kann der Konsum von Birkenzucker beim Abnehmen helfen und wenn ja, wie?
Nein, bei einer langfristigen Gewichtsreduktion spielen Süßstoffe keine Rolle. Vor allem beim „Gewicht halten“ danach kommt es auf ganz andere Faktoren an. Grundsätzlich gilt: Wer seinen Herzenswunsch ’schlanker werden und bleiben‘ wirklich aus tiefster innerer Überzeugung aktiv zum Leben erwecken möchte, der kann nur mit individueller Ernährungs- und Lebensstilumstellung etwa 2 Kilogramm pro Monat gesund abnehmen. Bevor Sie starten, sollte ein „personal tabula rasa“ erfolgen: Stellen Sie einmal Ihr bisheriges Leben gründlich und komplett auf den Kopf, um sich selbst und Ihr eigenes Ich intensiv zu durchleuchten: Wer bin ich, warum sehe ich so aus, was will ich und was will ich nicht (mehr) in meinem Leben sehen? Zum Abnehmen muss man auch nicht zwangsläufig Kalorien zählen. Wenn Sie das Projekt Gewichtsreduktion jetzt noch angehen möchten. hier finden Sie alles, was Sie wissen müssen.
Was ist generell von Süßstoffen zu halten – empfehlenswert oder nicht?
Süßstoffe versprechen den süßen Geschmack, den wir lieben, ohne die Kalorien. Aber es könnte sein, dass wir für diese gesunde Illusion einen höheren Preis zahlen. Denn es gibt zahlreiche negative Zusammenhänge zwischen Süßstoffkonsum und diversen Krankheiten. Wohlgemerkt, wir reden von Korrelationen, nicht von Kausalitäten; aber ein Blick auf die aktuelle Datenlage lohnt sich – und die sieht eher aus wie „schlechte Nachrichten für alle Süßstoff-Freunde“
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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (u.a. Erfolgreich abnehmen und schlank bleiben, Springer 2022). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.