In Supermarktregalen voller Gesundheitsversprechen auf Lebensmittelverpackungen erklärt Ernährungswissenschaftler Uwe Knop, wie man als Verbraucher die Spreu vom Weizen trennt – und die „wirkliche Wahrheit“ erkennt.
Das OLG Koblenz hat jüngst die Gesundheits-Werbung für „Hohes C Immun Water“ verboten – ist das ein gutes Urteil?
Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat dem Hersteller „Eckes Granini“ verboten, sein Erfrischungsgetränk „hohes C IMMUN WATER“ zu nennen und es so zu bewerben. Damit gab das Gericht der Klage vom Bundesverband der Verbraucherzentralen statt. Laut aktuellem Urteil darf der Hersteller diesen Produktnamen nicht mehr in Zusammenhang mit der irreführenden Gestaltung der Getränkeflasche verwenden: Auf der Flasche war fett in Großbuchstaben der Getränkename und darunter in wesentlich kleinerer Schrift die Angabe „Mit Vitamin C + D“ abgedruckt. Auf der Rückseite der Flasche stand dazu der verpflichtend anzugebende EU-Health-Claim: „Vitamin C und D tragen zur normalen Funktion des Immunsystems bei.“ Die Verbraucherzentrale hatte diese Gestaltung als „unzulässige Gesundheitswerbung“ beklagt. Und das zurecht – denn so wurde ganz gezielt der falsche Eindruck erweckt, es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen dem Verzehr der „Limonade mit Limetten-Ingwer-Geschmack“ und einer „Stärkung der Immunabwehr“. Doch genau den gibt es nicht. Daher ist das Urteil eine gute Entscheidung für mehr Transparenz und besseren Verbraucherschutz,
Was sind EU-Health-Claims und wie werden sie in der Lebensmittelwerbung eingesetzt?
EU-Health-Claims sind gesundheitsbezogene Aussagen zu einzelnen Inhaltsstoffen wie Vitaminen, die von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit geprüft und zugelassen worden sind. Nur die Aussagen zu den Stoffen in dieser Liste dürfen auf Packungen und in der Werbung verwendet werden – und das ausschließlich im original Wortlaut. Damit sollen Verbraucher vor irreführenden, weil wissenschaftlich unbelegten Angaben, geschützt werden. Die Idee dahinter ist durchaus begrüßenswert. Doch leider gilt auch hier, wie so oft: Gut gedacht, schlecht gemacht. Denn die Health-Claims werden meistens gezielt zur Irreführung missbraucht und umgedeutet anstatt sie zur Aufklärung zu nutzen.
Wie kann man als Verbraucher Health-Claims auf Lebensmittelverpackungen richtig interpretieren?
Die meisten Health-Claims lauten „Substanz X trägt zur normalen Funktion von Y bei.“ – also völlig banal und unspektakulär, wie im aktuellen Fall: „Vitamin C und D tragen zur normalen Funktion des Immunsystems bei.“ Daher wird versucht mit Suggestivformulierungen einer stärkere „Wirkung“ vorzugaukeln und diese dem Produkt und nicht dem Vitaminzusatz zuzuschreiben – wie z.B. „Stärkung und Optimierung des Immunsystems“ oder „führt zu einem verbesserten Immunstatus“ oder „stärkt die Immunabwehr“ oder „Immun-Booster“ oder eben besagtes beklagtes „Immun-Water“. Hier wird die behauptete Wirkung auf das Immunsystem auf der Vorderseite der Flasche eben bewusst nicht den Vitaminen, sondern dem Getränk an sich angedichtet. Und genau das ist falsch, das ist irreführend. Wenn Sie also künftig so etwas lesen, denken Sie immer an den original Health-Claim, der irgendwo auf der Packung aufgedruckt sein muss. Generell gilt: Lebensmittel – und dazu gehören auch Nahrungsergänzungsmittel – dürfen per Gesetz keine Wirkung auf die Gesundheit haben, sonst wären es Arzneimittel. Und die wiederum durchlaufen eine strenge Zulassung bei den Behörden.
Warum machen die Unternehmen der Lebensmittel-Industrie das?
Lebensmittelhersteller versuchen immer wieder gerne, ihre Produkte sowohl im Namen und in der Packungsaufmachung als auch in der Werbung als besonders gesundheitsfördernd „erstrahlen“ zu lassen. Warum? Weil das einen USP (Marketingjargon für „besonderen Produktvorteil“) gegenüber der Konkurrenz und damit einen besseren Absatz verspricht. Doch genau mit solchen und anderen intransparenten Tricksereien macht sich die Lebensmittelindustrie das Leben selbst schwer.
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug- 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut. Kontakt: presse@echte-esser.de