Gerste für Tierfutter, Braumalz, Graupen, Brot und Co.

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Gerste (Hordeum vulgare) ist wohl die erste vom Menschen kultivierte Getreideart.

Gerste
Foto: Peggychoucair auf Pixabay

Ihre frühesten Nachweise im Vorderen Orient lassen sich auf rund 10.000 Jahre zurückdatieren. Hierzulande hatte das robuste Getreide bis ins 16. Jahrhundert hinein eine dominierende Rolle als ertragreiches Viehfutter und sättigendes Nahrungsmittel.

Auch heute ist Gerste noch ein sehr wichtiges Getreide: Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) lag die Inlandserzeugung 2023 bei 26 Prozent der Gesamtgetreideernte. Das bedeutet Platz zwei hinter Weichweizen (52 Prozent). Der allergrößte Teil davon geht in den Sektor Tierfutter, an zweiter Stelle steht die industrielle Verwertung, hauptsächlich zu Braumalz, gefolgt vom Energiesektor. Von den nahezu 8,7 Millionen Tonnen der Inlandsverwendung gingen nach vorläufigen Zahlen (Wirtschaftsjahr 2022/23) gerade einmal 15.000 Tonnen in den Nahrungsverbrauch.

Wie bei Weizen und Roggen gibt es Sommer- und Wintergerste. Letztere ist auf den Feldern am häufigsten anzutreffen, weil sie sich wegen ihres relativ hohen Proteinanteils sehr gut für die Futterproduktion eignet. Sommergerste enthält weniger Protein und mehr Kohlenhydrate und ist deshalb für Brauereien und Brennereien interessant.

Als Speisegetreide ist Gerste in Europa weitgehend in Vergessenheit geraten. Aber es gibt sie noch, die klassischen Gerstenprodukte: Graupen für die Suppe und Grütze – das sind die zerkleinerten, gereinigten und geschälten Gerstenkörner. Sie sind die Grundlage für Breie, süße und pikante Aufläufe oder auch Einlage für Suppen und Eintöpfe.

Nicht zu vergessen ist der Malzkaffee: Dafür wird die Gerste gemälzt, das heißt in Wasser eingeweicht und zum Keimen gebracht. Dabei wandeln getreideeigene Enzyme die enthaltene Stärke teilweise in Malzzucker um. Die Körner werden danach gedarrt (getrocknet), gemahlen und geröstet. Dadurch karamellisiert der Malzzucker und der kaffeeähnliche Geschmack sowie die braune Farbe entstehen.

Es gibt aus Gerste auch Vollkornmehl und Flocken zu kaufen, aber daraus alleine kann man kein Brot backen. Gerste gehört – gemäß den Leitsätzen für Brot und Kleingebäck – deshalb auch nicht zu den Brotgetreidearten, sondern zu „Sonstiges Getreide“. Allen Nicht-Brotgetreidearten ist gemeinsam, dass ihre Proteine keinen Kleber bilden können. Im Backwarenbereich gibt es deshalb nur Mehrkornbrote mit geringen Mengen Gerstenmehl. 20 Prozent ist die Untergrenze, wenn das Produkt noch „Gerste“ im Namen führen soll. Als backtechnische Obergrenze werden 30 Prozent angesehen, wenn die Brote bezüglich Volumen und Krumenqualität die üblichen Anforderungen von Bäckern und Konsumenten erfüllen sollen.

Ernährungsphysiologisch ist insbesondere der hohe Ballaststoffgehalt von Gerste hervorzuheben. Hierbei wiederum sind vor allem ß-Glucane zu nennen. Sie haben nachweislich einen positiven Einfluss auf Blutzucker- und Insulinspiegel sowie die Blut-Cholesterinwerte.

Übrigens: Gersterbrot hat nichts mit Gerste zu tun. Der Name kommt von „gerstern“ oder „gersteln“ – der norddeutschen Bezeichnung für das kurzfristige und nicht flächendeckende Abflämmen der Teigstücke vor dem Backen. Dadurch entstehen charakteristische dunkle Sprenkel und es bilden sich typische Aromastoffe.

Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de