Warum das Schlucken von leckerem Essen uns so glücklich macht: Neue Studie gibt Aufschluss. Wie entsteht das Hochgefühl nach einem köstlichen Bissen?
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet die faszinierenden neuen Erkenntnisse der Universität Bonn zu diesem Thema.
Welche neuen „Schluck-Ergebnisse“ haben die Wissenschaftler der Universität Bonn geliefert?
Mal angenommen, Sie sitzen hungrig im Restaurant. Vor Ihnen steht eine Pizza, deren Geruch Ihnen verlockend in die Nase steigt. Sie nehmen einen Bissen, kauen und schlucken ihn hinunter. Genau in diesem Moment setzt das Hochgefühl ein: War das lecker! Schnell schneiden Sie sich das nächste Stück ab und schieben es sich ebenfalls in den Mund. Der Geruch der Pizza und ihr Geschmack auf Ihrer Zunge motiviert Sie, ihr Mahl zu beginnen. Das gute Gefühl nach dem Herunterschlucken ist dagegen maßgeblich dafür verantwortlich, dass Sie weiter essen. Doch wie entsteht es genau? Welche Nervenbahnen sind dafür verantwortlich? Auf diese Fragen lieferten die Bonner Forscher nun eine erste Antwort – und zwar auf Basis einer Grundlagenstudie an Fruchfliegenlarven („Drosophila“), die folgendes herausfand:
Die Wissenschaftler identifizierten eine Art Dehnungssensor in der Speiseröhre .Dieser ist mit einer Gruppe von sechs Nervenzellen („Neuronen“) im Larvengehirn verkabelt, die dazu in der Lage sind, Serotonin herzustellen. Diese Botenstoff („Neuromodulator“) wird gerne auch als „Glückshormon“ bezeichnet. Er sorgt beispielsweise dafür, dass wir bestimmte Handlungen als belohnend empfinden, und bringt uns so dazu, sie fortzusetzen. Diese Serotonin-Neuronen empfingen zusätzlich Informationen darüber, was die Tiere gerade verschluckt haben. „Sie erkennen also, ob es sich um Nahrung handelt oder nicht, und bewerten ihre Qualität“, erläutert der Erstautor der Studie Dr. Andreas Schoofs. „Nur wenn das Urteil positiv ausfällt, schütten sie Serotonin aus und sorgen so dafür, dass die Larven mit der Nahrungsaufnahme fortfahren.“
Aber eine Fruchtfliegenlarve ist was anderes als ein Mensch – wie übertragbar sind die Ergebnisse?
Auch wenn Drosophila sicher in keiner Weise mit Menschen vergleichbar sind, und der Wissenstransfer über die Speziesgrenzen hinweg normalerweise mit großer Skepsis betrachtet werden sollte, so muss man hier jedoch konstatieren: Das alles klingt evolutionsbiologisch sehr plausibel. Denn dieser Mechanismus ist von so grundlegender Bedeutung, dass es ihn wahrscheinlich auch beim Menschen gibt. Ist er gestört, kann das möglicherweise Essstörungen wie Magersucht oder Heißhunger-Attacken („Binge-Eating“) zur Folge haben. Eventuell können aus den Ergebnissen dieser Grundlagen-Studie daher auch Konsequenzen für die Behandlung dieser Erkrankungen gezogen werden. Noch wissen wir aber nicht genug darüber, wie dieser Schaltkreis im Menschen genau aussieht An diesem Punkt ist sicher noch jahrelange Forschungsarbeit nötig. Oder man reflektiert einfach mal sein eigenes Essverhalten – und wird diesen biologischen Basismechanismus dann sicher schnell auch bei sich selbst „entdecken“.
Haben wir Menschen also auch eine „Leckeres-Essen-schlucken-macht-glücklich“-Nervenbahn?
Davon ist auszugehen. Denn, sinnieren Sie einmal über ihr eigenes Essverhalten: Wenn man richtig großen Hunger hat, den richtigen, den echten biologischen, der einen physiologischen Energie- und Nährstoffmangel anzeigt, und diesen Monsterhunger dann mit einem seiner Lieblingsessen stillt, das richtig gut schmeckt – was passiert dann? Je größer der Hunger, desto intensiver der Genuss beim Essen, desto stärker und angenehmer das „wohlige Stöhnen aus der Tiefe des Bauches“, mit dem Ihr Körper, Ihr enterisches Nervensystem (ENS; Bauchhirn) Ihnen signalisiert „Du isst gerade genau das Richtiges, was ich brauche!“. Und diese guten Gefühle aus unserem hirneigenen Belohnungszentrum („limbisches System“) spürt man nicht nur beim köstlichen Duft und vorfreudigem Anblick der leckeren Mahlzeit, sondern auch beim Kauen – und besonders beim Runterschlucken. Doch nicht nur deshalb erscheint ein Transfer der Bonner Forschungsergebnisse plausibel, sondern auch wegen folgenden Phänomens: Wenn man Megahunger aka „Bärenhunger“ aka „Zitterhunger“ hat, dann kaut man nicht nur sehr schnell, sondern man will auch schneller runterschlicken -. einfach, weil es sich sehr gut anfühlt.
Wie komme ich denn in Genuss dieses „kulinarischen Hochgefühls“?
Das ist ganz einfach, indem man auf die natürlichste Form der Ernährung des Menschen vertraut – und die nennt sich: Intuitiv essen, also essen mit vollem Vertrauen in seinen eigenen Körper und seine Gefühle. Um intuitiv zu essen, gibt es eine wichtige Grundvoraussetzung: Sowohl Körper als auch Geist, Seele, Psyche müssen gesund sein. Ist das gegeben, dann orientieren Sie sich an folgenden, ganz einfachen evolutionsbiologischen Erfolgsprinzipien: Essen Sie nur dann, wenn Sie echten, körperlichen Hunger verspüren und zwar nur das, worauf Sie wirklich Lust haben, was Ihnen richtig schmeckt und vor allem: was Sie gut vertragen. Essen Sie, bis Sie zufrieden satt sind und sich dabei gut fühlen. Dazu muss man einfach die gesamte Ernährungs-Verrücktmacher-Fraktion ignorieren und beim richtigen Essen nur auf sich selbst, auf seine Ethik und seine Intuition vertrauen – mehr braucht es nicht, um Gesundheit, Genuss und gutes Gewissen unter einen zu Hut bringen.
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug- 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut. Kontakt: presse@echte-esser.de