Neue Studie der Uni Göttingen mit überraschenden Ergebnissen: Misstrauen gegenüber Bio-Lebensmitteln größer als gedacht

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Trotz wachsendem Umweltbewusstsein herrscht bei vielen Deutschen Skepsis gegenüber Bio-Lebensmitteln.

Mit KI erstellt

Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet die Hintergründe.

Was hat die neue Studie gezeigt?

Die aktuelle repräsentative Umfrage eines großen deutschen Forschungsteams ergab: Viele Menschen misstrauen der Bio-Qualität von Lebensmitteln, wissen aber gleichzeitig nur wenig über den Ökolandbau. Konkret: Nur jeder dritte Befragte ist davon überzeugt, dass die verkauften Bio-Produkte tatsächlich Bio sind. Dagegen stimmten 40 Prozent der Aussage zu: „Bei Bio wird viel betrogen“. Etwa 30 Prozent sind überzeugt, dass Bio „nur Marketing“ ist. Und fast 20 Prozent gehen sogar davon aus, dass sich Bio-Produkte und konventionelle nicht unterscheiden.

Zu diesen ernüchternden Bio-Ergebnissen kommen die Forscher der Agrarökonomie der Göttinger Universität gemeinsam mit Kulturanthropologen und Bildungswissenschaftlern sowie dem Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen. Sie haben dazu 2.000 Personen befragt. Weitere Ergebnisse hat das BZfE Bundeszentrum für Ernährung zusammengestellt.

Sind Bio-Lebensmittel denn nicht gesünder als konventionelles Essen?

Das lässt sich grundsätzlich nicht sagen, denn: Dafür fehlt der wissenschaftliche Nachweis. Es gibt noch nicht einmal einen Beleg (im Sinne der härtesten Forscherwährung Kausalevidenz), der die generelle Einteilung in gesunde und ungesunde Lebensmittel erlauben würde. Daher lehnen auch die sieben großen Fachinstitutionen der Ökotrophologie (Ernährungswissenschaften) in Deutschland, Österreich und der Schweiz diese Einteilung unisono ab (die Statements können Sie im Infokasten am Ende dieses Artikels lesen).

Auch wenn Bio-Obst und Gemüse vielleicht ein paar Vitamine mehr und Pestizid-Mikrospuren weniger aufweisen und Bio-Milch, -Fleisch und Eier mehr ungesättigte Fettsäuren enthalten: Diese Surrogatparameter (Ersatzwerte für relevante klinische Endpunkte) lassen keinerlei Schlussfolgerung für die Wirkung auf die Gesundheit zu. Bio-Produkte haben jedoch unabhängig davon andere Vorteile.

Welche Vorteile sind das, worauf sollte man beim Kauf von Bio-Produkten achten? 

Idealerweise stammen die Produkte aus der ökologischen Landwirtschaft in Ihrer regionalen Nähe, die sich aufgrund strenger Bio-Richtlinien positiv auf die Umwelt auswirken kann – beispielsweise auf die Artenvielfalt von Wildkräutern und Insekten. Und: Damit fördert man auch die lokalen Bauern und die hiesige Wirtschaft. Wer tierische Produkte wie Fleisch oder Milch kauft, kann davon ausgehen, dass die Tierhaltungsstandards deutlich höher und besser sind als in der konventionellen Massentierhaltung. Denn die Bio-Siegel erlauben zwar kein Statement, ob ein Produkt gut für die Gesundheit ist, aber sie geben konkrete Aussagen über Qualitätsstandards bei Aufzucht und Herstellung.

Warum entscheiden sich deutsche Verbraucher für Bio-Lebensmittel? 

Einerseits herrscht noch der weit verbreitete Glaube, Bio-Essen sei gesünder. Andererseits will man Umwelt und Tiere schützen. Auf Meta-Ebene, leicht philosophisch betrachtet, ist es wohl so: Mit dem Erwerb von Bio-Lebensmitteln landet auch ein Stück „gutes Gewissen“ im Einkaufswagen. Man will Gutes tun und kauft sich so teilweise von „kollektiver Schuld frei“. Das alles sind begrüßenswerte Triebfedern, gut-reflektierte Gedanken, die jedoch gelegentlich von der Macht des Faktischen konterkariert werden – so beispielsweise bei Bio-Milchprodukten.

Sind Bio-Milchprodukte etwa nicht die bessere Wahl in Sachen Tierwohl? 

Die Antwort ist ein „jein“. Denn – und das wird viele überraschen – die zunehmende Produktion von Bio-Milch führt dazu, dass immer mehr Bio-Kälber geboren werden. Aber: Für den (im wahren Sinn) bio-logischen Grund der vielen Bio-Milch, die Bio-Kälber, existiert so gut wie kein Markt. Die Folge: „Die Tiere werden größtenteils an konventionell arbeitende Betriebe verkauft.

Für die Tiere bedeutet dies nicht nur lange Transporte, sie verlassen in der Regel auch die regionale Bio-Wertschöpfungskette, da sie meist an konventionell arbeitende Mastbetriebe verkauft werden. „ Diese Kälber erfahren weder unter ethischen noch ökonomischen Aspekten eine Wertschätzung “, bedauert die Uni Hohenheim. Und das ist wahrlich paradox bis schwer (ent)täuschend: Die Menschen kaufen einerseits mit „gutem Gewissen“ Bio-Milch – und dann andererseits sowas: Gerade die Jungtiere landen in der Massentierhaltung. Wenn die tierwohl-sensiblen Bio-Produkte-Käufer das wüssten, würden Sie wohl auch bei Bio-Milch deutlich differenzierter einkaufen. „Eventuell verdrängen sie diese Tatsache aber auch, um Schuldgefühle beim Kauf von Milchprodukten zu vermeiden“, vermuten die Wissenschaftler der Uni Hohenheim.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug- 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.

Kontakt: Uwe Knop auf LI